Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision - Begründungsmangel
Leitsatz (NV)
Geht das FG auf Einzelheiten des Sachverhalts und des klägerischen Vortrags nicht ein, liegt darin noch kein Mangel der Begründung i. S. d. § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) vermietete unter der Bezeichnung ,,Vermögensverwaltung P" an die P GmbH - deren alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer er und seine Frau waren - Sachanlagen und stellte ihr Patente zur Verfügung. Das zuständige Finanzamt ging von einer Betriebsaufspaltung zwischen der Vermögensverwaltung P und der P GmbH aus und behandelte die Erträge aus der Vermögensverwaltung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Mit Vertrag vom 5. Mai 1971 veräußerten der Kläger und seine Ehefrau 50 v. H. ihrer Anteile am Stammkapital der P GmbH an die Beigeladene. Außerdem gründeten der Kläger und die Beigeladene eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Nach der Präambel des Vertrages sollte die Vermögensverwaltung P unter Beibehaltung ihrer Buchwerte in die GbR eingebracht werden. Die Beigeladene sollte ihren Anteil in bar leisten und außerdem der GbR ein Darlehen in Höhe von 2 Mio DM gewähren.
Um Streitigkeiten über die von der Beigeladenen zu erbringende Einlage beizulegen, legten Vertreter des Klägers und der Beigeladenen in einer Besprechung am 17. April 1972 fest, daß der Veräußerungsgewinn (Einbringungsgewinn) des Klägers 893 505,26 DM betrage und daß die Beigeladene für die Beteiligung einen Kaufpreis von 1 617 500 DM zu zahlen habe. Außerdem stellten die Besprechungsteilnehmer für die GbR eine Eröffnungsbilanz auf den 1. Mai 1971 auf. Die Beigeladene stellte 893 505,26 DM als Kaufpreis für die stillen Reserven der Vermögensverwaltung P in einer Ergänzungsbilanz zur Bilanz der GbR ein und schrieb diesen Betrag in den Folgejahren zu Lasten ihres Gewinnanteils ab. Der Kläger beantragte erst in der Begründung seines Einspruchs gegen die Feststellungsbescheide 1971 bis 1973, für ihn eine entsprechende ,,negative" Ergänzungsbilanz aufzustellen.
Nach erneuten Streitigkeiten übernahm die Beigeladene in Abänderung des Gesellschaftsvertrages die alleinige Geschäftsführung der GbR. Die GbR veräußerte gleichzeitig ihr Anlagevermögen an die P GmbH. Die Beigeladene kaufte ebenfalls durch Vertrag vom 5. November 1973 die restlichen Anteile an der P GmbH.
Nach weiteren Streitigkeiten schloß die Beigeladene den Kläger mit Wirkung vom 9. Oktober 1974 aus der GbR aus. Die dagegen erhobene Klage wurde rechtskräftig, abgewiesen. Das Auseinandersetzungsguthaben des Klägers wurde durch Schiedsspruch auf 1 781 623,85 DM festgesetzt.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA -) Gewinnfeststellungsbescheide für die Zeit vom 1. Mai 1971 bis einschließlich 1973. Im Gewinnfeststellungsbescheid für das Jahr 1971 setzte das FA für den Kläger einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 893 505 DM fest.
Den Einspruch des Klägers gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1971 bis 1973 verwarf das FA als unzulässig, weil der Kläger einen höheren Gewinnanteil erstrebe.
Mit der Klage hat der Kläger vorgetragen, die GbR sei nicht existent geworden, weil die Beigeladene ihre Einlage nicht in voller Höhe erbracht habe. Gegründet worden sei lediglich eine BGB-Gesellschaft, deren Vermögen aus Bareinlageansprüchen gegen die Gesellschafter bestanden habe. Die Gesellschaft sei nicht tätig geworden. Der Kläger beantragte, den Gewinn der GbR für alle Streitjahre auf null DM festzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) setzte den Gewinn der GbR 1971 auf 150 778 DM fest, weil der Veräußerungsgewinn des Klägers im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu erfassen sei, und wies die Klage im übrigen ab.
Neben der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die der Senat durch Beschluß vom heutigen Tage zurückgewiesen hat, legte der Kläger Revision mit der Begründung ein, die Entscheidung des FG sei zum Teil nicht mit Gründen versehen:
1. Das FG führe nicht aus, welchen Inhalt der Gesellschaftsvertrag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen habe und unterscheide nicht zwischen den einzelnen Phasen des Gesellschaftsverhältnisses. Ferner gehe das FG davon aus, daß sich zwischen dem 5. November 1973 und dem 31. Dezember 1973 keine wesentlichen Betriebsvorgänge abgespielt hätten, ohne näher auf den Akteninhalt einzugehen.
2. Das FG habe festgestellt, die vom FA ermittelten Gewinne seien der Höhe nach zutreffend; auch die Gewinnverteilung sei nicht zu beanstanden. Es habe begründen müssen, welchen Inhalt der Gesellschaftsvertrag für den jeweiligen Zeitraum gehabt habe.
3. Ohne Begründung lasse das FG offen, ob die Beigeladene ihre Einlage gezahlt habe. Von der Zahlung sei aber der Gewinnanteil abhängig gewesen. Der Kläger habe ferner vorgetragen, die Beigeladene habe weitere 1 700 000 DM einzulegen.
4. Das Gericht habe die Nichtanwendung des § 730 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht begründet. Es habe berücksichtigen müssen, daß der Kläger die Jahresabschlüsse der GbR mitunterzeichnen mußte.
5. Ohne auf IV Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages der GmbH einzugehen, sei das FG davon ausgegangen, daß der Kläger seine restlichen Anteile an der P GmbH an die Beigeladene veräußert habe.
6. Das FG gehe ohne Begründung davon aus, daß die GbR ihr Anlagevermögen auf die P GmbH übertragen habe, während es tatsächlich nur verkauft worden sei.
7. Ohne Begründung gehe das FG davon aus, die Einwände des Klägers, die Bilanzen seien nicht von ihm aufgestellt und die Beigeladene habe eine höhere Einlage zu leisten gehabt, seien nicht erheblich.
8. Die Ausführungen des FG zur Beziehung zwischen den Feststellungen des FA und des Schiedsgerichts widersprächen den Denkgesetzen und enthielten damit einen Begründungsmangel.
9. Die Feststellungen des FG zur Gewinnverteilung stünden in Widerspruch zur Anlage 4 des Betriebsprüfungsberichts und entbehrten deshalb einer Begründung.
10. Das FG habe den Vortrag des Klägers nicht berücksichtigt, wonach er allein der Beigeladenen (wohl P GmbH) Anlagegüter zur Verfügung gestellt habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 1983 sowie Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1971 bis 1973 den Gewinn der GbR für die Streitjahre jeweils auf null DM festzustellen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA und die Beigeladene beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision grundsätzlich nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Im Streitfall ist die Revision weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden. Verfahrensmängel i. S. des § 116 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die die Revision auch ohne Zulassung eröffnen, sind nicht in zulässiger Weise gerügt. Insbesondere fehlt es an einer schlüssigen Darlegung (zu diesem Erfordernis vgl. BFH-Beschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568), daß das angegriffene Urteil nicht mit Gründen versehen ist.
Geht das Gericht auf ein rechtliches Argument oder Einzelheiten des Sachverhalts nicht ein, kann dies im Einzelfall ein Rechtsfehler sein; das ist aber nicht gleichbedeutend mit einem Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Eine Entscheidung ist im Sinne dieser Vorschrift nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn entweder jede Begründung fehlt, was hier zweifellos nicht der Fall ist, oder wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juni 1969 I R 27/68, BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 492). Im zitierten Streitfall hatte das FG einen Steueranspruch dem Grunde nach für gegeben erachtet, jedoch nicht darüber entschieden, ob ein ermäßigter Steuersatz zugrunde zu legen sei. Damit sind die vom Kläger gerügten Mängel des finanzgerichtlichen Urteils nicht vergleichbar. Der Kläger rügt lediglich Verfahrensmängel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sinngemäß vor allem Verstöße gegen den Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 FGO), indem er behauptet, das FG sei nicht hinreichend gründlich auf Einzelheiten des Sachverhalts eingegangen (zu 1., 6., 10.), es habe Verträge nicht differenziert genug ausgelegt oder Einzelheiten der Verträge unberücksichtigt gelassen (zu 2., 5.) und schließlich, das FG habe Teile des Betriebsprüfungsberichts übergangen. Diese Mängel - ihre zulässige Rüge unterstellt - eröffnen ebensowenig die zulassungsfreie Revision wie die möglichen Verstöße gegen materielles Recht, z. B. der Verstoß gegen Denkgesetze (zu 8.),die Verletzung des § 730 Abs. 2 BGB (zu 4.). Wenn das FG auf rechtliche Einwände des Klägers nicht eingangen sein (zu 7.) oder aufgrund fehlerhafter Rechtsansicht Einzelheiten des Sachverhalts unberücksichtigt gelassen (z. B. zu 3.) haben sollte, können das Mängel als Folge der Verletzung materiellen Rechts sein, keinesfalls jedoch ergibt sich daraus ein Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 415161 |
BFH/NV 1988, 503 |