Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung bei Hotel- und Restaurantbetrieben; Einspruch gegen Zusammenveranlagungsbescheid durch nur einen Ehegatten; Prozeßkostenhilfe und außerprozessuale Mitwirkungspflichten
Leitsatz (NV)
1. Zur Schätzung von Umsätzen und Gewinnen bei Hotel- und Restaurantbetrieben.
2. Legt von zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Ehegatten nur einer (für sich allein) Einspruch ein, wird der Einkommensteuerbescheid dem anderen Ehegatten gegenüber bestandskräftig. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß das Finanzamt die Einspruchsentscheidung später (wieder) gegenüber beiden Ehegatten erläßt.
3. Ein Prozeßbevollmächtigter ist - trotz Gewährung von Prozeßkostenhilfe im übrigen - nicht beizuordnen, wenn vom Kläger zur Rechtsverfolgung bei Gericht nichts anderes verlangt wird, als was zuvor schon Gegenstand der außerprozessualen Mitwirkungspflichten gewesen und ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen war.
Normenkette
AO 1977 § 162 Abs. 2, § 357 Abs. 1, § 359; FGO § 142; ZPO §§ 114, 121
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. In den Streitjahren 1984 bis 1986 betrieb die Antragstellerin ein Hotel mit Restaurant; der Antragsteller bezog Arbeitslosenhilfe.
Im Rahmen einer bei der Antragstellerin im Jahre 1987 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer u. a. fest, daß die Uraufzeichnungen der Bareinnahmen nur in ganz wenigen Einzelfällen noch vorhanden waren, daß der Eigenverbrauch an Getränken und Küchenwaren nicht aufgezeichnet war und daß die Meldezettel für den Hotelbetrieb nicht vollständig aufbewahrt worden waren. Durch die für das Streitjahr 1986 noch vorhandenen Meldezettel konnten nach den Feststellungen des Prüfers lediglich 35 v. H. der erklärten Hoteleinnahmen belegt werden. Bei einem Ansatz des Eigenverbrauchs mit den in der Richtsatzsammlung enthaltenen Pauschbeträgen lag dieser bereits erheblich über den (insgesamt) gebuchten Kücheneinkäufen.
Der Prüfer nahm daher insbesondere für alle drei Jahre Hinzuschätzungen zum Hotelumsatz vor. Er legte insoweit Kalkulationen zugrunde, die von einer durchschnittlichen Belegung von 40 v. H. ausgingen. Außerdem erhöhte er für das Jahr 1986 den Restaurantumsatz. Hier stützte er sich auf eine Kalkulation von Preisen für neun Einzelgerichte, die im Jahre 1986 von der Antragstellerin angeboten worden waren. Schließlich kürzte der Prüfer die Betriebsausgaben um nicht belegte Aushilfslöhne.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) folgte den Feststellungen und Berechnungen des Prüfers und erließ für die Jahre 1984 bis 1986 geänderte Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- sowie Gewerbesteuer-Meßbescheide.
Am 23. Dezember 1987 ging beim FA ein Schreiben des damaligen Steuerbevollmächtigten der Antragsteller ein, mit dem unter der Überschrift ,,Steuernummer . . ., Firma A. B. (= Name der Klägerin), Einkommensteuerbescheide für 1984 und 1986 vom 10. 12. 1987" namens und im Auftrag ,,unserer Mandantin" gegen den ,,oben genannten Bericht" Einspruch eingelegt wurde. Als ,,Begründung" war in dem Schreiben angegeben: ,,Da die Änderung der Umsatzsteuerbescheide auf Grundlage des Betriebsprüfungsberichtes vom 13. November 1987 erfolgt ist, wird auf deren ausführliche Einwendungen hingewiesen". Eine Anfrage des FA, welche Bescheide durch das Schreiben vom 22. Dezember 1987 angefochten werden sollten, blieb ohne Antwort. Das FA ging daher davon aus, daß (lediglich) gegen die Einkommensteuerbescheide für 1984 und 1986 Einspruch eingelegt worden sei; es sah allerdings beide Antragsteller als Einspruchsführer an und wies die Rechtsbehelfe als unbegründet zurück.
Dagegen erhoben die Antragsteller Klage, über die bisher noch nicht entschieden ist. Sie wenden sich mit diesem Rechtsbehelf auch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1985 sowie gegen die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbescheidde für sämtliche Streitjahre. Sie machen im wesentlichen geltend: Es lägen keine neuen Tatsachen vor, die den Erlaß von Änderungsbescheiden nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gerechtfertigt hätten. Weiter befänden sich Restaurant und Hotel in einer schlechten Gegend; auch sei unberücksichtigt geblieben, daß die Antragstellerin im Jahre 1986 wegen des ,,plötzlichen Abhandenkommens" einer Tochter und der dadurch bedingten Recherchen nach deren Verbleib dem Betrieb lange Zeit habe fernbleiben müssen. Schließlich gäben die Bescheide keinen Aufschluß darüber, ob das FA irgendwelche nachvollziehbaren Berechnungen angestellt habe.
Die Antragsteller haben im Verlauf des Klageverfahrens Kopien von Aushilfslohnquittungen sowie Kassenaufzeichnung für alle drei Streitjahre vorgelegt. Außerdem stellten sie einen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH).
Das Finanzgericht (FG) gab diesem - unter Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlichem Vordruck gestellten - Antrag teilweise statt. Es gewährte PKH, soweit die Antragstellerin nunmehr die vom FA nicht als Betriebsausgaben anerkannten Aushilfslöhne durch die Vorlage von Lohnquittungen nachgewiesen hat. Im übrigen lehnte es den Antrag ab.
Das FG stützte die Ablehnung darauf, daß die Klage insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Es führte dazu im wesentlichen aus:
Die Umsatzsteuer- und die Gewerbesteuer-Meßbescheide seien mangels rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsbehelfs bestandskräftig geworden. Hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide 1984 und 1986 sei das FA zur Erhöhung der Hoteleinnahmen in den Jahren 1984 und 1986 sowie der Restauranteinnahmen im Jahre 1986 im Wege der Schätzung berechtigt gewesen.
Die Befugnis zur Schätzung ergebe sich daraus, daß die Antragstellerin die Entgelte nur unvollständig und den Eigenverbrauch überhaupt nicht aufgezeichnet habe. Auch die dem FG vorgelegten Kassenaufzeichnungen seien nicht beweiskräftig, da in zahlreichen Fällen (sie werden vom FG im einzelnen dargestellt) die ursprünglichen Eintragungen mit Tippex unkenntlich gemacht und dann überschrieben oder unmittelbar verändert worden seien. Außerdem seien die Aufzeichnungen für die Monate Januar bis September 1984 nicht zeitnah erfolgt. Eine Einnahmenermittlung durch Kassensturz sei im Fall der Antragstellerin ebenfalls nicht möglich gewesen (wird näher ausgeführt). Für das Jahr 1986 sei außerdem zu beanstanden, daß die Meldezettel für den Hotelbetrieb nicht aufbewahrt worden seien. Diese seien aber auch für die Besteuerung von Bedeutung.
Das FG hat sodann auch ausführlich begründet, weshalb keine Bedenken gegen die Höhe der Hinzuschätzungen bestünden (innerer Betriebsvergleich hinsichtlich der Einnahmen aus dem Restaurant und äußerer Betriebsvergleich hinsichtlich der Hotelumsätze).
Die Befugnis zum Erlaß der angefochtenen Bescheide ergebe sich (schließlich) aus § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Die während der Außenprüfung festgestellten Aufzeichnungsmängel seien für das FA ,,neu" i. S. dieser Vorschrift. Eines besonderen Hinweises auf die zur Änderung berechtigenden Umstände in den Steuerbescheiden selbst habe es nicht bedurft, da die Antragsteller darüber bereits durch den Prüfungsbericht unterrichtet gewesen seien.
Den Antrag des Antragstellers lehnte das FG mit der Begründung ab, daß die angefochtenen Einkommensteuerbescheide (für 1984 und 1986) ihm gegenüber bestandskräftig geworden seien und in der auch ihm gegenüber ergangenen Einspruchsentscheidung keine zusätzliche Beschwer liege.
Soweit das FG der Antragstellerin PKH gewährte, lehnte es - allerdings - die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters ab. Es vertrat dazu die Auffassung, daß es sich bei der Vorlage der Aushilfslohnquittungen um die Erfüllung allgemeiner steuerlicher Mitwirkungspflichten gehandelt habe, denen ein Steuerpflichtiger auch persönlich, ohne Beiordnung eines Rechtskundigen nachkommen könne.
Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, machen die Antragsteller lediglich geltend, das FG habe zu Unrecht angenommen, der Antragsteller sei durch die auch gegen ihn gerichteten Einkommensteuerbescheide und die sie bestätigende Einspruchsentscheidung nicht beschwert.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß, den Beschluß des FG aufzuheben und ihnen beiden in vollem Umfang und unter Beiordnung ihres Prozeßbevollmächtigten PKH zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg; sie ist unbegründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Rechtsverfolgung der Antragsteller über den bereits berücksichtigten Umfang hinaus keine Aussicht auf Erfolg hat und insoweit, als die Erfolgsaussichten zu bejahen waren, die Beiordnung einer rechtskundigen Person nicht erforderlich ist (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. §§ 114 und 121 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
1. Die Rechtsverfolgung verspricht nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein vollständiges oder teilweises Obsiegen der Antragsteller spricht. Das ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Antragsteller aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 6. Februar 1987 III B 169, 170/86, BFH/NV 1987, 322, m. w. N.). Für das PKH-Verfahren kommt es somit, auch soweit im Besteuerungsverfahren Schätzungen vorzunehmen sind, deren Ergebnis von der Würdigung vieler Tatumstände abhängt, wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der von den Antragstellern begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (Beschluß des erkennenden Senats vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526, m. w. N.).
Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat PKH insoweit gewährt, als die Antragstellerin Kopien von Quittungen für bezahlte Aushilfslöhne vorgelegt hat. Für das weitere Klagebegehren kann mit dem FG angenommen werden, daß es nicht hinreichend erfolgversprechend ist.
a) Insbesondere ist nicht zweifelhaft, daß das FA die angefochtenen Änderungsbescheide auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 stützen konnte. Bei der Antragstellerin hatte eine Außenprüfung stattgefunden, bei der der Prüfer festgestellt hatte, daß den Aufzeichnungs- und Belegaufbewahrungspflichten nicht entsprochen worden war. Es ist nicht ersichtlich und von den Antragstellern auch nicht vorgetragen, daß dies dem FA bereits vor der Prüfung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.
b) Zutreffend hat das FG auch die Befugnis des FA zur Schätzung gemäß § 162 Abs. 2 AO 1977 bejaht. Das FG hat es insoweit auch zu Recht abgelehnt, die zu seinen Akten gereichten Kassenaufzeichnungen der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Antragsteller haben sich im Beschwerdeverfahren mit keinem Wort zu den vom FG insoweit festgestellten Manipulationen geäußert. Rechtsfehlerfrei sind auch die Ausführungen des FG zur Aufbewahrungspflicht hinsichtlich der Meldezettel für den Hotelbetrieb und zu den aus der Verletzung dieser Pflicht zu ziehenden Folgerungen.
c) Bei der im PKH-Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß das FG die Höhe der vom FA geschätzten Besteuerungsgrundlagen nicht beanstandet hat.
Bei der Kalkulation der Hotelumsätze sind die von den Antragstellern im FG-Verfahren vorgetragenen Besonderheiten (insbesondere schlechte Lage) bereits durch den Prüfer berücksichtigt worden; er ist u. a. deswegen nur von einer durchschnittlichen Belegung von 40 v. H. ausgegangen. Neue Gesichtspunkte haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen.
Das gilt auch für die für das Jahr 1986 vorgenommene Hinzuschätzung bei den Einnahmen aus dem Restaurationsbetrieb. Der Einwand der Antragstellerin im FG-Verfahren, daß die Lage des Restaurants schlecht sei und durch Behördenkantinen ein Preisdruck ausgeübt werde, reicht nicht aus, um die Rechtsverfolgung insoweit als hinreichend erfolgversprechend zu beurteilen. Dies muß schon deshalb gelten, weil die Hinzuschätzungen insoweit auf einem inneren Betriebsvergleich beruhen und es sich bei den betreffenden Einwendungen nur um pauschale Behauptungen handelt.
d) Soweit sich die Klage der Antragstellerin gegen den Einkommensteuerbescheid für 1985 sowie die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbescheide für sämtliche Streitjahre richtet, kommt hinzu, daß gegen diese Bescheide bei summarischer Prüfung schon kein Einspruch eingelegt wurde, sie mithin inzwischen auch bereits bestandskräftig sind. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwieweit die Annahme des FA, mit dem Schreiben vom 22. Dezember 1987 sei lediglich gegen die Einkommensteuerbescheide für 1984 und 1986 Einspruch eingelegt worden, rechtsfehlerhaft sein könnte. Insbesondere hat sich die Antragstellerin hierzu weder im FG- noch im Beschwerde-Verfahren geäußert.
e) Das FG hat es im Ergebnis auch zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller PKH zu gewähren.
Soweit sich dieser gegen die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbescheide wendet, fehlt es schon an einer Beschwer. Die betreffenden Bescheide waren nicht an ihn, sondern an die Antragstellerin - als Unternehmerin - gerichtet.
Die Einkommensteuerbescheide hat der Antragsteller bestandskräftig werden lassen. Einspruch wurde seinerzeit ausdrücklich nur im Namen der Antragstellerin eingelegt. Der Umstand, daß das FA den Antragsteller gleichwohl mit als Rechtsbehelfsführer ansah und die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide (für 1984 und 1986) auch ihm gegenüber als unbegründet zurückwies, ändert nichts an der Bestandskraft dieser Bescheide gegenüber dem Antragsteller (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1984 VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296).
Der Antragsteller erstrebt im Klageverfahren aber dennoch (ausschließlich) die Aufhebung dieser Bescheide. Das hat er im gegenwärtigen Beschwerdeverfahren nochmals nachdrücklich dadurch untermauert, daß er lediglich geltend macht, er sei von den Bescheiden allein schon deshalb betroffen, weil er als Gesamtschuldner auch für die gesamte Steuerschuld in Anspruch genommen werden könne. Mit diesem Begehren (auf Aufhebung der Bescheide) kann er - wie ausgeführt - jedoch keinen Erfolg haben.
Inwieweit ein geändertes Klagebegehren des Antragstellers - auf Aufhebung lediglich der (auch) gegen ihn gerichteten Einspruchsentscheidung (siehe hierzu das Urteil in BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296) - für diesen auch die Gewährung von PKH nach sich zöge, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Ein derart eingeschränkter Antrag war bisher nicht gestellt.
2. Zu Recht hat es das FG schließlich abgelehnt, der Antragstellerin - soweit ihr PKH gewährt wurde - auch ihren Prozeßbevollmächtigten beizuordnen. Mit der Vorlage der Aushilfslohnquittungen wurde ersichtlich nichts anderes erbracht, als was zuvor schon Gegenstand der außerprozessualen Mitwirkungspflichten gewesen und ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen war (siehe hierzu auch den bereits vom FG zitierten BFH-Beschluß vom 19. September 1986 V B 39/86, Betriebs-Berater 1986, 2402).
Fundstellen
Haufe-Index 416235 |
BFH/NV 1989, 767 |