Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
In der Frage des Mindestinhalts einer Revisionsbegründung schließt sich der VI. Senat den Rechtsgrundsätzen des IV. und I. Senats in ihren Entscheidungen IV R 168/66 vom 23. August 1966 (BFH 86, 567, BStBl III 1966, 596) und I R 185/66 vom 8. März 1967 (BFH 88, 230, BStBl III 1967, 342) an.
Die Tatsache, daß der Steuerpflichtige keinen sachverständigen Beistand hat, ist für die Prüfung der Frage, ob die Revision in gesetzlicher Form und Frist begründet worden ist, grundsätzlich ohne Bedeutung.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1-2, § 124
Tatbestand
Die Klage des Stpfl. auf Gewährung einer Investitionszulage für das Jahr 1964 wies das FG durch das am 30. März 1967 zugestellte Urteil ab, weil der Antrag auf die Zulage verspätet gestellt worden sei.
In der am 28. April 1967 eingegangenen Revisionsschrift rügte der Stpfl., das FG habe einen begründeten Einwand unberücksichtigt gelassen; die Entscheidung sei mit geltendem Recht unvereinbar. Eine weitere Revisionsbegründung reichte der Stpfl. nicht ein. Der Senatsvorsitzende wies ihn schriftlich darauf hin, daß die Revision bis zum 30. Mai 1967 hätte begründet werden müssen, und gab dem Stpfl. anheim, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Das Antwortschreiben des Stpfl. beginnt mit den Worten: "Es wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Weil ein begründeter Einwand unberücksichtigt blieb, wie es in der Revisionsschrift lautet, sollte dieser kurze Hinweis als eigentlicher Grund zu verstehen sein." Die weiteren Ausführungen betreffen die Rechtzeitigkeit des Antrags auf Investitionszulage. Schließlich führt der Stpfl. noch aus, daß er "als langjähriger Hamburger häufig unterwegs ist und sich unbedingt darauf verlassen muß, alles auch in seiner Abwesenheit ordnungsgemäß erledigt zu wissen. Die streitige Angelegenheit wird hierseits am meisten bedauert, weil es nicht am guten Willen mangelt."
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Urteils einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Darüber wurde der Stpfl. auch in der dem Urteil des FG beigegebenen Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich belehrt. Aus der Rechtsmittelbelehrung ergab sich - dem § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO entsprechend - weiter, daß die Revisionsbegründung oder die Revision die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen muß, die den Mangel ergeben. Die Bemerkungen in der Revisionsschrift, ein begründeter Einwand sei unberücksichtigt geblieben und die angefochtene Entscheidung sei mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren, genügen diesen gesetzlichen Anforderungen nicht. Derart allgemeine Erklärungen lassen nicht erkennen, welche Punkte verfahrensrechtlicher oder sachlicher Art der Stpfl. rügen will, insbesondere welche Rechtsnormen nach seiner Auffassung verletzt sind. Zumindest ist eine wenn auch kurze Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung erforderlich. Eine unbestimmte Bezugnahme auf Vorbringen in der Vorinstanz genügt nicht. Diesen in den Entscheidungen des BFH IV R 168/66 vom 23. August 1966 (BFH 86, 567, BStBl III 1966, 596) und I R 185/66 vom 8. März 1967 (BFH 88, 230, BStBl III 1967, 342) ausgesprochenen Rechtsgrundsätzen tritt der erkennende Senat bei.
Die Anforderungen, die an eine ordnungsmäßige Revisionsbegründung zu stellen sind, können nicht danach abgestuft werden, ob der Stpfl. im Revisionsverfahren durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten oder Beistand vertreten ist. Der Steuerprozeß kennt zwar auch in der Revisionsinstanz keinen Vertretungszwang. Die Beteiligten können sich aber nach § 62 FGO jederzeit durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Bei Bedürftigkeit kann ihnen das Armenrecht gewährt und ein sachkundiger Vertreter beigeordnet werden (§§ 142 FGO, 118 Abs. 1 ZPO). Führt ein Steuerpflichtiger eine Revision ohne sachverständigen Bevollmächtigten oder Beistand durch, so geht das zu seinen Lasten. Er kann nicht erwarten, daß der BFH ihn von der Innehaltung der Formvorschriften des § 120 Abs. 1 und 2 FGO entbindet. Das Gesetz bietet für eine solche Entscheidung keine Grundlage. Durch den Zwang zur Begründung soll der Revisionsführer veranlaßt werden, sich über die Aussicht seines Rechtsmittels Gedanken zu machen und gegebenenfalls von der Rechtsverfolgung Abstand nehmen. Darüber hinaus beruht die Begründungspflicht auf der Erwägung, daß es nicht die Aufgabe eines Revisionsgerichts ist, wie eine Aufsichtsbehörde den Akteninhalt auf mögliche Rechtsfehler zu durchsuchen (BFH- Entscheidung I R 185/66 a. a. O.). Diese vom Gesetzgeber klar niedergelegten Grundsätze eines Revisionsverfahrens würden verletzt, wenn man die Auslegung des § 120 Abs. 1 und 2 FGO und die an die Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen davon abhängig machen wollte, ob der Steuerpflichtige einen sachverständigen Bevollmächtigten oder Beistand bestellt hat.
Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist die Wiedereinsetzung, wie der Vorsitzende dem Stpfl. mitgeteilt hat, zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Die Behauptung des Stpfl., daß er "als langjähriger Hamburger häufig unterwegs" sei, ist nicht geeignet, das Verschulden des Stpfl. an der Fristversäumnis auszuräumen. Auch der "gute Wille" kann die Wahrung der Begründungsfrist vom 30. Mai 1967 nicht ersetzen. Wenn der Stpfl. tatsächlich wegen einer Reise Schwierigkeiten hatte, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, mußte er vor ihrem Ablauf gemäß § 120 Abs. 1 FGO beantragen, die Frist zu verlängern. Auch auf die Möglichkeit, die Verlängerung zu beantragen, war er in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 412692 |
BStBl III 1967, 706 |
BFHE 1967, 509 |
BFHE 89, 509 |