Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung für künftigen Aufwand
Leitsatz (NV)
Ein schwebendes Geschäft i.S. von § 5 Abs. 4a EStG setzt voraus, dass ein gegenseitiger auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag i.S. der §§ 320 ff. BGB vorliegt. Das Vorliegen eines solchen Vertrags ist nicht deshalb zu verneinen, weil einer der Vertragspartner nur im Erfolgsfall einen Anspruch gegenüber dem anderen Vertragspartner hat.
Normenkette
BGB § 320; EStG § 5 Abs. 4a
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. von § 115 Abs. 2 FGO.
1. Der Kläger hat das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht schlüssig gerügt.
a) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 des Grundgesetzes --GG--) sowie eine Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO können gegeben sein, wenn das Finanzgericht (FG) in den Akten enthaltenes Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Mai 2003 VI B 97/02, BFH/NV 2003, 1208; Senatsbeschluss vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Zur schlüssigen Rüge eines solchen Verfahrensfehlers ist u.a. die Darlegung erforderlich, das FG habe sich mit dem klägerischen Vorbringen weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen des Urteils befasst. Hat das FG einen bestimmten Umstand im Tatbestand seines Urteils erwähnt, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass es diesen Umstand bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt hat (BFH-Beschluss vom 3. August 2005 I B 195/04, BFH/NV 2006, 72). Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Umstand in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich gewürdigt worden ist (BFH-Beschluss vom 28. November 2001 I B 169/00, BFH/NV 2002, 774).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Denn in ihr wird lediglich ausgeführt, das (angefochtene) Urteil erwecke den Eindruck, die zivilrechtliche Verpflichtung des Klägers gegenüber seinen Auftraggebern zur Beitreibung der diesen zustehenden Forderungen sei nicht existent. Das Bestehen einer solchen Verpflichtung sei im Klageverfahren schriftsätzlich geltend gemacht und durch beigefügte Vertragsunterlagen belegt worden.
Der Kläger berücksichtigt nicht, dass das FG im Tatbestand seines Urteils (Seite 5 vorletzter Absatz) dieses Vorbringen ausdrücklich erwähnt. Auch in den Entscheidungsgründen hat das FG diesen Vortrag gewürdigt. Es ist hierbei allerdings zu dem Ergebnis gelangt, eine Rückstellung für den künftig entstehenden Aufwand könne nicht gebildet werden. Denn eine solche Verpflichtung zur Beitreibung von Forderungen sei gegenüber der "eigenbetrieblichen Verpflichtung" des Klägers nachrangig, weil solche Maßnahmen bei einem Inkassounternehmen der Erreichung des Ziels der betrieblichen Betätigung dienten. Denn im Fall einer erfolgreichen Beitreibung habe der Kläger neben dem Anspruch auf Kostenersatz zudem einen Provisionsanspruch gegenüber seinem Auftraggeber.
Selbst wenn diese rechtliche Würdigung des FG unzutreffend sein sollte (vgl. hierzu unten bei 3.), läge darin kein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern --allenfalls-- eine unzutreffende Anwendung des materiellen Rechts.
b) Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) kann gegeben sein, wenn das FG den schlüssigen Beweisantrag eines Verfahrensbeteiligten übergeht oder wenn das FG eine auch ohne Vorliegen eines solchen Beweisantrags gebotene Sachaufklärung unterlässt, obwohl eine solche sich dem FG hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 33, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
Einen solchen Verstoß hat der Kläger nicht schlüssig gerügt. Denn der Kläger trägt lediglich vor, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Das FG habe das Bestehen einer Verpflichtung des Klägers gegenüber seinen Auftraggebern verneint, deren Forderungen beizutreiben. Der Kläger berücksichtigt nicht, dass das FG das Bestehen einer solchen Verpflichtung nicht in Zweifel gezogen hat. Es hat ihr lediglich keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Zu einer weiteren Aufklärung bestand daher aus der Sicht des FG kein Anlass.
2. Der Kläger hat auch keinen Revisionsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO schlüssig dargelegt.
Wird der Revisionszulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend gemacht, wonach die Revision zuzulassen ist, wenn das angefochtene Urteil des FG von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dann sind in der Beschwerdebegründung die angeblich voneinander abweichenden tragenden Rechtssätze im Urteil des FG und in der (angeblichen) Divergenzentscheidung herauszuarbeiten und gegenüberzustellen. Hierbei muss erkennbar werden, dass beide Entscheidungen dieselbe Rechtsfrage betreffen und bei deren Beantwortung voneinander abweichen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 48, 55 und § 116 Rz 42, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger bringt vor, das angefochtene Urteil weiche von dem BFH-Urteil vom 25. Februar 1986 VIII R 134/80 (BFHE 147, 8, BStBl II 1986, 788) ab. Danach sei die Bildung einer Rückstellung auch dann zulässig, wenn wie im Falle eines Dienst- oder Werkvertrags nicht in Geld zu erfüllende Pflichten bestünden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn eine solche Verpflichtung nicht von dem Eigeninteresse des Verpflichteten vollständig überlagert werde. Der Kläger hat hingegen nicht dargestellt, dass das FG einen hiervon abweichenden Rechtsstandpunkt eingenommen hätte.
Der Kläger lässt außer Acht, dass das FG die Berechtigung zur Bildung einer Rückstellung nicht deshalb verneint hat, weil gegenüber dessen Auftraggebern keine Leistungspflicht bestanden hätte. Es hat vielmehr maßgeblich darauf abgestellt, dass die gegenüber diesen bestehende Beitreibungsverpflichtung deshalb zu vernachlässigen ist, weil die (erfolgreiche) Beitreibung Gegenstand der unternehmerischen Betätigung des Klägers ist. Das FG ist mithin davon ausgegangen, dass die gegenüber den Auftraggebern bestehende Verpflichtung von dem Eigeninteresse des Klägers überlagert wird. Es liegt mithin keine Abweichung im Grundsätzlichen von dem genannten BFH-Urteil, sondern allenfalls eine unzutreffende Anwendung der dort aufgestellten Grundsätze im konkreten Einzelfall vor. Eine solche rechtfertigt aber keine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO.
3. Der Kläger hat auch nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen ist.
Wird dieser Zulassungsgrund geltend gemacht, dann ist u.a. ausführlich darzustellen, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Insbesondere ist unter Darstellung der hierzu ergangenen Rechtsprechung und der Stimmen in der Literatur auszuführen, aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 31 f., m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Mit dem Vortrag, die Rechtsfrage, ob Auftragnehmer für künftigen Aufwand eine Rückstellung bilden können, wenn sie gegenüber einem Auftraggeber zu mit Aufwendungen verbundenen Maßnahmen verpflichtet sind, sei für 600 bis 700 Inkassounternehmen von Bedeutung, hat der Kläger allenfalls dargetan, dass diese Rechtsfrage nicht lediglich einen Einzelfall betrifft. Hingegen hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht dargetan.
Die Klärungsbedürftigkeit hat der Kläger nicht dadurch in ausreichender Weise dargelegt, dass er auf eine Literaturmeinung verwiesen hat. Nach der von ihm zitierten Auffassung von Weber-Grellet (in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 5 Rz 362, m.w.N.) soll der Gesichtspunkt des Bestehens eines eigenbetrieblichen Interesses kein taugliches Kriterium sein, das geeignet ist, die Zulässigkeit der Bildung einer Rückstellung im Falle des Bestehens einer gegenüber einem Dritten bestehenden Verpflichtung zu verneinen. Dieser bereits im Jahr 2001 geäußerten Rechtsmeinung ist der BFH im Ergebnis nicht gefolgt. Denn er hat noch im Urteil vom 19. August 2002 VIII R 30/01 (BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131) an diesem Kriterium festgehalten.
Klarstellend weist der erkennende Senat darauf hin, dass sich das angefochtene Urteil jedenfalls aus anderen Gründen als zutreffend erweist. Nach dem im Streitjahr 2000 geltenden Recht dürfen nämlich Rückstellungen, welche schwebende Geschäfte betreffen, regelmäßig nur bei Vorliegen eines Erfüllungsrückstands gebildet werden. Hingegen ist bei solchen Geschäften die Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste steuerlich grundsätzlich unzulässig (§ 5 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Das Vorliegen eines solchen schwebenden Geschäfts setzt voraus, dass kein einseitiges Leistungsversprechen, sondern ein gegenseitiger, auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag i.S. der §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt (BFH-Beschluss vom 11. April 2003 IV B 176/02, BFH/NV 2003, 919).
Dies ist im Streitfall gegeben. Denn der Kläger verpflichtet sich als Inkassounternehmer gegenüber seinen Auftraggebern, die gebotenen Maßnahmen zu treffen, dass deren Forderungen von den Schuldnern erfüllt werden. Umgekehrt erhält er nach den vom FG getroffenen Feststellungen im Erfolgsfall neben dem Ersatz seiner Auslagen eine Provision. Dass diese Ansprüche des Klägers nur im Erfolgsfall geschuldet werden, ist für das Vorliegen eines gegenseitigen Vertrags unerheblich (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., Einführung vor § 320 Rn. 7).
Im Streitfall war auch kein Erfüllungsrückstand gegeben. Ein solcher liegt nur vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet. Er muss also weniger geleistet haben, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte (BFH-Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, BFHE 207, 205). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG nicht festgestellt. Dem vom Kläger zu tragenden künftigen Beitreibungsaufwand steht ein von seinen Vertragspartnern (erst) im Erfolgsfall geschuldeter Vergütungsanspruch gegenüber. Auch soweit der Kläger mit seinen Beitreibungsmaßnahmen voraussichtlich erfolglos bleiben wird, schließt § 5 Abs. 4a EStG in steuerlicher Hinsicht die Bildung einer Rückstellung wegen des dann beim Kläger entstehenden Verlusts ausdrücklich aus.
Fundstellen
Haufe-Index 1606138 |
BFH/NV 2006, 2253 |
DB 2007, 28 |