Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision einer gelöschten GmbH
Leitsatz (NV)
1. Aus der Pflicht zur Bezeichnung des angefochtenen Urteils in der Revisionsschrift folgt, daß diese auch die Beteiligten angeben muß. In der Revisionsschrift muß hinreichend und richtig zum Ausdruck kommen, für wen und gegen wen die Revision eingelegt wird.
2. Wird eine GmbH im Handelsregister gelöscht, so führt dies nicht zum Wegfall der Fähigkeit, Beteiligter im finanzgerichtlichen Verfahren zu sein. Da die Löschung aber den Verlust der Geschäftsführerbefugnis des Geschäftsführers zur Folge hat, wird die GmbH mangels eines vertretungsberechtigten Organs prozeßunfähig.
3. Das Fehlen der Prozeßfähigkeit wird nicht dadurch geheilt, daß die GmbH im FG-Urteil als Klägerin bezeichnet worden ist.
4. Eine Richtigstellung der Verfahrensbeteiligten ist noch nach Einlegung der Revision möglich; doch muß die Richtigstellung innerhalb der Revisionsfrist erfolgen.
5. Die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO, die den zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft gestattet, in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, Klage zu erheben, ist mit der Vollbeendigung der Gesellschaft erloschen.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 58 Abs. 2, §§ 120, 155; ZPO §§ 86, 246 Abs. 1; BGB § 133
Tatbestand
In den Streitjahren 1982 und 1983 war die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) persönlich haftende Gesellschafterin der X-GmbH & Co. KG (im folgenden KG). Kommanditisten der KG waren Frau A. X. und ihr Ehemann B. X., der gleichzeitig alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war.
Im Dezember 1982 kaufte die KG einen PKW zu einem Preis von . . . DM (ohne Mehrwertsteuer). Sie buchte für Absetzung für Abnutzung (AfA) im Jahr 1982 . . . DM (halbe Jahres-AfA) und im Jahr 1983 . . . DM. Für die private Nutzung der betrieblichen Fahrzeuge buchte sie in beiden Jahren . . . DM.
Mit Schreiben vom 14. Mai 1984 wurde für die KG zum Handelsregister folgendes angemeldet:
,,Die Kommanditisten B. X. und A. X. sind mit ihren Kommanditeinlagen aus der Gesellschaft ausgeschieden. Die Gesellschaft ist aufgelöst. Eine Liquidation findet nicht statt. Die bisher persönlich haftende Gesellschafterin, die Firma X-Gesellschaft mit beschränkter Haftung führt den Geschäftsbetrieb fort.
Die Firma ist erloschen."
Nach einer Außenprüfung im Jahr 1985 erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Betrag für die private PKW-Nutzung für das Jahr 1982 auf . . . DM und erkannte für den PKW nur AfA in Höhe von . . . DM für das Jahr 1982 und in Höhe von . . . DM für das Jahr 1983 als Betriebsausgaben an. Das FA meinte, die Anschaffungskosten seien unangemessen, soweit sie 60 000 DM übersteigen. Der Einspruch der KG blieb erfolglos.
Das FG wies die Klage im wesentlichen ab.
Das Urteil des FG ist in dem Finanzrechtsstreit der ,,B. X.-GmbH, Y-Straße, Z als Rechtsnachfolgerin der Fa. X-GmbH & Co. KG, vertreten d. alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer B. X." ergangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Nach § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben. Die Revisionsbegründung oder die Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
Aus der Pflicht zur Bezeichnung des angefochtenen Urteils in der Revisionsschrift folgt nach allgemeiner Ansicht, daß diese auch die Beteiligten angeben muß. In der Revisionsschrift muß hinreichend und richtig zum Ausdruck kommen, für wen und gegen wen die Revision eingelegt wird (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1980 VII R 94/74, BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588; vom 30. August 1988 VII R 193/85, BFH/NV 1989, 212; Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 18. Dezember 1985 VIII ZR 278/85, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1987, 369; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Rz. 6; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 120 FGO Tz. 6).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
2. Die Revision ist im Namen der GmbH eingelegt worden. Die GmbH konnte im Zeitpunkt der Revisionseinlegung kein Rechtsmittel mehr einlegen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen war.
a) Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 FGO handeln rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen durch die nach dem bürgerlichen Recht dazu befugten Personen. Wird, wie im Streitfall, eine GmbH im Handelsregister gelöscht, so führt dies zwar nicht zum Wegfall der Fähigkeit, Beteiligter im finanzgerichtlichen Verfahren zu sein. Da die Löschung aber den Verlust der Geschäftsführerbefugnis des Geschäftsführers zur Folge hat, wird die GmbH mangels eines vertretungsberechtigten Organs prozeßunfähig (vgl. BFH-Urteile vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587; vom 5. Februar 1985 VIII R 223/79, BFH/NV 1985, 88; vom 18. März 1986 VII R 146/81, BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589; BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 1985 I B 36/83, BFH/NV 1986, 341; vom 16. Mai 1989 V B 5/89, BFH/NV 1990, 796, jeweils m. w. N.). Gleichwohl vorgenommene Prozeßhandlungen sind unzulässig.
Das trifft auch für die vorliegende Revision zu, denn diese ist im Namen einer prozeßunfähigen Person eingelegt worden. Infolge der Löschung der GmbH im Handelsregister hat der bis dahin bestellte Geschäftsführer seine Vertretungsbefugnis verloren (vgl. BGH-Beschluß vom 23. Februar 1970 II ZB 5/69, BGHZ 53, 264). Ein gesetzlicher Vertreter, insbesondere ein Nachlaßliquidator, ist auch später nicht bestellt worden.
b) Die Rechtsfolgen des Verlustes der Prozeßfähigkeit werden nicht dadurch ausgeschlossen, daß dem Prozeßbevollmächtigten eine Prozeßvollmacht erteilt worden war.
Durch die vorgelegte Vollmacht vom 16. Dezember 1987 ist weder der Mangel der Prozeßfähigkeit der GmbH geheilt worden noch liegt ein Fall des Fortbestandes der Prozeßvollmacht gemäß § 86 der Zivilprozeßordnung (ZPO) mit der Folge vor, daß trotz der Prozeßunfähigkeit der GmbH gemäß § 246 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 155 FGO das gerichtliche Verfahren nicht berührt wird. Die Sonderregelungen der §§ 86, 246 ZPO erfordern, daß eine wirksame Prozeßvollmacht für das in Betracht kommende Streitverfahren erteilt ist.
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der ehemalige Geschäftsführer der GmbH, B. X., war am 16. Dezember 1987 nicht mehr befugt, für die GmbH eine Prozeßvollmacht zu erteilen. Er hatte seine Organstellung zu diesem Zeitpunkt bereits verloren. Sowohl die formwechselnde Umwandlung als auch die übertragende Umwandlung einer Gesellschaft beenden automatisch die Organstellung des Geschäftsführers einer GmbH (Zöllner in Baumbach / Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 38 Rn. 38 e; Fischer / Lutter / Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 38 Rn. 36; Scholz / Schneider, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 38 Anm. 10).
Die dem FG eingereichte Vollmacht vom 17. März 1987 ist zwar noch vor der Umwandlung der GmbH erteilt worden. Sie kann aber ebenfalls nicht die Rechtsfolgen der §§ 86, 246 ZPO auslösen, denn sie war nicht für die GmbH, sondern für die KG erteilt.
c) Das Fehlen der Prozeßfähigkeit wird nicht dadurch geheilt, daß die GmbH im FG-Urteil als Klägerin bezeichnet worden ist. Die fehlende Prozeßfähigkeit der GmbH kann durch diese Tatsache nicht ersetzt werden.
3. Die im Namen der GmbH eingelegte Revision kann nicht in eine Revision des Einzelkaufmanns B. X. umgedeutet werden.
a) Prozeßerklärungen sind auslegungsfähig. Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; BFH-Urteile vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532; vom 15. Dezember 1981 VIII R 116/79, BFHE 135, 267, BStBl II 1982, 385). Die Auslegung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen (BFH in BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532 m. w. N.).
Die Auslegung der Revisionsschrift vom 16. Dezember 1987 ergibt keinen Anhalt, daß die Revision für den Einzelkaufmann B. X. eingelegt werden sollte. Sie führt vielmehr zu dem Ergebnis, daß die Revision zweifelsfrei für die GmbH eingelegt wurde. Das folgt aus der Bezeichnung der Beteiligten, in der die GmbH als Revisionsklägerin aufgeführt ist, dem ausdrücklichen Hinweis, daß die Revision im Namen der Klägerin eingelegt wird, und der ergänzenden Erläuterung, daß die GmbH von dem Geschäftsführer B. X. vertreten wird.
b) Die Mitteilung im Schriftsatz vom 11. Januar 1988, Kläger sei nunmehr die Firma B. X., kann nicht bewirken, daß die Revision als vom Einzelkaufmann B. X. eingelegt gilt.
Eine Richtigstellung der Verfahrensbeteiligten ist zwar noch nach Einlegung der Revision möglich; doch muß die Richtigstellung innerhalb der Revisionsfrist erfolgen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. November 1976 I R 114/75, BFHE 120, 341, BStBl II 1977, 163; vom 15. Juli 1986 VIII R 163/85, nicht veröffentlicht - NV -; Urteile vom 12. Januar 1988 VII R 74/84, BFH/NV 1988, 692; in BFH/NV 1989, 212; Gräber / Ruban, a. a. O., § 120 Rz. 5).
Der Schriftsatz vom 11. Januar 1988 ist beim BFH am 12. Januar 1988 nach Ablauf der Revisionsfrist eingegangen.
Der Beschluß des FG über die Zulassung der Revision vom 7. Dezember 1987 ist der Klägerin nach § 5 Abs. 2 VwZG gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Nach dem Empfangsbekenntnis ihres Prozeßbevollmächtigten hat dieser den Beschluß am 11. Dezember 1987 erhalten. An diesem Tag begann die Rechtsmittelfrist zu laufen (vgl. BFH-Beschluß vom 9. April 1987 V B 111/86, BFHE 149, 146, BStBl II 1987, 441). Sie lief am 11. Januar 1988 ab, so daß die Richtigstellung des Verfahrensbeteiligten nicht innerhalb der Revisionsfrist erfolgt ist.
c) Nach der Rechtsprechung genügt es, wenn die für die Zulassung des Rechtsmittels erforderlichen Angaben - hier die Bezeichnung des richtigen Revisionsklägers - noch innerhalb der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels aus sonstigen Umständen, insbesondere aus den Akten der Vorinstanz, festgestellt werden können. Maßgebend hierfür sind die dem FG vorliegenden Akten, weil die Revision beim FG einzulegen ist (vgl. Urteile in BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588, 590; in BFH/NV 1989, 212 m. w. N.). Weder aus diesen Akten noch aus sonstigen Unterlagen war innerhalb der Revisionsfrist erkennbar, daß die Revision für die Einzelfirma B. X. eingelegt wird. Sowohl dem FG als auch dem BFH ist erstmals durch den Schriftsatz vom 11. Januar 1988 bekannt geworden, daß die GmbH in die Einzelfirma B. X. umgewandelt worden ist.
4. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann weder die GmbH noch die Einzelfirma B. X. in Prozeßstandschaft für die Gesellschafter der vollbeendeten GmbH & Co. KG handeln.
Die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO, die den zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft gestattet, in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, Klage zu erheben, ist mit der Vollbeendigung der Gesellschaft erloschen (vgl. BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520; vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359; vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401). Die Klagebefugnis ist nicht auf die GmbH als Rechtsnachfolgerin übergegangen. Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft nur noch von den früheren Gesellschaftern angegriffen werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die den anzugreifenden Gewinnfeststellungsbescheid betrifft (vgl. BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359; BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333). Erheben nur einzelne Gesellschafter Klage, so müssen grundsätzlich die nicht klagenden Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beigeladen werden (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1981 I R 93/77, BFHE 135, 271, BStBl II 1982, 474).
Mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Steuerschuldnerschaft ist eine gewillkürte Prozeßstandschaft grundsätzlich nicht vereinbar. Sie ist mindestens unter den Umständen des Streitfalls nicht zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1975 IV R 213/71, BFHE 116, 254, BStBl II 1975, 739; BFH-Beschluß vom 31. März 1981 VIII B 53/80, BFHE 133, 331, BStBl II 1981, 696, 699, m. w. N.; Gräber / von Groll, a. a. O., § 40 Rz. 57, § 57 Rz. 13 m. w. N.).
5. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO sind nicht geltend gemacht worden. Derartige Gründe sind auch nicht erkennbar.
Fundstellen