Leitsatz (amtlich)
1. Die Wiederholung eines bereits abgelehnten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung mit neuer Begründung ist auch bei gleichgebliebenem Sachverhalt zulässig.
2. Der im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung von einem Gesellschafter gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung seines Einkommensteuerbescheids ist insoweit als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids anzusehen, als auf ihm der Einkommensteuerbescheid beruht.
Normenkette
FGO § 69
Tatbestand
Im Hauptverfahren, das sich im zweiten Rechtszug befindet, ist streitig, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin durch die Aufgabe ihrer Beteiligung an einer KG und durch Auflösung der stillen Reserven eines betrieblichen Zwecken der KG dienenden, in ihrem Eigentum befindlichen Grundstücks einen Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 3 EStG) erzielte. Schon in einem früheren Verfahren hatte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung der restlichen Einkommensteuerschuld mit der Begründung beantragt, die zugrunde liegende Vorschrift des § 15 Nr. 2 EStG sei verfassungswidrig und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mehrere Verfassungsbeschwerden angenommen, in denen die bisherige steuerliche Behandlung eines dem Betrieb einer Personengesellschaft dienenden, aber nur einem Gesellschafter gehörenden Grundstücks als unvereinbar mit dem Grundgesetz angesehen werden. Das FG hatte diesen Antrag unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH als unbegründet abgewiesen.
Nach Rechtskraft dieses Beschlusses stellte die Antragstellerin den gleichen Antrag mit einer anderen Begründung. Die Aussetzung der Vollziehung sei auch deshalb geboten, weil das FA den Entnahmewert des Grundstücks zu hoch angesetzt habe.
Das FG lehnte auch den erneuten Antrag ab und begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Es könne dahingestellt bleiben, ob dem jetzigen Antrag die Rechtskraft des ersten Beschlusses des FG entgegenstehe, da auch der erneute Antrag nicht begründet sei. Der Auffassung der Antragstellerin, daß der Entnahmewert des Fabrikgrundstücks nach einem Architektengutachten nur 140 000 DM betrage, könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser Wert auf Grund einer Ertragswertberechnung ermittelt worden sei. Hierbei habe der Gutachter einen Mietertrag von 12 000 DM jährlich zugrunde gelegt, der der Antragstellerin bis zu ihrem Ausscheiden aus der KG zugeflossen sei. Diese Bewertung berücksichtige aber nicht, daß das auf einen bestimmten Betrieb baulich und technisch zugeschnittene Fabrikgebäude keine Nutzung in Gestalt von Erträgen aus Fremdvermietungen abwerfe. Seine Nutzung bestehe vielmehr darin, daß der Unternehmer in ihnen seine fabrikatorischen Ziele und sein Gewinnstreben verwirkliche. Als Teilwert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG könne bei einem Fabrikgebäude nicht der unter Zugrundelegung einer nachhaltig erzielbaren Fremdmiete errechnete Verkehrswert angesetzt werden. Das FA sei im übrigen bei der Teilwertermittlung vorsichtig vorgegangen und habe nicht überhöhte Werte zugrunde gelegt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde der Antragstellerin (Beschwerdeführerin) ist teilweise begründet.
1. Der erneute Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO ist zulässig. Zwar ist der erste Beschluß des FG über die Aussetzung der Vollziehung unanfechtbar geworden (§§ 128, 129 FGO). Das steht aber einer Wiederholung des abgelehnten Antrags mit neuer Begründung nicht entgegen. Nach § 69 Abs. 3 letzter Satz FGO können Beschlüsse über derartige Anträge jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Das bedeutet nicht nur, daß die Gerichte von Amts wegen erneut tätig werden dürfen, sondern auch, daß die am Steuerprozeß Beteiligten bereits gestellte und abgelehnte Anträge wiederholen können. Die Wiederholung findet ihre Grenze im Rechtsmißbrauch, so z. B., wenn ein bereits abgelehnter Antrag bei gleichem Sachverhalt und mit gleicher Begründung wiederholt wird. Das ist auch die herrschende Auffassung für den ähnlich gelagerten Fall der Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 707, 719 ZPO, Reichsgericht, Juristische Wochenschrift 1900 S. 736; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., § 707, 4 B; Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 707, III).
Im Streitfall hat die Beschwerdeführerin ihren zweiten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit einer neuen Begründung versehen. Es bestehen daher keine Bedenken, ihren erneuten Antrag für zulässig zu erachten.
2. Die Beschwerdeführerin hat "die Aussetzung der Vollziehung der restlichen Einkommensteuerschuld bis zur Entscheidung über den Rechtsstreit" beantragt. Dieser Rechtsstreit betrifft die einheitliche Gewinnfeststellung der KG. Es stellt sich damit die Frage, ob im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer-"Schuld", d. h. also des Einkommensteuerbescheids, beantragt werden kann, wenn dieser selbst nicht angefochten ist. Die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Feststellungsbescheids, also auch eines solchen betreffend die Feststellung des einheitlichen Gewinns, ergibt sich aus § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO. Aus dieser Vorschrift folgt weiter, daß bei Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Feststellungsbescheids die Vollziehung eines auf Grund dieses Bescheids ergangenen Bescheids gleichfalls auszusetzen ist. Wird also die Aussetzung der Vollziehung eines einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids angeordnet, so folgt zwangsläufig auch die Aussetzung der Vollziehung des auf diesem beruhenden Einkommensteuerbescheids. Die Vorinstanz hat deshalb zutreffend den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer in den sachdienlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids umgedeutet (vgl. auch § 76 Abs. 2 FGO). Die Antragsbefugnis der Beschwerdeführerin ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO, einer Vorschrift, die für das Verfahren nach § 69 FGO entsprechend anwendbar ist. Bei dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung handelt es sich um die Höhe des Veräußerungsgewinns, die die Beschwerdeführerin als Kommanditistin persönlich und allein angeht.
3. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß bei Aufgabe einer Beteiligung an einer Personengesellschaft der ausscheidende Gesellschafter die in einem in seinem Eigentum stehenden bisherigen Betriebsgrundstücke stekkenden stillen Reserven zu versteuern hat. Insoweit hat der BFH auch in der Hauptsache durch sein an das FG zurückverweisendes Urteil bereits für das FG und den BFH selbst bindend entschieden. Es ist jedoch ernstlich zweifelhaft und höchstrichterlich noch nicht entschieden, mit welchem Wert das Grundstück bei der Ermittlung des Aufgabegewinns anzusetzen ist. Das FG ist bei seiner Entscheidung vom Teilwert ausgegangen, während die Beschwerdeführerin und das FA die Auffassung vertreten, daß der gemeine Wert des Grundstücks maßgebend sei. Daß sich beide Werte nicht zwangsläufig decken, ergibt sich aus den BFH-Urteilen IV 231/53 U vom 24. November 1955 (BFH 62, 97, BStBl III 1956, 38) und I 207/53 U vom 19. Juni 1956 (BFH 63, 70, BStBl III 1956, 224). Danach kann jedenfalls der gemeine Wert unter dem Teilwert liegen. Beide Ansichten können gewichtige Argumente ins Feld führen, so daß der Senat ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der einheitlichen Gewinnfeststellung hat, die zu klären nicht Sache des summarischen Aussetzungsverfahrens ist, die jedoch dazu führen, die Aussetzung zu gewähren, soweit die Zweifel reichen. Welcher Wert für das Grundstück anzusetzen ist und wie hoch er ist, kann im summarischen Verfahren nur grob geschätzt werden. Das FA geht von einem Wert von rund 300 000 DM, die Beschwerdeführerin von einem Wert von 140 000 DM aus, wobei sie neuerdings noch behauptet, das Grundstück habe nur teilweise zum Betriebsvermögen gehört. Der Senat nimmt einen mittleren Betrag von 220 000 DM an, so daß die Aussetzung der Vollziehung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids insoweit anzuordnen ist. Das FA wird nun gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids entsprechend auszusetzen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 68232 |
BStBl II 1969, 40 |
BFHE 1968, 543 |