Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur ordnungsgemäßen Einlegung und Begründung der Revision
Leitsatz (NV)
1. Eine Revisionsbegründung ohne Unterschrift ist nicht schriftlich erhoben (Anschluß an BFH-Beschluß vom 8. 3. 1984 I R 50/81, BFHE 140, 424, BStBl II 1984, 445).
2. Wird die Revision damit begründet, daß auf das Einspruchs- und Klagevorbringen Bezug genommen werde, so ist sie nicht ordnungsgemäß (Anschluß an BFH-Beschluß vom 6. 10. 1982 I R 78/82, BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 40).
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versehentlich unterlassenen Unterschrift scheidet aus, weil von einem dem Revisionskläger zuzurechnenden Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten auszugehen ist. Dies Verschulden wird keinesfalls dadurch ausgeräumt, daß der BFH auf die fehlende Unterschrift hätte hinweisen können, wenn beim BFH der Mangel nicht vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bemerkt werden konnte.
Normenkette
FGO §§ 56, 120
Verfahrensgang
Tatbestand
Das klageabweisende Urteil des FG wurde den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 28. November 1983 zugestellt. Die Revision ging am 20. Dezember 1983 beim FG ein. Die Revisionsbegründungsfrist wurde antragsgemäß bis 28. Februar 1984 verlängert. Am 27. Februar 1984 ging die Revisionsbegründung vom 25. Februar 1984 beim BFH ein. Dieser Schriftsatz war nicht unterschrieben. Auf den entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle des IX. Senats vom 5. März 1984 übersandten die Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 12. März 1984, der am 13. März 1984 beim BFH einging, zwei unterschriebene Ausfertigungen der Revisionsbegründung. Sie tragen vor, die nicht unterschriebene Revisionsbegründung sei infolge eines Büroversehens abgesandt worden. Die Frist dürfte jedoch gewahrt sein, denn bei unverzüglicher Benachrichtigung durch das Gericht hätte der Formfehler noch vor Ablauf der Begründungsfrist durch ein Telegramm richtiggestellt werden können (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 56 FGO Tz. 4 betreffend Verschuldensausgleich). Außerdem sei die Revision bereits in der Revisionsschrift vom 20. Dezember 1983 begründet worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, da sie nicht form- und fristgerecht begründet worden ist (§ 124 FGO).
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO verlängerte Revisionsbegründungsfrist endete am 28. Februar 1984. Die vor Ablauf der Frist am 27. Februar 1984 beim BFH eingegangene Revisionsbegründung entspricht nicht der gesetzlichen Form, da der Schriftsatz nicht unterzeichnet war. Aus dem Erfordernis der auch für die Revisionsbegründung geltenden Schriftform (Beschluß des BFH vom 5. November 1973 GrS 2/72, BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242) folgt, daß der betreffende Schriftsatz von demjenigen, der die Verantwortung für dessen Inhalt trägt, eigenhändig unterschrieben worden sein muß; denn nur so läßt sich erkennen, daß dieser Schriftsatz mit Wissen und Wollen des für ihn Verantwortlichen dem Gericht zugegangen ist (vgl. Beschluß des BFH vom 8. März 1984 I R 50/81, BFHE 140, 424, BStBl II 1984, 445).
Die Ausführungen in der Revisionsschrift enthalten - entgegen der Ansicht des Klägers - keine ordnungsgemäße Revisionsbegründung. Die für den Antrag auf Aufhebung der Vorentscheidung gegebene Begründung: ,,Zur Begründung der Klage nehmen wir Bezug auf unseren Vortrag im Vor- und Klageverfahren" entspricht nicht den Erfordernissen des § 120 Abs. 2 FGO. Eine Revisionsbegründung muß aus sich heraus erkennen lassen, daß sich der Revisionskläger zumindest kurz und unter Prüfung seines eigenen Standpunktes mit den Gründen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht, auseinandersetzt. Die Bezugnahme auf Vorbringen im Klage- und im Einspruchsverfahren reicht hierfür nicht aus (vgl. Beschluß des BFH vom 6. Oktober 1982 I R 71/82, BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 48). Im übrigen kann der Revisionsschrift auch nicht entnommen werden, welche Rechtsnorm der Kläger durch die Vorentscheidung als verletzt ansieht.
Die am 13. März 1984 beim BFH eingegangene, der gesetzlichen Form entsprechende Revisionsbegründung ist verspätet.
Es kann dahinstehen, ob ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden ist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden, da seine Prozeßbevollmächtigten nicht ohne Verschulden verhindert waren (§ 56 Abs. 1 FGO), innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eine formgerechte Revisionsbegründung einzureichen. Soweit überhaupt Tatsachen vorgetragen worden sind, die auf ein Büroversehen bei Fertigstellung und Absendung des Revisionsbegründungsschriftsatzes vom 25. Februar 1984 schließen lassen könnten, ist dies mit Schriftsatz vom 28. Juni 1985 nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist und damit verspätet geschehen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 und 2 FGO; vgl. Urteil des BFH vom 24. Juli 1973 IV R 204/69, BFHE 110, 232, BStBl II 1973, 823).
Das Verschulden der Prozeßbevollmächtigten ist dem Kläger zuzurechnen (§§ 155 FGO i.V.m. 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).
Der Auffassung der Prozeßbevollmächtigten des Klägers, ihnen könne die Fristversäumung nicht angelastet werden, weil der BFH sie noch vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf die fehlende Unterschrift hätte hinweisen können, kann nicht gefolgt werden. Der Senat läßt offen, ob und inwieweit bei schuldhafter Fristversäumnis die vom Gericht nicht wahrgenommene Möglichkeit, die Fristversäumnis zu verhindern, als Entschuldigungsgrund in Betracht kommt (vgl. hierzu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 5 C 12.77 vom 25. November 1977, BVerwGE 55, 61 - mit weiteren Hinweisen - zu dem § 56 FGO entsprechenden § 60 der Verwaltungsgerichtsordnung). Im Streitfall bestand diese Möglichkeit nicht, da die fehlende Unterschrift auf der am 27. Februar 1984 beim BFH eingegangenen Revisionsbegründung bei Weiterleitung und Bearbeitung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang des BFH nicht vor Ablauf der Begründungsfrist am 28. Februar 1984 bemerkt werden konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 414018 |
BFH/NV 1985, 93 |