Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Beweisführung nach Aktenlage im PKH-Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Im Regelfall kommt im summarischen PKH-Verfahren eine Beweiserhebung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht in Betracht. Das Gericht muß vielmehr nach Aktenlage darüber befinden, ob eine Wahrscheinlichkeit für eine Beweisführung im Sinne des Antragstellers besteht.
2. Es obliegt dem Antragsteller, die hinreichende Erfolgsaussicht seiner Klage anhand konkret zu bezeichnender und darzulegender Tatsachen schlüssig und substantiiert aufzuzeigen.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 117 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wird von dem beklagten Hauptzollamt (HZA) als weiterer Schuldner für auf insgesamt X Stangen zu je 200 Stück Zigaretten ruhenden Eingangsabgaben in Höhe von ... DM in Anspruch genommen.
Der Antragsteller hat gegen den Steuerbescheid i. d. F. der Einspruchsentscheidung Klage erhoben und die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) beantragt. Das FG lehnte den Antrag auf Bewilligung von PKH mit der Begründung ab, daß die Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand unbegründet sein werde. Nach Aktenlage sei -- wie es im einzelnen ausführte -- die Annahme gerechtfertigt, daß der Antragsteller von S im Zeitraum Juli 1991 bis Juni 1992 zumindest die in dem Steuerbescheid i. d. F. der Einspruchsentscheidung zugrunde gelegte Menge an unverzollten und unversteuerten Zigaretten erhalten habe. Das ergebe sich aus den sichergestellten Aufzeichnungen der S und deren Aussagen, an deren Richtigkeit keine Zweifel bestünden, den Aussagen der Zeugin Sch sowie aufgrund der bei der Durchsuchung des Kinderzimmers des Antragstellers in der Wohnung seines Vaters und des auf den Antragsteller zugelassenen PKW gefundenen unverzollten und unversteuerten Zigaretten. Gemäß Art. 3 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 des Rates vom 18. April 1988 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- Nr. L 102/5) i. V. m. § 57 Abs. 2 Satz 2 des Zollgesetzes sei der Antragsteller Zollschuldner für die nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 (ABlEG Nr. L 201/15) entstandene Zollschuld geworden. Entsprechendes gelte nach den maßgebenden Vorschriften des Umsatzsteuer- und des Tabaksteuergesetzes für die Entstehung der Einfuhrumsatz- und der Tabaksteuerschuld in der Person des Antragstellers. Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenberechnung durch das HZA bestünden nicht.
Zur Begründung seiner gegen diesen Beschluß gerichteten Beschwerde trägt der Antragsteller insbesondere vor, das FG habe der Entscheidung die Angaben der Hauptbeschuldigten S nicht zugrunde legen dürfen. Sie seien nicht objektivierbar, hätten mit der Wahrheit nichts zu tun und seien nur aus dem Interesse gemacht worden, daß auch der Antragsteller in Anspruch genommen werde, um so die bestehende Forderung im Rahmen der Gesamtschuld zu mindern. Mit den Grundlinien der Strafprozeßordnung (StPO) sei es nicht zu vereinbaren, einen Angeklagten (S) in dem gegen ihn gerichteten Verfahren als Zeugen zu vernehmen; insoweit hätte sich das HZA eines unzulässigen Beweismittels bedient. Frau Sch sei nie als Zeugin vernommen worden, ihre Aussagen seien nie protokolliert worden. Es werde bestritten, daß sie derartige Ausführungen gemacht habe. Im übrigen dürfe der spätere Prozeß nicht bereits im PKH-Verfahren abgewickelt werden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dem Antragsteller kann, wie von der Vor instanz zutreffend entschieden, PKH nicht gewährt werden, weil es an dem Bewilligungserfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht für das Klageverfahren fehlt (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, § 114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Rechtsverfolgung verspricht nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht. Sofern -- wie hier -- allein der Sachverhalt streitig ist, ist die Erfolgsaussicht zu bejahen, wenn das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung durch den Antragsteller im Klageverfahren überzeugt ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluß vom 26. April 1993 VI B 162/92, BFH/NV 1993, 682). Im Regelfall kommt im summarischen PKH-Verfahren eine Beweiserhebung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht in Betracht. Das Gericht muß vielmehr nach Aktenlage darüber befinden, ob eine Wahrscheinlichkeit für eine Beweisführung im Sinne des Antragstellers besteht. Eine unzulässige Beweisantizipation liegt darin nicht (vgl. Senatsbeschluß vom 30. August 1994 VII B 71/94, BFH/NV 1996, 375).
Die Würdigung der nach Aktenlage vorliegenden Beweise durch das FG ist nicht zu beanstanden. Im einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug darauf genommen (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO).
Im übrigen greifen die Bedenken des Antragstellers dagegen, daß das FG die Aussagen der S verwertet hat, nicht durch. Die vom Antragsteller genannten Vorschriften der StPO, insbesondere § 136 und § 136a StPO, schließen die Verwertung der Aussagen der S im finanzgerichtlichen PKH-Verfahren des Antragstellers nicht aus. Die S hat die Angaben aus Anlaß ihrer Vernehmung als Beschuldigte im Rahmen des gegen sie selbst gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gemacht. Ihr standen deshalb die besonderen Rechte, die die StPO dem Beschuldigten einräumt, zu Gebote. Es ist nicht ersichtlich, daß die Aus sagen unter Verletzung dieser Rechte zustande gekommen sind. Sie können daher jedenfalls im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers im PKH-Verfahren verwertet werden. Unbedenklich ist auch die Berücksichtigung der Aussagen, die die Zeugin Sch gegenüber dem Ermittlungsbeamten gemacht hat. Diese sind zwar nicht in einem Protokoll, das die Zeugin unterschrieben hat, sondern nur als Wiedergabe einer mündlichen Erklärung festgehalten, die sie dem Ermittlungsbeamten gegenüber gemacht hat. Gleichwohl besteht aber kein rechtlicher Hinderungsgrund, sie bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage im PKH-Verfahren heranzuziehen.
Soweit der Antragsteller bestreitet, daß die Zeugin Sch solche Aussagen überhaupt gemacht habe, ist das Bestreiten unsubstantiiert. Gleichfalls unsubstantiiert sind auch die Ausführungen des Antragstellers, mit denen er den Wahrheitsgehalt der Angaben der S in Zweifel zieht. Da es dem Antragsteller im PKH-Verfahren nach § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO obliegt, die hinreichende Erfolgsaussicht seiner Klage anhand konkret zu bezeichnender und darzulegender Tatsachen schlüssig und substantiiert aufzuzeigen (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Oktober 1995 VII B 118/95, BFH/NV 1996, 291), vermag sein unsubstantiiertes Vorbringen die Erfolgsaussicht seiner Klage nicht zu begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 422130 |
BFH/NV 1997, 610 |