Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergehen eines Beweisantrags und Rügeverlust
Leitsatz (NV)
- Hat das FG in seinem Urteil begründet, weshalb es von einer Zeugenvernehmung abgesehen hat, genügt in der Beschwerdeschrift die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts zur Bezeichnung der den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen.
- Diese Begründungserleichterung (1.) hat nicht zur Folge, dass in der Beschwerdeschrift auch auf Ausführungen zum Nichteintritt des Rügeverlustes verzichtet werden könnte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Von einer Wiedergabe des Tatbestands wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Da die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) vor dem 1. Januar 2001 verkündet wurde, richtet sich die Zulässigkeit der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757).
2. Danach ist die Beschwerde unzulässig. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entsprechenden Weise weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt noch einen Verfahrensmangel bezeichnet, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung reicht nämlich nicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung; vielmehr muss der Beschwerdeführer konkret auf die maßgebliche Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen (s. nur Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 31 und 32). Die Klägerin hat insoweit lediglich ausgeführt, die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) benachteilige "den Empfänger des Verwaltungsaktes nach dem Geltungsbereich der AO grundsätzlich ggü. dem Empfänger anderer Verwaltungsakte und weiterer empfangsbedürftiger Erklärungen und Schriftstücke, sofern ihm die Beweislast für den späteren Zugang in einem Umfang aufgebürdet" werde, "der über die substantiierte Darlegung über die Umstände und die Benennung des Zeitpunkts des Zugangs weit" hinausgehe.
Diesem Vorbringen kann zwar entnommen werden, dass die Klägerin einen Gleichheitsverstoß bei Anwendung der Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 geltend macht, ohne allerdings konkret darzulegen, worin dieser Verstoß liegen soll. Die Klägerin geht weder auf die Anwendung der entsprechenden Regelung in § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes ein noch legt sie konkret dar, welche Entscheidungen oder Meinungen im Schrifttum die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nahe legten. Mit der Behauptung, dem Empfänger werde die Beweislast für den Zugang des Verwaltungsakts aufgebürdet, hat die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht dargetan, denn das FG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen habe.
b) Soweit die Klägerin vorträgt, das FG habe die Vernehmung der Büroangestellten sowie der damaligen Postzustellerin als Zeuginnen unterlassen, ist die Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise erhoben (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.). Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, so ist u.a. darzulegen, dass die Unterlassung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde, da es sich hierbei um einen verzichtbaren Mangel handelt (Senatsbeschluss vom 4. November 1999 IV B 152/98, BFH/NV 2000, 693, zu 3. der Entscheidungsgründe, m.w.N.). Das ist ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht geschehen, obwohl die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren selbst als Rechtsanwältin in eigener Sache und als Prozessbevollmächtigte ihres ebenfalls als Rechtsanwalt tätigen Ehemanns aufgetreten ist.
Da das FG selbst begründet hat, warum es die Büroangestellte nicht als Zeugin vernommen hat, ergeben sich insoweit die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen zwar aus dem Urteil selbst, so dass ihre Angabe in der Beschwerdebegründung nicht erforderlich ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70, m.w.N.). Diese Begründungserleichterung hat jedoch nicht zur Folge, dass in der Beschwerdeschrift auch auf die vorgenannten Ausführungen zum Nichteintritt des Rügeverlustes verzichtet werden könnte (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147).
Soweit die Klägerin mit ihren Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugleich eine fehlerhafte Beurteilung der Beweislastgrundsätze hätte rügen wollen, würde es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler handeln, der auch nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen könnte (s. nur Senatsbeschluss vom 28. Juli 1994 IV S 2/93, BFH/NV 1995, 118).
Fundstellen
Haufe-Index 870816 |
BFH/NV 2003, 191 |