Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Zusammenballung einer Entschädigungszahlung
Leitsatz (NV)
1. Entschädigungen i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG sind grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn sie zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum gezahlt werden. Bei einer Entschädigungszahlung, die sich auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, ist eine Zusammenballung nicht gegeben.
2. Von einer für die Steuerbegünstigung des § 34 EStG unschädlichen Entschädigungszusatzleistung im Sinne der neueren Rechtsprechung des BFH ist nur auszugehen, wenn diese die Entschädigungshauptleistung bei weitem nicht erreicht.
3. Mit der allgemeinen Preis- und Gehaltssteigerung hatte sich § 34 EStG in der bis 1999 geltenden Fassung zu einer Begünstigungsnorm insbesondere für solche Steuerpflichtige entwickelt, die bereits auf Grund hoher regelmäßiger Einkünfte dem Spitzensteuersatz unterlagen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 02.07.2003; Aktenzeichen 1 K 5111/02) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) trennte sich wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und den anderen Geschäftsführern Ende 1996 von seiner 40,2 %-Beteiligung an der X-GmbH und schied zum Jahresende als Geschäftsführer aus. Seine Beteiligung veräußerte er für 1 Mio. DM, zahlbar in zwei gleichen Raten in 1996 und 1997. Für die Auflösung seines Dienstverhältnisses wurde ihm eine Abfindung in Höhe von 2 Mio. DM zugesagt, die wie folgt fällig wurde: 500 000 DM am 23. Oktober 1996, 600 000 DM am 31. Januar 1997, 200 000 DM am 30. Juni 1997 und 700 000 DM am 30. Dezember 1997. Ferner erhielt er in 1996 seinen Dienst-PKW mit einem Zeitwert von 36 960 DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), lehnte es ab, die Abfindung für 1996 nach § 34 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt zu besteuern; die hiergegen gerichtete Klage wurde aus verfahrensrechtlichen Gründen (§ 68 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) abgewiesen. Den 1997 ausbezahlten Teil der Abfindung behandelte das FA entsprechend den Feststellungen der bei der GmbH durchgeführten Betriebsprüfung in Höhe von 1 Mio. DM als verdeckte Gewinnausschüttung und in Höhe von 494 509 DM als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Den Einspruch gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 1997 auf 897 262 DM wies das FA zurück.
Mit seiner Klage verfolgte der Kläger eine tarifbegünstigte Besteuerung der Abfindung gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG. Es sei zu der Ratenzahlung nur gekommen, weil ein Ausscheiden ohne Auszahlung wenigstens eines Teils der Abfindung für ihn angesichts der bekannten schwierigen Finanzlage der GmbH nicht in Betracht gekommen sei und die GmbH ihrerseits --auch unter Einbeziehung der verbliebenen Gesellschafter-- nicht habe den ganzen Betrag bereits in 1996 zahlen können. § 34 Abs. 1 EStG bezwecke die Minderung von Progressionsnachteilen, die sich bei einer Zusammenballung von Einkünften mehrerer Jahre oder bei Zahlung hoher Abfindungen ergäben. Dies sei vorliegend der Fall, da der Kläger in beiden Jahren mit dem Spitzensteuersatz veranlagt worden sei. Es könne auch keinen Unterschied machen, ob die Ratenzahlung wegen später auftretenden finanziellen Schwierigkeiten des Verpflichteten nachträglich vereinbart werde oder wegen der finanziellen Schwierigkeiten bereits von Anfang an. Hilfsweise sei § 34 Abs. 3 EStG anzuwenden. Das FG wies die Klage ab; ein Ausnahmefall liege nicht vor.
Der Kläger beantragt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage, ob die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG auch dann zu gewähren ist, wenn sich der Zufluss einer Zahlung auf Grund eines einheitlichen Rechtsgrundes --z.B. einer Entlassungsentschädigung i.S. des § 3 Nr. 9 EStG-- auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt und in beiden Veranlagungszeiträumen der Grenz- dem Spitzensteuersatz entspricht. Die grundsätzlich rigide Rechtsprechung lasse durchaus Ausnahmen zu. Eine solche sei auch im Streitfall zu machen, da der Kläger in beiden Jahren Progressionsnachteile erlitten habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Soll die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen werden, so ist u.a. darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. November 2003 XI B 110/03, BFH/NV 2004, 905; vom 25. März 2004 III B 105/03, BFH/NV 2004, 961). Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage erforderlich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rdnr. 33, m.w.N.). Im Allgemeinen besteht kein Klärungsbedarf mehr, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder bereits aufgrund der Rechtsprechung geklärt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. August 1999 V B 74/99, BFH/NV 2000, 243, und vom 25. November 2002 XI B 81/00, BFH/NV 2003, 467).
1. Danach ist die Revision nicht zuzulassen. Einer Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage bedarf es nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind dem Sinn und Zweck der Steuerbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG entsprechend (Ausgleich von Progressionsnachteilen) Entschädigungen i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn sie zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum gezahlt werden. Bei einer Entschädigungszahlung, die sich auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, ist eine Zusammenballung nicht gegeben; eine Anwendung des § 34 EStG kommt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2000 XI R 19/00, BFH/NV 2001, 431, m.w.N.).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Senat allerdings in solchen Fällen für geboten gehalten, in denen --neben der Hauptentschädigungsleistung-- in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Die Unbeachtlichkeit solcher ergänzenden Zusatzleistungen beruht auf einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Diesem Grundsatz widerspräche es, die anlässlich der Entlassung eines Arbeitnehmers aus Fürsorgegesichtspunkten für eine Übergangszeit erbrachten Zusatzleistungen als für die tarifbegünstigte Besteuerung der Hauptentschädigungsleistungen schädlich zu beurteilen. Die Unangemessenheit einer solchen Rechtsfolge verdeutlicht sich insbesondere in den Fällen, in denen die in späteren Veranlagungszeiträumen zugeflossenen Zusatzleistungen niedriger sind als die tarifliche Steuerbegünstigung für die Hauptleistung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. Januar 2004 XI R 33/02, BFHE 205, 125, BStBl II 2004, 715; vom 21. Januar 2004 XI R 22/03, BFH/NV 2004, 1226; vom 6. März 2002 XI R 16/01, BFHE 198, 484, BStBl II 2004, 446; vom 14. August 2001 XI R 22/00, BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180; vom 24. Januar 2002 XI R 43/99, BFHE 197, 522, BStBl II 2004, 442). Mit Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 2/01 (BFHE 197, 526, BStBl II 2004, 444) hat der erkennende Senat zudem entschieden, dass betragsmäßig von einem ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung nur auszugehen ist, wenn diese die Hauptleistung bei weitem nicht erreicht (vgl. auch BFH in BFHE 205, 125, BStBl II 2004, 715).
Im Streitfall handelt es sich bei keiner der beiden Teilzahlungen um Entschädigungszusatzleistungen, die aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit erbracht worden sind; die in den beiden Jahren gezahlten Beträge sind zudem nahezu gleich hoch.
2. Aus den Ausführungen des Klägers ergibt sich nicht, warum in Fallgestaltungen wie der des Streitfalles eine weitere Ausnahme von dem Gebot der Zusammenballung in einem Veranlagungszeitraum gemacht werden müsste bzw. worin die besondere Härte der Nichtanwendung des § 34 EStG liegen könnte. Das Einkommensteuerrecht sieht grundsätzlich eine einheitliche progressive Besteuerung auch sich zusammenballender Einkünfte vor.
Der Kläger vermag die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage auch nicht mit dem Hinweis auf die Aussage in dem BFH-Urteil vom 1. Februar 1957 VI 87/55 U (BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104) zu begründen, wonach der Grundsatz, § 34 EStG sei nicht anwendbar, wenn sich der Zufluss auf zwei oder mehrere Jahre verteile, nicht überspannt werden dürfe. Der BFH führt dort weiter aus, dass diese Regel, die bei den bescheidenen Tarifsätzen der Vorkriegszeit noch tragbar sein konnte, bei den hohen Steuersätzen der Nachkriegszeit zu schwerer Unbilligkeit führen würde. Diese Aussage bezieht sich auf die Steuersätze und den Einkommensteuertarifverlauf des damaligen Streitjahres 1952 und die Steuersätze der Nachkriegszeit. Der Spitzensteuersatz betrug seinerzeit zunächst 95 v.H. und später 80 v.H., die durchschnittliche Steuerbelastung wurde auf 80 v.H. und später auf 70 v.H. plafondiert (Schöberle in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Mai 2001, § 32a Rdnr. A 72 bis 81). Mit der allgemeinen Preis- und Gehaltssteigerung hat sich § 34 EStG zu einer Begünstigungsnorm insbesondere für solche Steuerpflichtige entwickelt, die bereits auf Grund hoher regelmäßiger Einkünfte dem Spitzensteuersatz unterlagen. Für diesen Personenkreis führt der zusätzliche Zufluss außerordentlicher Einkünfte zu keinem Progressionssprung mehr, der auszugleichen wäre. Diese Rechtsfolge entsprach nicht mehr dem von der Tarifbegünstigung verfolgten originären Zweck (BTDrucks 14/23; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 34 EStG Rz. 3).
Die vom Kläger weiter angeführten BFH-Urteile vom 17. Dezember 1959 IV 223/58 S (BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72), vom 21. November 1980 VI R 179/78 (BFHE 132, 60, BStBl II 1981, 214) und vom 20. Juli 1988 I R 250/83 (BFHE 154, 98, BStBl II 1988, 936) verweisen zwar auf das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 20. Februar 1941 IV 278/40 (RStBl 1941, 442) sowie das BFH-Urteil in BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104, in denen eine Ausnahme von dem Erfordernis eines in einem Veranlagungszeitraum zusammengeballten Zuflusses zugelassen wurde, ohne aber in dem jeweils entschiedenen Streitfall eine weitere solche Ausnahme anzuerkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 1374675 |
BFH/NV 2005, 1252 |