Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Sachverhaltsermittlung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 FGO; zur Anwendung der großen Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Sätze 1--3 EStG
Leitsatz (NV)
1. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO findet wegen dessen Eilbedürftigkeit eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Finanzbehörde und auf präsente Beweismittel statt. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das FG sind nicht erforderlich.
2. Die große Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 Sätze 1 bis 3 EStG kommt nur bei Objekten zur Anwendung, bei denen beim Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG) vorgelegen haben. Voraussetzung ist demnach, daß Eigentümer von Objekten i. S. von § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG im Veranlagungszeitraum 1986 eine Wohnung in diesem Objekt selbst bewohnt haben.
Normenkette
FGO § 69; EStG § 21 Abs. 2 S. 1, § 52 Abs. 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, sind seit 1986 verheiratet. Der Antragsteller bewohnte bis März 1986 eine im Jahre 1979 fertiggestellte Eigentumswohnung in B, die ihm seit Oktober 1981 alleine gehört. Um Instandsetzungsarbeiten durchführen zu können, räumte der Antragsteller nach seinen Angaben die Wohnung nebst Mobiliar am 1. April 1986 und zog in die Wohnung seiner jetzigen Ehefrau um. In der Zeit vom 1. August 1986 bis zum Frühsommer 1987 wurden an der Wohnung mit einem Kostenaufwand von 433 176 DM -- davon entfallen auf 1986 Instandsetzungskosten von 159 931,25 DM, Finanzierungskosten von 39 423,99 DM und auf 1987 Instandsetzungskosten von 198 265,49 DM, Finanzierungskosten von 35 554,99 DM -- verschiedene "Instandsetzungsarbeiten" (Baumaßnahmen) vorgenommen. Nach Darstellung des Antragstellers mußte zwischen dem Wohnbereich im Erdgeschoß und dem Schwimmbadbereich im Untergeschoß des Hauses, in dem sich die Eigentumswohnung befindet, eine zweite Trennwand gezogen werden, um schädigende Feuchtigkeit und den Chlorgeruch aus dem Wohnbereich fernzuhalten. Außerdem mußten Jalousien, Ölbrenner, Heizkörper, sanitäre Einrichtungen und Schlösser ausgetauscht werden. Des weiteren seien diverse Malerarbeiten an Fenstern, Türen und Wänden sowie die Erneuerung des Teppichbodens notwendig gewesen.
Während der Baumaßnahmen war die Wohnung nach Angaben des Antragstellers nicht nutzbar und wurde auch nicht genutzt. Der Antragsteller ist der Ansicht, bei den Instandsetzungskosten und den Finanzierungskosten handele es sich im Jahre 1986 um uneingeschränkt abziehbaren Erhaltungsaufwand im Sinne des Senatsurteils vom 12. Februar 1985 IX R 43/82 (BFHE 143, 132, BStBl II 1985, 422). Nachdem die pauschale Ermittlung des Nutzungswerts gemäß § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) wegen fehlender Selbstnutzung nicht zur Anwendung komme, sei 1986 ein Werbungskosten-Überschuß von 203 431 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Entfalle im Jahre 1986 die pauschale Nutzungswertbesteuerung mangels Selbstnutzung, so führe dies dazu, daß im Streitfall im Jahre 1987 die große Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 EStG zur Anwendung komme, mit der Folge, daß die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Überschußrechnung mit ./. 268 902 DM zu ermitteln seien.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) ermittelte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Haus im Jahre 1986 ausschließlich nach § 21 a EStG, da die Eigentumswohnung nicht zur Behebung von Baumängeln im Sinne des Senatsurteils in BFHE 143, 132, BStBl II 1985, 422 geräumt worden sei, sondern um Umbaumaßnahmen vornehmen zu können, die als Herstellungskosten bzw. als Kosten der Lebensführung zu behandeln seien. Soweit in den Instandsetzungskosten dem Grunde nach Erhaltungsaufwand enthalten sei, komme ein uneingeschränkter Werbungskostenabzug nicht in Betracht, weil die Räumung der Wohnung durch den Antragsteller einen Mißbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) darstelle. Den für das Jahr 1987 erklärten Werbungskostenüberschuß aus Vermietung und Verpachtung für das Haus -- das die Antragsteller seit 6. Juni 1987 selbst bewohnen -- ließ das FA unberücksichtigt, da die Antragsteller keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dieser Eigentumswohnung mehr erzielen und -- entgegen der Auffassung der Antragsteller -- die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts durch Überschußrechnung nach der großen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Sätze 1 bis 3 EStG) nicht vorlägen.Ü
ber die hiergegen eingelegten Einsprüche ist noch nicht entschieden. Ein beim FA gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hatte insoweit keinen Erfolg. Mit dem nunmehr an das Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beantragte der Antragsteller, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1985 vom 30. Oktober 1991 (wegen zu berücksichtigender Verlustrückträge) insoweit auszusetzen, als die Einkommensteuer 1985 den Betrag von 175 602 DM übersteigt; beide Antragsteller beantragten, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1986 vom 18. November 1991 und für 1987 vom 6. November 1991 in voller Höhe auszusetzen. Das FG entsprach dem Begehren für das Jahr 1986 zum Teil in Höhe eines Werbungskostenüberschusses aus Vermietung und Verpachtung wegen der selbstgenutzten Eigentumswohnung von 59 493 DM.
Der FG-Beschluß ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 518 veröffentlicht. Hiergegen hat der Antragsteller für das Streitjahr 1985 und die Antragsteller für die Streitjahre 1986 und 1987 die vom FG zugelassene Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Der Senat legt die vom FG zugelassene Beschwerde dahin aus, daß sie hinsichtlich des Streitjahres 1985 allein vom Antragsteller eingelegt ist. Denn dies entspricht seinem gegenüber dem FG gestellten Antrag, den er mit der Beschwerde ausdrücklich weiterverfolgt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheides erstreben könnte, der nicht gegen sie ergangen ist, so daß sie insoweit nicht beschwert wäre.
2. Die Beschwerde wegen Versagung der weiteren Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1986 ist unbegründet.
Nach § 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Vollziehung eines Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Das ist der Fall, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Anm. 77 m. w. N.). Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, und hat sie im Streitfall auch zutreffend angewandt.
a) Das FG hat es zu Recht im Hinblick auf das Senatsurteil in BFHE 143, 132, BStBl II 1985, 422 als ernstlich zweifelhaft angesehen, ob, nachdem der Antragsteller die Eigentumswohnung am 1. April 1986 vollständig geräumt hatte, um "Instandsetzungsarbeiten" durchführen zu können, der uneingeschränkte Werbungskostenabzug für Erhaltungsaufwand mit der Begründung versagt werden könne, die Räumung der Wohnung stelle einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 42 AO 1977 dar, so daß für den gesamten Veranlagungszeitraum 1986 weiterhin die Pauschalierungsregelung des § 21 a EStG ausschließlich anzuwenden sei.
Zutreffend hat das FG auch den zu berücksichtigenden sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand im summarischen Verfahren mit insgesamt 59 493 DM geschätzt.
Hinsichtlich des zu berücksichtigenden Prozeßstoffs findet im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO wegen dessen Eilbedürftigkeit eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Finanzbehörde und auf präsente Beweismittel statt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Februar 1989 IV B 33/88, BFHE 156, 167, BStBl II 1989, 516 m. w. N.). Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das FG sind nicht erforderlich. Aufgrund der dem Gericht vorliegenden präsenten Beweismittel kam eine weitere Aussetzung über den vom Gericht gewährten Rahmen nicht in Betracht, da offensichtlich in den geltend gemachten "Instandsetzungskosten" von insgesamt 159 931 DM Aufwendungen für eine Einbauküche von 30 000 DM (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13. März 1990 IX R 104/85, BFHE 160, 29, BStBl II 1990, 514), Aufwendungen für Bau-und Sanitärmaßnahmen an Bad und Schwimmbad in Höhe von insgesamt 75 800 DM sowie hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen für Statiker und Architekten in Höhe von 15 570 DM enthalten sind, die jedenfalls bei der gebotenen summarischen Betrachtung keine uneingeschränkt abziehbaren Erhaltungsaufwendungen darstellen. Die Antragsteller können somit nicht mit Erfolg geltend machen, die Gesamtaufwendungen von insgesamt 199 355 DM (159 931 DM Kosten für Instandsetzungsarbeiten + 39 423,99 DM Finanzierungskosten, die nach dem 31. März 1986 angefallen sind), seien als Werbungskosten abziehbar.
b) Zutreffend hat das FG im Streitfall das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1987 verneint, weil die sog. große Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 Sätze 1 bis 3 EStG für die selbstgenutzte Eigentumswohnung nicht zur Anwendung kommt und somit auch kein Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen ist.
Die große Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 Sätze 1 bis 3 EStG kommt nur bei Objekten zur Anwendung, bei denen beim Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG) vorgelegen haben. Voraussetzung ist demnach, daß Eigentümer von Objekten i. S. von § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG im Veranlagungszeitraum 1986 eine Wohnung in diesem Objekt selbst bewohnt haben (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 10 e Anm. 3 b). Bei Objekten, die wie im Streitfall bei Selbstnutzung im Jahre 1986 ausschließlich unter § 21 a und nicht unter § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG fallen würden (vgl. auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 10 e Anm. 3 b aa), kommt die große Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 Sätze 1 bis 3 EStG nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auch dann nicht zur Anwendung, wenn ausnahmsweise im Veranlagungszeitraum 1986 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Überschußrechnung zu ermitteln waren, weil dieses Einfamilienhaus wegen durchzuführender Renovierungsarbeiten nicht selbstgenutzt werden konnte.
c) Einkommensteuer 1985
Zutreffend hat das FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1985 verneint, nachdem aus den oben aufgeführten Gründen das Aussetzungsbegehren in den Streitjahren 1986 und 1987 über den vom FG gewährten Umfang keinen Erfolg haben konnte. Eine Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1985 kommt somit mangels eines zu berücksichtigenden Verlustrücktrags nicht in Frage.
Fundstellen
Haufe-Index 64982 |
BFH/NV 1995, 116 |