Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisantrag nötig bei mangelnder Glaubwürdigkeit der bisher benannten Zeugen; grundsätzlich kein Sachverständigengutachten zum Zweck der Gewinnschätzung
Leitsatz (NV)
- Eine (weitere) Beweiserhebung muss sich dem FG nicht allein deswegen aufdrängen, weil es den bisher vernommenen Zeugen keinen Glauben zu schenken vermag.
- Das FG hat gemäß § 96 FGO i.V.m. § 162 AO 1977 eine eigene Schätzungsbefugnis. Es ist daher im Allgemeinen ‐ auch auf Antrag des Klägers hin ‐ nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten zum Zweck der Gewinnschätzung nach § 162 AO 1977 einzuholen (z.B. BFH-Beschluss vom 18. November 1998 X B 78/98, BFH/NV 1999, 651).
Normenkette
FGO §§ 76, 96; AO 1977 § 162
Gründe
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde betreffend Haftung für Lohnsteuer ist mangels jeglicher Begründung gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig.
2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet:
a) Streitgegenstand sind Schätzungen von Besteuerungsgrundlagen (§ 162 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Alle Einwände der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), die sich gegen die Richtigkeit der Schätzungen des Finanzgerichts (FG) richten, sind im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtlich; denn durch sie wird keiner der für eine Revisionszulassung in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht. Auch eine unrichtige Beweiswürdigung, sollte sie vorliegen, begründet allenfalls einen materiellen, keinen verfahrensrechtlichen Fehler (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 28, m.w.N.).
b) Soweit die Kläger rügen, das FG habe ihre Beweisantritte in den Schriftsätzen vom 13. Dezember 1996 und 3. März 1997 übergangen, ist dem FG schon deswegen kein Verfahrensfehler (Verletzung des § 76 FGO) unterlaufen, weil die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung am 21. April 1999 nicht mehr wiederholt wurden. Dies wäre insbesondere deswegen geboten gewesen, weil das FG aufgrund der Beweisangebote am 20. Oktober 1998 und am 9. November 1998 Beweise erhoben hat. Die Nichterhebung der vorgeschlagenen Beweise hätte daher erneut nach Abschluss der Beweiserhebung gerügt werden müssen (§ 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Im Übrigen lag der als Beweismittel angesprochene Zeitungsartikel dem FG bereits vor. Letztlich rügen die Kläger insoweit keinen Verfahrensfehler, sondern die Nichtberücksichtigung dieses Berichts.
Unter diesen Umständen genügt auch nicht der Hinweis der Kläger, ihr Prozessbevollmächtigter hätte in der mündlichen Verhandlung eine weitere Beweisaufnahme für notwendig gehalten. Insoweit fehlt es insbesondere an der Benennung der von ihnen angebotenen Beweismittel (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 40) und der Protokollierung ihrer Beweisanträge (vgl. z.B. Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 160 III Rdnr. 3). Eine Beweiserhebung hätte sich dem FG auch nicht allein deswegen aufdrängen müssen, weil es im Rahmen seiner Beweiswürdigung den Zeugen keinen Glauben zu schenken vermochte. Soweit die Kläger darauf hinweisen, ihr Klägervertreter habe die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, bleibt auch darauf hinzuweisen, dass das FG nach § 96 FGO i.V.m. § 162 AO 1977 eine originäre eigene Schätzbefugnis hat, die sich nicht auf eine reine Tatsachenfeststellung beschränkt (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 18. November 1998 X B 78/98, BFH/NV 1999, 651). Auch die Wahl der Schätzmethode obliegt dem FG.
c) Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Insbesondere hat es ―entgegen der Ausführungen der Kläger― seine Schätzung nicht überraschenderweise auf eine gänzlich neue Schätzmethode gestützt.
Ausweislich des Urteils ist das FG im Prinzip von der Nachkalkulation der Steuerfahndung, die den Klägern bekannt war, ausgegangen. Soweit es von der Nachkalkulation der Steuerfahndung abgewichen ist, hat dies, wie das Urteil zeigt, ohnehin der Klage in etwa zur Hälfte zum Erfolg verholfen. Auch soweit es ―in Abweichung des von den Klägern vorgelegten Gutachtens― der Nachkalkulation kein größeres Speisenangebot zugrunde gelegt hat, konnte dies unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Steuerfahndung nicht überraschen. Im Übrigen liegen die nach Angaben der Kläger "überraschenden" Ergebnisse der Nachkalkulation im Rahmen der für Schätzungen typischen Unschärfe.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung (vgl. seit 1. Januar 2001 auch § 116 Abs. 5 FGO n.F.).
Fundstellen
Haufe-Index 557732 |
BFH/NV 2001, 800 |