Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorschriftsmäßige Besetzung des FG; ehrenamtliche Richter
Leitsatz (NV)
Der Geschäftsverteilungsplan eines FG ist unter Heranziehung der dort "gewachsenen Übung" auszulegen, wenn er keine ausdrückliche Regelung zu der Frage enthält, ob die ehrenamtlichen Richter über die vierjährige Dauer ihrer Bestellung fortlaufend durchzuzählen sind, oder ob nach jedem Jahreswechsel wieder mit dem ersten in der Liste zu beginnen ist.
Normenkette
FGO §§ 27, 116 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 mit Urteil vom 19. November 1996 als unzulässig abgewiesen; es hat die Revision nicht zugelassen. An dem Urteil wirkten die ehrenamtlichen Richter A und B mit. Der Geschäftsverteilungsplan des FG für 1996 bestimmte: "Die ehrenamtlichen Richter wirken in der sich aus der Senatsliste ergebenden Reihenfolge mit. Maßgebend für die Reihenfolge ist das Datum der Ladungsverfügung des Vorsitzenden." Dementsprechend waren die ehrenamtlichen Richter A und B, die auf den Plätzen 6 und 7 der Hauptliste des Senats des FG stehen, zu der Sitzung geladen worden. In den Gründen seiner Entscheidung wies das FG eine Besetzungsrüge hinsichtlich der ehrenamtlichen Richter zurück. A und B seien der Reihenfolge nach deshalb zu berücksichtigen gewesen, weil sich die Reihenfolge durch Durchzählen der einzusetzenden Richter seit Beginn der Wahlperiode (§§ 22, 25 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) ergebe. Dies entspreche der Übung des Gerichts.
Der Kläger rügt mit der Revision, daß das FG beim Erlaß seines Urteils nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Statt der ehrenamtlichen Richter A und B hätten die in der Liste an Nrn. 17 und 18 stehenden Richter zur mündlichen Verhandlung herangezogen werden müssen. Die Handhabung des 16. Senats des FG stehe nicht in Einklang mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes und § 27 Abs. 1 FGO. Die Reihenfolge der heranzuziehenden ehrenamtlichen Richter dürfe nicht durch Durchzählen der einzusetzenden Richter seit Beginn der Wahlperiode bestimmt werden; vielmehr sei nach dem Geschäftsverteilungsplan jedes Jahr neu mit der Heranziehung der Richter entsprechend der Liste zu beginnen. Sollte aus dem Geschäftsverteilungsplan die Handhabung des FG herauszulesen sein, fehle es an einer abstrakt generellen und hinreichend klaren Regelung. Darin liege ein Verfassungsverstoß.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist unzulässig und deshalb nach § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.
Eine Revision ist ohne besondere Zulassung nur statthaft, wenn mit ihr einer der in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgeführten Verfahrensmängel geltend gemacht und schlüssig i.S. von § 120 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz FGO gerügt wird. Der Kläger hat mit seinem Vorbringen den geltend gemachten Verfahrensmangel der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des FG in der Sitzung vom 19. November 1996 (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO) nicht schlüssig dargelegt.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmt das Präsidium des FG vor Beginn des Geschäftsjahres durch Aufstellung einer Liste die Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richter heranzuziehen sind. Dabei ist für jeden Senat eine Liste aufzustellen, die mindestens zwölf Namen enthalten muß (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des FG für das Jahr 1996 wirken die ehrenamtlichen Richter in der sich aus der Senatsliste ergebenden Reihenfolge mit, wobei maßgebend für die Reihenfolge das Datum der Ladungsverfügung des Vorsitzenden ist. Die Liste des 16. Senats des FG enthält zwanzig Namen und führt die ehrenamtlichen Richter A und B an sechster bzw. siebenter Stelle. A und B sind im Streitfall zu der Sitzung herangezogen worden, weil sich ihre Mitwirkung durch Durchzählen der einzusetzenden Richter seit Beginn der Wahlperiode ergab. Diese Handhabung entspricht der Regelung im Geschäftsverteilungsplan und ist nicht zu beanstanden.
Zwar enthält der Geschäftsverteilungsplan keine ausdrückliche Regelung zu der Frage, ob die ehrenamtlichen Richter über die vierjährige Dauer ihrer Bestellung fortlaufend durchzuzählen sind, oder ob nach jedem Jahreswechsel wieder mit dem ersten in der Liste aufgeführten Richter zu beginnen ist. Insoweit ist jedoch eine Auslegung des Geschäftsverteilungsplans möglich und zulässig, bei der der am FG "gewachsenen Übung" maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 14. März 1986 VI R 11/85, BFH/NV 1986, 548, m.w.N.). Im Streitfall entspricht es ―wie dem erkennenden Senat bekannt ist― der Übung des FG, die ehrenamtlichen Richter über die Wahlperiode hindurch durchzuzählen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch nicht geboten, bei der Heranziehung der Richter nach einem Jahreswechsel wieder mit dem ersten in der Liste aufgeführten Richter zu beginnen (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 1973 VI CB 93/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1974, 173). Denn auch die Übung, im neuen Geschäftsjahr in der Reihenfolge der Liste dort fortzufahren, wo im abgelaufenen Geschäftsjahr aufgehört wurde, schließt eine willkürliche Auswahl der heranzuziehenden ehrenamtlichen Richter aus. Zudem gewährleistet diese Handhabung am ehesten eine gleichmäßige Heranziehung aller auf der Liste stehender Richter.
Fundstellen
Haufe-Index 171007 |
BFH/NV 1999, 1243 |