Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Revision bei Bestandskraft des während des Revisionsverfahrens geänderten Bescheides; zur Wiederaufnahme eines befristet ausgesetzten Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

  1. Hat das FA während der Revision den angefochtenen Bescheid geändert und ist der Änderungsbescheid bestandskräftig geworden, ist das Rechtsschutzbedürfnis für ein den ursprünglichen Bescheid betreffendes Revisionsverfahren entfallen.
  2. Wird ein Revisionsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss eines anderen Verfahrens ausgesetzt, so endet die befristete Aussetzung des Revisionsverfahrens automatisch mit dem rechtskräftigen Abschluss des anderen Verfahrens; einer förmlichen Aufnahme des Revisionsverfahrens bedarf es nicht.
 

Normenkette

FGO §§ 68, 74

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhoben nach erfolglosem Vorverfahren Klage gegen den Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1986 vom 6. Mai 1987. Sie machten u.a. geltend, der Grundfreibetrag und die für ihre drei Kinder gewährten Kinderfreibeträge seien aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Während des nachfolgenden Revisionsverfahrens (III R 205/90 - jetzt VI R 175/90) änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) den angefochtenen Bescheid. Den Änderungsbescheid vom 8. April 1993 machten die Kläger nicht zum Gegenstand des Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― in der bis Ende 2000 geltenden Fassung), sondern erhoben hiergegen Einspruch und nach erfolglosem Vorverfahren beim FG nochmals Klage (Az.: 4 K 1498/93).

Mit Beschluss vom 10. Mai 1994 setzte der Bundesfinanzhof (BFH) daraufhin das Revisionsverfahren III R 205/90 bis zum bestandskräftigen Abschluss des Verfahrens betreffend den Änderungsbescheid vom 8. April 1993 aus.

Mit Schriftsatz vom 16. März 2001 hat das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO).

Mit Urteil vom 17. März 1997 hat das FG die Klage (4 K 1498/93) gegen den Änderungsbescheid vom 8. April 1993 abgewiesen. Die Kläger haben hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt, so dass die angeführte finanzgerichtliche Entscheidung rechtskräftig geworden ist.

Damit ist auch der Änderungsbescheid vom 8. April 1993 in Bestandskraft erwachsen. Er tritt endgültig an die Stelle des ―im vorliegenden Revisionsverfahren angefochtenen― vorherigen Bescheids vom 6. Mai 1987. Dieser Bescheid kann folglich keine Wirkung mehr entfalten. Für ein auf Änderung dieses Bescheids gerichtetes Begehren fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Beschluss vom 12. April 2002 XI R 20/99, BFH/NV 2002, 1045, m.w.N.).

2. Das vorliegende Revisionsverfahren war ausdrücklich bis zum bestandskräftigen Abschluss des von den Klägern gegen den Änderungsbescheid vom 8. April 1993 eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt. Nach dessen rechtskräftigem Abschluss endete die (befristete) Aussetzung des Revisionsverfahrens automatisch, ohne dass seine Fortsetzung einer förmlichen Aufnahme durch Beschluss bedurft hätte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. September 2000 VI B 163/00, BFH/NV 2001, 311; vom 10. März 1999 II B 70/98, BFH/NV 1999, 1225; Urteil vom 8. März 1996 VIII R 92/89, BFH/NV 1996, 776, m.w.N.).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI952759

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