Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorsteuerabzugsrecht und keine Besteuerung der Privatnutzung einer Wohnung im unternehmerisch steuerfrei verwendeten Gebäude
Leitsatz (NV)
Für die Frage, ob die Zuordnung eines Einfamilienhauses, dessen Einliegerwohnung steuerfrei vermietet werden soll, zu diesem Unternehmen das Recht auf Vorsteuerabzug begründet, wird nicht aufgrund der bloßen Berufung auf die EuGH-Rechtsprechung zur Steuerpflicht der Privatnutzung des Einfamilienhauses, das einem Unternehmen (mit besteuerten Umsätzen) zugeordnet wird, die grundsätzliche Bedeutung dargelegt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; UStG 1993 § 3 Abs. 9a Nr. 1, § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine aus dem Steuerberater A und seiner Ehefrau bestehende Grundstücksgemeinschaft, errichtete im Jahr 1996 auf ihrem Grundstück ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung. Die Hauptwohnung wird seit Dezember 1996 von den Eheleuten selbst genutzt. Die Einliegerwohnung ist zu Wohnzwecken steuerfrei vermietet. Von der Wohnfläche entfallen 60 v.H. auf den selbstgenutzten und 40 v.H. auf den fremdvermieteten Teil.
Im September 2003 reichte die Klägerin beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1996 und 1997 (Streitjahre) ein. Als Beginn der Unternehmereigenschaft war in der Erklärung für das Jahr 1996 der 1. Dezember 1996 angegeben. In beiden Erklärungen waren als steuerpflichtige Umsätze lediglich Entnahmen von sonstigen Leistungen zu 15 v.H. erklärt (1996: 229 DM; 1997: 2 844 DM). Abziehbare Vorsteuerbeträge waren für das Jahr 1996 in Höhe von 20 603,89 DM und für das Jahr 1997 in Höhe von 713,40 DM angesetzt. Im Ergebnis ergaben sich Umsatzsteuerüberschüsse in Höhe von 20 569,54 DM bzw. 286,80 DM.
In dem Begleitschreiben zu den Erklärungen wurde auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00 --Seeling-- (BStBl II 2004, 378) hingewiesen. Von dieser Entscheidung ausgehend habe man das Gebäude in vollem Umfang dem Unternehmen "Vermietung" zugeordnet, was zur Folge habe, dass einerseits der Eigenverbrauch bzw. die unentgeltliche Wertabgabe hinsichtlich des selbstgenutzten Teils umsatzsteuerpflichtig sei, andererseits aber die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge abziehbar seien.
Mit Bescheiden vom 1. Oktober 2004 setzte das FA die Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin für 1996 und 1997 jeweils auf 0 € fest. Es führte zur Begründung aus, dass die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für nichtunternehmerische Zwecke gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) nur steuerbar sei, wenn der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt habe. Dabei sei ausschließlich die unternehmerische Nutzung des Gegenstandes maßgeblich, d.h. eine nur steuerfreie unternehmerische Nutzung führe auch hinsichtlich der Eigennutzung nicht zur Vorsteuerberechtigung. Im vorliegenden Fall sei kein Vorsteuerabzug gegeben, weil ausschließlich eine steuerfreie Vermietung vorliege. Die Eigennutzung sei nicht steuerbar.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage mit entsprechender Begründung zurück. Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2006, 1711 abgedruckt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie meint, die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) lägen vor. Eine Revision sei zum einen zur Fortentwicklung des Rechts erforderlich. Zum anderen weiche die Vorentscheidung vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Februar 2002 V R 25/96 (BFHE 198, 216, BStBl II 2003, 815) ab.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
1. Die Revision kann nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen werden.
a) Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698; vom 27. März 2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256). Voraussetzung ist, dass die Rechtsfortbildung im angestrebten Revisionsverfahren möglich ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. September 2004 X B 51/04, BFH/NV 2005, 53). Daran fehlt es hier.
b) Die Klägerin macht hierzu geltend, nach dem vom FG zitierten BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1992 V B 22/92 (BFHE 170, 477, BStBl II 1994, 370) stehe dem Steuerpflichtigen das Recht zu, sich auf das für ihn günstigere Gemeinschaftsrecht in Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zu berufen. Das FG habe in dem angefochtenen Urteil aber den --darüber hinausgehenden-- Rechtsgrundsatz aufgestellt, dass nach dem BFH-Beschluss in BFHE 170, 477, BStBl II 1994, 370 die Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG unmittelbar gelte, also "nationalen Gesetzescharakter" habe. Damit habe das FG auch der Finanzverwaltung das Recht zugestanden, sich --zu Lasten der Steuerpflichtigen-- auf eine vom nationalen Recht abweichende günstigere EU-Regelung zu berufen. Diese Auslegung des BFH-Beschlusses in BFHE 170, 477, BStBl II 1994, 370 sei unzutreffend. Denn der BFH habe dort (lediglich) entschieden, dass dem Steuerpflichtigen das Recht zustehe, sich auf für ihn günstigere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen zu berufen, auch wenn sie nationalen Regelungen widersprechen sollten.
Die damit von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, wie der BFH-Beschluss in BFHE 170, 477, BStBl II 1994, 370 zu verstehen ist bzw. ob sich auch die Finanzverwaltung auf Gemeinschaftsrecht berufen kann, stellt sich in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren jedoch nicht, weil sie nicht entscheidungserheblich ist.
Der BFH-Beschluss in BFHE 170, 477, BStBl II 1994, 370 befasst sich mit der Besteuerung eines Eigenverbrauchs und den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG sowie mit Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Das FA hat aber in den angefochtenen Bescheiden die Umsatzsteuer jeweils auf 0 € festgesetzt und keinen Eigenverbrauch erfasst. Kern des vorliegenden Rechtsstreites war --und ist-- vielmehr, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug zusteht, soweit er auf die selbstgenutzte Wohnung entfällt. Hat das FA den Vorsteuerabzug zu Recht versagt, sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Für diese Entscheidung kommt es nicht auf Fragen der Besteuerung eines Eigenverbrauchs an.
2. Die Revision kann auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO wegen Divergenz zugelassen werden.
a) Eine Divergenz als Unterfall des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes Gericht. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. März 2005 VI B 32/04, BFH/NV 2005, 1333; vom 24. April 2006 VII B 120/05, BFH/NV 2006, 1609).
b) Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht --wie nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich-- dargelegt.
Sie hat (lediglich) ausgeführt, das FG habe das BFH-Urteil in BFHE 198, 216, BStBl II 2003, 815) zwar zitiert, faktisch aber nicht angewandt. Das genügt den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz nicht.
Fundstellen