Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Verfahrensmängel
Leitsatz (NV)
- Einwendungen allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, wozu auch die Beweiswürdigung durch das FG gehört, sind grundsätzlich nicht geeignet, das für das Zulassungsverfahren erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren.
- Soweit unter den Zulassungsgrund der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung über die bisherige Divergenz hinaus auch Rechtsanwendungsfehler fallen, muss es sich um Fehler von erheblichem Gewicht handeln, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dazu genügt weder eine abweichende Tatsachenwürdigung noch eine behauptete fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des konkreten Falles oder schlichte Subsumtionsfehler.
- Wird beanstandet, eine Zeugenaussage sei nicht vollständig protokolliert worden, so ist zusätzlich darzutun, dass der Beschwerdeführer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine Protokollberichtigung beantragt hat.
- Eine verfahrensfehlerhafte Nichteinvernahme eines zunächst nur zur schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage aufgeforderten Zeugen gehört zu den sog. verzichtbaren Verfahrensmängeln. Ein solcher Verfahrensmangel kann nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte auf die Beachtung der verletzten Verfahrensvorschrift verzichtet hat. Dabei geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge, ohne dass insoweit ein Verzichtswille erforderlich ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 164 Abs. 1, 4, §§ 295, 377 Abs. 3; FGO §§ 82, 94, 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Von einer Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 2. Alternative und 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt den substantiierten Vortrag, dass eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage klärungsbedürftig und im konkreten Fall voraussichtlich auch klärbar ist. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen. Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits entschieden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. August 2002 III B 48/02, BFH/NV 2002, 1615, m.w.N.).
Einwände, die sich allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils wenden, wozu auch die Beweiswürdigung durch das Finanzgericht (FG) gehört, sind grundsätzlich nicht geeignet, das für das Zulassungsverfahren erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren (vgl. BFH-Beschluss vom 28. August 2001 X B 60/01, BFH/NV 2002, 347, m.w.N.).
b) Der Kläger hat weder eine bestimmte Rechtsfrage bezeichnet noch eine Klärungsbedürftigkeit erkennbar gemacht. Mit der Behauptung, im konkreten Streitfall habe das Gericht unrichtig entschieden, wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan, vielmehr wird damit allenfalls ein nur im Rahmen einer zugelassenen Revision geltend zu machender materieller Rechtsfehler angeführt (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741, 742).
2. Ebenso wenig hat der Kläger die Notwendigkeit einer revisionsgerichtlichen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dargetan (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO).
a) Die Darlegung einer Divergenz des angefochtenen Urteils des FG zu einer anderen Gerichtsentscheidung erfordert die Gegenüberstellung voneinander abweichenden abstrakten tragenden Rechtssätzen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, 1475).
Hierfür hat der Kläger nichts vorgetragen.
b) Soweit unter diesen Zulassungsgrund weiter gehend auch Rechtsanwendungsfehler fallen, muss es sich um Fehler von erheblichem Gewicht handeln, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dazu reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angebliche fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles aus noch bloße Subsumtionsfehler (vgl. BFH-Beschluss vom 25. September 2002 IX B 14/02, BFH/NV 2003, 191, 192).
Der Kläger hat nicht substantiiert erläutert, weshalb seiner Ansicht nach das angefochtene Urteil unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar sei (vgl. dazu grundlegend BFH-Beschluss vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, 799; ferner BFH-Beschluss vom 23. August 2002 IV B 89/01, BFH/NV 2003, 177, 178).
3. Der Kläger hat schließlich auch nicht die behaupteten Verfahrensmängel hinreichend bezeichnet.
a) Soweit der Kläger die Beweiswürdigung des FG in der angefochtenen Entscheidung angreift, macht er ―wie bereits ausgeführt― keinen Verfahrensmangel geltend, vielmehr wendet er sich insoweit gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung (BFH-Beschluss vom 19. Februar 2002 V B 52/01, BFH/NV 2002, 956, 957, m.w.N.).
b) Soweit der Kläger beanstandet, die Aussage des Zeugen X sei nicht vollständig protokolliert worden, hätte er sich nicht auf diese Behauptung beschränken dürfen, sondern zusätzlich dartun müssen, dass er von der Möglichkeit der Protokollberichtigung (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 164 Abs. 1 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) Gebrauch gemacht habe (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juli 1997 X B 212/96, BFH/NV 1998, 52, m.w.N.). Ein Antrag auf Ergänzung des Protokolls nach § 160 Abs. 4 ZPO hätte im Übrigen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. September 1986 VIII B 59/85, BFH/NV 1989, 24). Dies ist nicht geschehen. Ausweislich des Vernehmungsprotokolls ist die auf Tonträger aufgezeichnete Zeugenaussage vorgespielt und genehmigt worden. Die Sitzungsniederschrift ist dem Prozessvertreter des Klägers mit Schreiben vom 11. September 2002 zur Kenntnis übersandt worden.
c) Auch die Rüge, das FG habe seine Amtsermittlungspflichten dadurch verletzt, dass es den Zeugen Y nicht unmittelbar persönlich vernommen, sondern sich mit der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage nach § 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 3 ZPO begnügt habe, entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Zur Bezeichnung des Verfahrensmangels einer unzureichenden Sachaufklärung ist neben weiteren Punkten das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme darzulegen sowie darzutun, weshalb das angefochtene Urteil ausgehend von der sachlich-rechtlichen Auffassung des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung sowohl für die Rüge, das FG habe Beweisanträge übergangen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1996 X B 108/95, BFH/NV 1996, 835) als auch für die Rüge der Verletzung der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärung (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1995 V B 37/95, BFH/NV 1996, 55).
Die verfahrensfehlerhafte Nichteinvernahme eines zunächst nur zur schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage aufgeforderten Zeugen gehört zu den sog. verzichtbaren Verfahrensmängeln i.S. von § 295 ZPO. Ein solcher Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte auf die Beachtung der verletzten Verfahrensvorschriften verzichtet hat (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Das Rügerecht geht bei solchen Verfahrensmängeln nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge; ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 1996 X R 252-253/93, BFH/NV 1996, 906).
Der Prozessvertreter des Klägers hat die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage durch den Zeugen Y vom 22. August 2002 mit Schreiben der Geschäftsstelle des FG vom 22. August 2002 in Kopie zugesandt erhalten. Er hat in der mündlichen Verhandlung im Anschluss an die Beweisaufnahme ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 5. September 2002 weder die schriftliche Aussage als unzulänglich beanstandet noch eine persönliche Einvernahme dieses Zeugen beantragt.
Fundstellen