Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausdrückliche Zulassung der Revision erforderlich; keine Umdeutung in NZB; keine Aussetzung wegen eines mit Einspruch angefochtenen Änderungsbescheides bei unzulässigem Rechtsmittel
Leitsatz (NV)
1. Wird die Revision in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich zugelassen, so ist sie versagt.
2. Die von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe ausdrücklich als solche eingelegte unzulässige Revision kann auch nicht in eine statthafte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision umgedeutet werden.
3. Grundsätzlich ist das Verfahren gegen den ursprünglichen Bescheid auszusetzen oder -- bei übereinstimmenden Anträgen der Beteiligten -- zum Ruhen zu bringen, wenn ein während des Rechtsmittelverfahrens den ursprünglichen Steuerbescheid ändernder oder ersetzender Bescheid eigenständig mit Einspruch angegriffen wird. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt indes nicht in Betracht, wenn die Klage oder das gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Rechtsmittel unzulässig ist und damit eine Entscheidung in der Sache nicht mehr ergehen kann.
Normenkette
FGO §§ 74, 115 Abs. 1, 3 S. 1, § 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; ZPO § 251 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) wies den Einspruch gegen den Bescheid über die Steuerrate für 1990 vom 16. November 1993 mit Einspruchs entscheidung vom 18. Februar 1994 als un begründet zurück. Der mit Postzustellungs urkunde durch Niederlegung bei der Post geladene Kläger und Revisionskläger (Kläger) erschien zur mündlichen Verhandlung am 20. September 1994 vor dem Finanzgericht (FG) nicht. Das FG wies die Klage wegen Verspätung als unzulässig ab.
Der Prozeßbevollmächtigte beantragte mit am 17. Oktober 1994 beim FG eingegangenen Schriftsatz, das am 4. Oktober 1994 dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil wegen Nichtigkeit des Steuerbescheides aufzuheben, hilfsweise, das Schreiben als Einlegung der Revision zu betrachten. Mit dem angefochtenen Steuerbescheid für 1990 sei keine Einkommensteuer festgesetzt worden.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 1994 teilte der Berichterstatter beim FG dem Prozeßbevollmächtigten mit, aus verfahrensrechtlichen Gründen sei eine Änderung des angefochtenen Urteils nicht möglich. Der Vortrag sei im Revisionsverfahren zu berücksichtigen.
Der Vorsitzende des erkennenden Senats wies den Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 12. Januar 1995 auf den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 6. Dezember 1994 und die Möglichkeit, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, hin. Der Prozeßbevollmächtigte erklärte daraufhin mit am 23. Januar 1995 eingegangenem Schriftsatz, er habe beim FG die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils gemäß § 108 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Nichtigkeit des Steuerbescheides beantragt. Den Hilfsantrag bitte er als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Im übrigen sei erst nach Ergehen des angefochtenen Urteils die Nichtigkeit des Steuerbescheides festgestellt und daraufhin ein neuer Steuerbescheid für 1990 unter dem 14. November 1994 erlassen worden, der mit Einspruch angefochten worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und war deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO).
1. a) Die Revision ist deshalb unzulässig, weil sie vom FG nicht zugelassen worden ist.
Nach § 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) diese zugelassen hat.
Enthält die Entscheidung des FG -- wie im Streitfall -- keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision, so ist sie versagt (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Oktober 1986 IX R 186/85, BFH/NV 1988, 108, ständige Rechtsprechung).
b) Das Rechtsmittel ist auch nicht als zulassungsfreie Verfahrensrevision i. S. von § 116 Abs. 1 FGO zulässig. Der Kläger hat keinen der in dieser Vorschrift abschließend aufgeführten Verfahrensmängel, die eine zulassungsfreie Revision eröffnen, schlüssig gerügt.
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die lediglich hilfsweise für den Fall eingelegte Revision, daß das FG sein Urteil nicht wegen inhaltlicher Unrichtigkeit gemäß § 108 FGO aufhebe, auch wegen dieser Verknüpfung mit einer Bedingung unzulässig ist (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 12. April 1994 I B 74, 76, 78/93, BFH/NV 1994, 885, m. w. N.).
2. a) Die von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe ausdrücklich als solche eingelegte unzulässige Revision (zur Umdeutung von Prozeßerklärungen durch Angehörige der steuerberatenden Berufe vgl. Beschluß des BFH vom 29. Juli 1993 X B 210/92, BFH/NV 1994, 382, 383, m. w. N.) kann auch nicht in eine statthafte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision i. S. von § 115 Abs. 3 FGO umgedeutet werden (BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291, und vom 25. Februar 1987 II R 10/87, BFH/NV 1988, 320). Im übrigen müßte das Rechtsmittel als Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls als unzulässig verworfen werden, weil innerhalb der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO keine Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO vorgetragen worden sind.
b) Selbst wenn entgegen dem Wortlaut im Schreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 20. Januar 1995, den Hilfsantrag als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln, dieses Schreiben als erneute eigenständig eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt werden würde, wäre diese wegen Ablaufs der Rechtsmittelfrist ebenfalls unzulässig (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO).
3. Der Senat ist an einer Entscheidung über das den ursprünglichen Steuerbescheid für 1990 betreffende Revisionsverfahren nicht deshalb gehindert, weil das FA zwischenzeitlich unter dem 14. Dezember 1994 einen neuen Steuerbescheid für 1990 erlassen hat. Zwar ist grundsätzlich, wenn ein den ursprünglichen Steuerbescheid ändernder oder ersetzender Bescheid (vgl. zur Änderung eines nichtigen Bescheides BFH- Urteil vom 20. April 1988 I R 41/82, BFHE 153, 530, BStBl II 1988, 868, 871) eigenständig mit dem Einspruch angegriffen wird, das Verfahren gegen den ursprünglichen Bescheid auszusetzen oder -- bei übereinstimmendem Antrag der Beteiligten -- zum Ruhen zu bringen (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658, 659, m. w. N.). Eine Aussetzung des Verfahrens kommt indes nicht in Betracht, wenn die Klage bzw. das gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Rechtsmittel unzulässig ist und damit eine Entscheidung in der Sache nicht mehr ergehen kann (BFH/NV 1994, 382, 383; ferner BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 184/84, BFHE 148, 422, BStBl II 1987, 302, 304 für den Fall eines im Rahmen einer unzulässigen Klage gestellten Antrags nach § 68 FGO a. F. neben einen gegen den Änderungsbescheid eingelegten Einspruch).
Fundstellen
Haufe-Index 420654 |
BFH/NV 1995, 995 |