Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage, Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (NV)
- Für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Veräußerungsmitteilungen und Unbedenklichkeitsbescheinigungen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil diese keine Ansprüche und Rechte steuerrechtlicher oder zivilrechtlicher Art begründen.
- Hat das Gericht ein Prozessurteil und kein Sachurteil erlassen, können Verfahrensverstöße, die das materielle Recht betreffen, nicht schlüssig gerügt werden.
- Die Rüge unrichtiger Darstellung des Sachvortrags im Tatbestand des angefochtenen Urteils begründet keinen Verfahrensverstoß i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern ist durch Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) geltend zu machen.
Normenkette
FGO §§ 108, 115 Abs. 2 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf Feststellung der Nichtigkeit einer Reihe von Veräußerungsmitteilungen und Unbedenklichkeitsbescheinigungen, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) im Zusammenhang mit Veräußerungsvorgängen betreffend die Grundstücke 1 und 2 in X in der Zeit von 1984 bis 1994 erteilt hat, als unzulässig abgewiesen, weil es sich bei den Veräußerungsmitteilungen nicht um Verwaltungsakte handele, und es für die Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen die Unbedenklichkeitsbescheinigungen an einem berechtigten Feststellungsinteresse der Kläger i.S. des § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fehle.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, mit der sie eine Reihe von Verfahrensfehlern rügen und eine Divergenz behaupten (§ 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Unbeschadet dessen, dass die Bezeichnung der gerügten Verfahrensmängel überwiegend den nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung dieser Mängel zu stellenden Anforderungen nicht genügt, beruht die angefochtene Entscheidung des FG auch nicht auf den von der Beschwerdeschrift hervorgehobenen Verfahrensfehlern.
1. Soweit die Beschwerde geltend macht, ein Verfahrensfehler liege darin, dass das FG zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen habe, fehlt es an der substantiierten Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich dieser Verfahrensmangel ergeben soll. Erforderlich wäre eine substantiierte Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des FG tragenden Gesichtspunkten, dass die Kläger weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch ein Feststellungsinteresse geltend machen können. Die allgemein gehaltene Behauptung, das FG hätte nicht durch Prozessurteil entscheiden dürfen und die überaus ausführliche Darstellung des zivilrechtlichen Sachverhalts sind nicht geeignet, den geltend gemachten Verfahrensfehler schlüssig zu begründen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Nachdem das FG die Klage (auch) wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgewiesen hat, hätte die Beschwerde, ausgehend von der Rechtsauffassung des FG, dass weder die Veräußerungsmitteilungen, noch die Unbedenklichkeitsbescheinigungen Ansprüche oder Rechte des Steuerpflichtigen in steuerrechtlicher oder zivilrechtlicher Art begründen und die Feststellung der Nichtigkeit der Unbedenklichkeitsbescheinigungen weder die aufgrund der Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigungen bereits erfolgten Eintragungen der Grundstückserwerber in das Grundbuch (vgl. § 22 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes), noch die Festsetzung der Grunderwerbsteuer beeinflussen könnte (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. Juli 1972 II R 168/70, BFHE 106, 277, unter II. 3. a, und BFH-Beschluss vom 12. Juni 1995 II S 9/95, BFHE 177, 347, BStBl II 1995, 605, 608, m.w.N.), zumindest dartun müssen, dass und aus welchen Gründen dennoch der Anspruch der Kläger auf effektiven Rechtsschutz verkürzt ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. Oktober 1970 VII R 42/68, BFHE 100, 288, BStBl II 1970, 873, 874 zu § 41 FGO).
2. Einen weiteren Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 FGO (Verletzung des rechtlichen Gehörs) sehen die Kläger darin, dass dem Gericht vom FA drei Bände Grunderwerbsteuerakten vorgelegt worden seien, die ihnen vor Ergehen der Entscheidung des FG zur Akteneinsicht nicht zugänglich gemacht worden seien. Erst aus dem Tatbestand des Urteils hätten sie von der Vorlage dieser Akten erfahren. Ungeachtet dessen, dass die Beschwerde keine Ausführungen dazu enthält, was die Kläger bei rechtzeitiger Gewährung der Akteneinsicht noch hätten vortragen wollen und dass bei Berücksichtigung ihres zusätzlichen Vorbringens eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 1999 VII B 182/98, BFH/NV 1999, 1229, 1230), liegt der gerügte Verfahrensmangel schon deshalb nicht vor, weil das Urteil auf ihm nicht beruhen kann. Das FG hat die Klage durch Prozessurteil abgewiesen und ist folgerichtig in eine materiell-rechtliche Prüfung der Streitsache, für die allein der Inhalt der Grunderwerbsteuerakten hätte von Bedeutung sein können, nicht eingetreten. Daher bedurfte es auch keines Hinweises des Gerichts an die Kläger auf das Vorliegen dieser Akten.
Da für die Beurteilung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, die Rechtsauffassung des FG zugrunde zu legen ist, kommt es nicht darauf an, ob diese Auffassung ―wie die Beschwerde meint― rechtsfehlerhaft ist. Im Falle eines Prozessurteils gilt dies jedenfalls dann, wenn dagegen eine schlüssige Verfahrensrüge nicht erhoben worden ist (s. zu II. 1.).
3. Gleiches gilt, wenn der Antrag auf Zulassung der Revision auf den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt und damit begründet wird, das Gericht habe bei seinem Urteil entscheidungserhebliches Vorbringen der Kläger nicht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen nicht einbezogen. Zur schlüssigen Bezeichnung dieser Rüge gehört die substantiierte Darlegung, dass bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags eine andere Entscheidung des Gerichts möglich gewesen wäre (BFH, ständige Rechtsprechung, Beschluss vom 26. April 1995 II B 111/94, BFH/NV 1995, 1074, 1075, m.w.N.). Diese Rüge setzt damit voraus, dass die nicht berücksichtigten Tatsachen nach dem Rechtsstandpunkt des FG entscheidungserheblich waren. Die auf die Nichtbeachtung der geschilderten zivilrechtlichen Vorgänge und die angebliche Auswirkung auf verschiedene Steuerarten gestützte Rüge geht damit schon deshalb fehl, weil das FG eine Sachentscheidung gar nicht getroffen hat.
4. Da die Klage nach Auffassung des FG offensichtlich unzulässig ist, kann die Rechtsposition evtl. beizuladender Mitgesellschafter durch den Ausgang des Verfahrens unter keinen Umständen berührt sein, so dass ein Verfahrensfehler durch Unterlassen einer notwendigen Beiladung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 60 Abs. 3 FGO nicht gegeben ist. Denn das angegriffene Prozessurteil des FG kann auf einem solchen Mangel nicht beruhen, weil die Entscheidung des FG auch nach Beiladung der übrigen Gesellschafter nicht anders hätte ausfallen können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Juni 1967 VI B 49/66, BFHE 89, 328, BStBl III 1967, 612, und vom 22. Mai 1995 VIII B 146/94, BFH/NV 1995, 1077, 1078; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 60 Rz. 32).
5. Zur angeblich unzureichenden Sachverhaltsaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 FGO) fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, welche weitergehenden materiell-rechtlichen Ermittlungen sich aus welchen Gründen dem FG hätten aufdrängen müssen und warum diese zu einer für die Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen sollen.
6. Die Rüge unrichtiger Darstellung des Sachvortrags der Kläger im Tatbestand des angefochtenen Urteils kann nicht mit der Verfahrensrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern durch Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) geltend gemacht werden (hierzu s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 23). Zudem genügt es, wenn das FG den Sachverhalt im Tatbestand seines Urteils nur insoweit erfasst, als er für seine Entscheidung ―hier Verwerfung der Klageanträge als unzulässig― notwendig gewesen ist. Soweit die Kläger mit dem Vortrag, das FG habe durch die Nichtberücksichtigung großer Teile ihrer Schriftsätze den Tatbestand unrichtig und unvollständig erfasst und deshalb das Vorbringen auch in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt, die Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (hier § 96 Abs. 1 FGO) erheben wollten, fehlt es an der Bezeichnung, welche entscheidungserheblichen Tatsachen aus welchen Schriftsätzen (genaue Bezeichnung notwendig) das FG nicht berücksichtigt haben soll.
Die umfangreiche Darstellung der zivilrechtlichen Vorgänge und Vertragsgestaltungen und der nach Auffassung der Kläger materiell-rechtlich zutreffenden Würdigung dieser Sachverhalte sind nicht geeignet, die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. November 1998 VII B 236/98, BFH/NV 1999, 591, 593).
7. Die behauptete Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) ist nicht bezeichnet. Hierfür fehlt es bereits an der notwendigen Darstellung voneinander abweichender Rechtssätze in einer genau bezeichneten Entscheidung des BFH und des angefochtenen FG-Urteils (zu den Darlegungserfordernissen einer Divergenz s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 63, 64).
8. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 425613 |
BFH/NV 2000, 1105 |