Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurücknahme und erneute Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
1. Gegen die Wirksamkeit der Erklärung der Rücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde bestehen keine Bedenken, wenn der Beschwerdeführer zwar mitteilt, er habe das Rechtsmittel aufgrund eines Irrtums zurückgenommen, er jedoch im selben Schriftsatz ohne (weitere) Ausführungen zur Wirksam- oder Unwirksamkeit seiner Rücknahmeerklärung erneut Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einlegt.
2. Die nunmehr eingelegte, zweite, Beschwerde ist nicht etwa bereits deshalb unzulässig, weil das zunächst eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen wurde. Doch wird sich die Unzulässigkeit regelmäßig daraus ergeben, daß (inzwischen) die Einlegungs- und Begründungsfrist des § 115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO abgelaufen ist.
Normenkette
FGO §§ 115, 125
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legte gegen das am 29. November 1994 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1994 Revision und gleichzeitig Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Er begründete beide Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 24. Januar 1995, der am selben Tage beim FG einging.
Auf den Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 21. Februar 1995, daß die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision verspätet begründet worden sei, nahm der Kläger die Revision zurück. Nach einem von der Geschäftsstelle des Senats im richterlichen Auftrag am 15. März 1995 mit dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers geführten Telefongespräch nahm der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom selben Tage auch die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zurück.
Mit Schreiben vom 20. März 1995 teilte der Prozeßbevollmächtigte mit, er sei anläßlich des Telefongesprächs am 15. März 1995 einem Irrtum erlegen. Anstatt die Beschwerde zurückzunehmen, habe er dem (früheren) Hinweis des Gerichts folgen und unter Bezugnahme auf seine Beschwerdeschrift vom 24. Januar 1995 Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen wollen. Er möchte daher sein Mißverständnis bzw. seinen Irrtum korrigieren und lege erneut Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein und beantrage gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Entscheidungsgründe
1. Der Senat geht davon aus, daß der Kläger die mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1994 eingelegte Beschwerde wirksam zurückgenommen hat und darüber auch kein Streit besteht.
Die Zulässigkeit der Rücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde als solche ist allgemein anerkannt (siehe z. B. Senatsbeschluß vom 5. Oktober 1987 III B 65/87, BFHE 151, 12, BStBl II 1988, 281). Im Streitfall sind auch keine Gründe ersichtlich, die (ausnahmsweise) gegen die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung sprechen könnten (vgl. hierzu etwa Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 72 Anm. 19 f., zur Klagerücknahme). Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat zwar mit Schriftsatz vom 20. März 1995 mitgeteilt, daß er die Nichtzulassungsbeschwerde aufgrund eines Irrtums zurückgenommen habe. Doch hat er im selben Schriftsatz, ohne (weitere) Ausführungen zur Wirksam- oder Unwirksamkeit seiner Rücknahmeerklärung zu machen, erneut Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Unter diesen Umständen bedarf es hinsichtlich der ersten Beschwerde auch keines (gesonderten) förmlichen Einstellungsbeschlusses (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 115 FGO Anm. 96).
2. Die mit Schriftsatz vom 20. März 1995 eingelegte Beschwerde ist unzulässig.
Dies folgt zwar nicht bereits daraus, daß der Kläger aufgrund der Rücknahme der anfänglich erhobenen Beschwerde diese Rechts mittelmöglichkeit generell verloren hätte. Anders als bei einer Klagerücknahme geht nämlich z. B. der Revisionskläger bei der Rücknahme einer Revision nur speziell dieses eingelegten Rechtsmittels verlustig (§ 125 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --; s. auch die dazu von Ruban in Gräber, a. a. O., § 125 Anm. 5, angeführte Rechtsprechung). Gleiches gilt für die Rücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde; § 125 Abs. 2 FGO ist insoweit entsprechend anzuwenden (siehe auch Ruban, a. a. O., § 125 Anm. 6 letzter Absatz m. w. H.).
Doch hat der Kläger die Beschwerde vom 20. März 1995 nicht innerhalb der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO eingelegt und begründet. Diese Frist ist bereits am 29. Dezember 1994 abgelaufen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil bei Stellung des betreffenden Antrags am 20. März 1995 die zweiwöchige Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO längst abgelaufen war. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers wußte um die Versäumung der Beschwerdeeinlegungs- und -begründungsfrist spätestens seit dem 22. Februar 1995. Denn an diesem Tag war ihm das Schreiben des Senatsvorsitzenden mit dem Hinweis auf die betreffende Fristversäumnis zugestellt worden. Anhaltspunkte für eine Wiedereinsetzung hinsichtlich der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO sind nicht ersichtlich.
Einer Vorlage dieser zweiten Beschwerde an das FG -- zum Zwecke einer möglichen Abhilfe -- bedurfte es nicht, da das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist (vgl. hierzu Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 66 letzter Absatz).
Im übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen