Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz bei gleichem Rechtsbegriff und gleichen Rechtsgrundsätzen in verschiedenen Gesetzen; Kumulation von Erfindertätigkeit und Betriebsaufgabe
Leitsatz (NV)
1) Eine Divergenz kann auch vorliegen, wenn ein in verschiedenen Gesetzen verwandter Begriff unterschiedlich ausgelegt wird; das gilt auch, wenn der gleiche Rechtsgrundsatz in verschiedenen Gesetzen zum Ausdruck kommt.
2) Zur Kumulation der Vergünstigung für eine Erfindertätigkeit und für einen Veräußerungsgewinn.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; ArbnErfV § 2 Abs. 1 S. 1; EStG 1987 § 39b Abs. 3 Sätze 9-10; EStG § 34 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
Von einer Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Allerdings liegt eine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) auch dann vor, wenn ein in verschiedenen Gesetzen verwendeter gleicher Rechtsbegriff unterschiedlich ausgelegt wird (Beschluß des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 25. Januar 1971 GrS 6/70, BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274). Das gilt auch, wenn der gleiche Rechtsgrundsatz in verschiedenen Gesetzen zum Ausdruck kommt (BFH in BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274). Zu prüfen sind dann der jeweilige Normzweck und der Bedeutungszusammenhang, in dem die Vorschriften stehen (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 20; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 58; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 43).
Danach weicht das angefochtene Urteil nicht von dem BFH-Urteil vom 12. November 1982 VI R 125/78 (BFHE 137, 423, BStBl II 1983, 300) ab. Freilich spricht § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen -ArbnErfV- (BStBl I 1951, 184) kein allgemeines Verbot der Kumulierung der Vergünstigungen nach § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. und nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbnErfV aus; es folgt auch nicht aus § 1 ArbnErfV. Das Urteil des BFH enthält ferner den Rechtsgrundsatz, daß die ArbnErfV und die Tarifvorschrift des § 34 Abs. 3 EStG sich nicht ausschließen. Die steuersystematische Funktion des § 34 Abs. 3 EStG besteht darin, die durch die Zusammenballung von Einnahmen eintretende Steuerprogression auszugleichen, während durch die ArbnErfV die erfinderische Tätigkeit durch die Halbierung des normalen Steuersatzes gefördert werden soll. Daher stellt sich die Gewährung beider Vergünstigungen nicht als eine unerwünschte Doppelbegünstigung ein und desselben Aspektes dar.
Um ein Zusammentreffen dieser Begünstigungstatbestände geht es im Streitfall jedoch nicht. Zwar handelt es sich einerseits wieder um eine Erfindertätigkeit, aber andererseits um die Tarifbegünstigung für einen bei der Veräußerung eines Betriebes erzielten Gewinn (§ 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG). Im Fall einer Arbeitnehmererfindung kann die hier strittige Frage nicht auftreten. Das Finanzgericht hatte also nicht über dieselben Vergünstigungen wie der BFH zu entscheiden. Zwar kann daran gedacht werden, daß die Vorentscheidung von dem BFH-Urteil vom 23. April 1971 IV 99/65 (BFHE 102, 473, BStBl II 1971, 710) abweicht. Eine entsprechende Divergenz haben die Kläger und Beschwerdeführer indes nicht gerügt. Der Senat konnte sie auch nicht von Amts wegen unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung berücksichtigen, weil die Rechtsfrage, über die möglicherweise divergierend entschieden wurde, ausgelaufenes Recht betrifft. Ihr kommt aus diesem Grunde keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu.
Fundstellen
Haufe-Index 171135 |
BFH/NV 1999, 1086 |
BFH/NV 1999, 1986 |