Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehung ehrenamtlicher Richter
Leitsatz (NV)
Werden die ehrenamtlichen Richter in der Reihenfolge der Hauptliste nach der La dungsverfügung des Vorsitzenden des FG- Senats herangezogen, kann der Umstand, daß der Vorsitzende entscheidungsreife Sachen solange unterminiert lassen könnte, bis ihm genehme ehrenamtliche Richter an der Reihe sind, eine Besetzungsrüge nur dann rechtfertigen, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die eine bewußte Verzögerung der Terminierung durch den Vorsitzenden nahelegen.
Normenkette
FGO §§ 27, 116 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist vor dem Finanzgericht (FG) unterlegen. An dem Urteil des Senats wirkten die ehrenamtlichen Richter A und B mit. Der Geschäftsverteilungsplan des FG für 1993 bestimmte: "Die ehrenamtlichen Richter wirken in der sich aus der Senatsliste ergebenden Reihenfolge mit. Maßgebend für die Reihenfolge ist das Datum der Ladungsverfügung des Vorsitzenden." Demgemäß waren die ehrenamtlichen Richter A und B, die auf den Plätzen 14 und 15 der Hauptliste des Senats des FG stehen, zu der Sitzung geladen worden.
Der Kläger rügt mit der Revision: Das FG sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Bestimmung der ehrenamtlichen Richter nach ihrer Reihenfolge auf der Hauptliste verhindere nicht, daß der Vorsitzende des FG-Senats sich die ihm ge nehmen ehrenamtlichen Richter aussuchen könne. Der Vorsitzende habe es in der Hand, den Sitzungstag zu bestimmen und mit der Anberaumung einer Sache so lange -- ggf. Jahre -- zu warten, bis die ehrenamtlichen Richter zu laden seien, die er sich vorstelle.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zu rückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Die Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des FG wegen unrichtiger Heranziehung der ehrenamtlichen Richter bezeichnet nicht alle Tatsachen, die den Mangel ergeben könnten (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung bedarf des Vortrags konkreter Tatsachen, aus denen sich eine fehlerhafte Besetzung ergibt; bloße Vermutungen reichen nicht aus (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. November 1980 IV R 181/79, BFHE 132, 377, BStBl II 1981, 400; vom 17. Januar 1989 VII R 187/85, BFH/NV 1989, 532). Im Streitfall ist nicht vorgetragen worden und aus der vom FG vorgelegten Liste auch nicht ersichtlich, daß der Vorsitzende zu der Annahme Anlaß gegeben haben könnte, er werde durch verzögerte Ladung die Mitwirkung bestimmter ehrenamtlicher Richter an entscheidungsreifen Sachen herbeiführen.
Die ehrenamtlichen Richter werden nach einer für jeden Senat aufzustellenden Liste (Hauptliste), ggf. nach einer Hilfsliste zu den Sitzungen des Senats, dem das Präsi dium sie zugeteilt hat, herangezogen (§ 27 FGO). Die Reihenfolge der Heranziehung ist durch die Reihenfolge, die das Präsi dium in der Hauptliste bestimmt hat, vorgegeben (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Präsidium hat zusätzlich bestimmt, daß sich die Reihenfolge im einzelnen nach dem Datum der Ladungsverfügung des Vorsitzenden richtet. Ob der Vorsitzende angesichts dieser eingehenden Regelung überhaupt eine ergänzende Regelung nach § 21 g des Gerichtsverfassungsgesetzes treffen könnte, mag dahinstehen. Jedenfalls widersprächen dem § 27 Abs. 1 Satz 1 FGO ergänzende Regelungen derart, wie sie der Kläger vorschlägt, nämlich die Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter abhängig vom Eingang oder von dem beklagten FA. Dies würde zu der unmöglichen Situation führen, daß für einen jeweiligen Sitzungstag nicht nur zwei ehrenamtliche Richter hinzuzuziehen wären, sondern mehrere Gruppen ehrenamtlicher Richter; die vom Präsidium vorgegebene Reihenfolge könnte überhaupt nicht mehr eingehalten werden.
Unbeachtlich ist der Einwand des Klägers, der Vorsitzende könne die in der Hauptliste festgelegte Reihenfolge der hinzuzuziehenden ehrenamtlichen Richter nach Belieben umgehen, indem er die entscheidungsreifen Sachen nicht zugleich terminiere, sondern -- selbst jahrelang -- unterminiert lasse, bis die ihm genehmen ehrenamtlichen Richter an der Reihe seien. Eine solche Vorstellung entspricht nicht der Gerichtswirklichkeit. Mag auch nicht überall wie bei dem II. Senat des BFH die Regelung bestehen, alle bis zu einem bestimmten Wochentag eingehenden Entscheidungsvorschläge auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen, bei der Berichterstatter und Mitberichterstatter nicht termingemäß ausscheiden (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1991 II R 49/89, BFHE 165, 492, 495, BStBl II 1992, 260), so kann doch von einer allgemeinen Gerichtspraxis ausgegangen werden, entscheidungsreife Sachen in der nächsten Sitzung zu beraten, sofern nicht der Berichterstatter (Mitberichterstatter) verhindert sein sollte. Ein Vorsitzender, der die Ansetzung einer entscheidungsreifen Sache bewußt -- ggf. um Jahre -- verzögert, entspricht nicht dem Bild des deutschen Finanzrichters. Sollte derartiges dennoch vorkommen, könnte allerdings eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung der Laienrichterbank des FG eintreten. Die Umstände, die in einem solchen Fall die Besetzungsrüge begründen, müßten wiederum einzeln dargelegt werden. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 420408 |
BFH/NV 1995, 626 |