Leitsatz (amtlich)
Trifft ein gewöhnlicher Brief, mit dem eine am Montag ablaufende gesetzliche Frist gewahrt werden soll und der am vorhergehenden Samstag in den Postlauf gebracht wurde, verspätet ein, so kann der Absender die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mit der Begründung verlangen, daß sich die Postbeförderung erwartungswidrig verzögert habe.
Normenkette
FGO § 56
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) wurde von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) in den Veranlagungszeiträumen 1963 bis 1965 zur Umsatzsteuer veranlagt, weil sie Maschinen aus ihrem ausländischen Betrieb an inländische Abnehmer geliefert hatte. Im Gegensatz zur Auffassung der Steuerpflichtigen, die diese Lieferungen als Auslandslieferungen und deshalb als nicht steuerbar beurteilt, war und ist das FA der Ansicht, daß im Inland geliefert wurde.
Das FG hat die Anfechtungsklage nach mündlicher Verhandlung als unzulässig abgewiesen, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, der die Klage eingereicht hatte, trotz wiederholter Aufforderung und Fristsetzung dem Gericht keine Vollmachtsurkunde vorgelegt hat.
Dieses Urteil wurde der Steuerpflichtigen am 7. Januar 1971 zugestellt. Erst nach Ablauf der bis zum 8. Februar 1971 (Montag) andauernden Revisionsfrist, nämlich am 9. Februar 1971, ist die Revisionsschrift der Steuerpflichtigen beim FG eingegangen. Der Schriftsatz trägt das Datum vom 5. Februar 1971 und ist vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet; auf dem Briefumschlag befindet sich der Poststempel vom 6. Februar 1971 (Samstag). Nach einem schriftlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden auf den verspäteten Eingang der Revision, der dem Prozeßbevollmächtigten am 16. Februar 1971 zugegangen ist, hat dieser mit Schriftsatz vom 26. Februar 1971 - eingegangen am 1. März 1971 - um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht. Zugleich hat er nunmehr die Prozeßvollmacht vorgelegt. Am 7. Mai 1971 ist die Revisionsbegründung eingegangen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Steuerpflichtige hat die Revision verspätet eingelegt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann die Steuerpflichtige nicht erlangen, weil ihren Prozeßbevollmächtigten an der Säumnis ein Verschulden trifft (§ 56 FGO), das der Steuerpflichtigen gemäß § 155 FGO, § 233 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Denn der Prozeßbevollmächtigte hat nicht alles ihm Zumutbare getan, um den rechtzeitigen Eingang der Revision sicherzustellen. Entsprechend der eidesstattlichen Versicherung seiner Ehefrau, die als Sekretärin des Prozeßbevollmächtigten tätig ist, wurde zwar der die Revisionsschrift enthaltende Brief, am Tage seiner Niederschrift, dem 5. Februar 1971, noch abends eingeworfen. Der Poststempel beweist aber, daß es sich um einen Briefkasten handelte, der erst am nächsten Tag, einem Samstag, geleert wurde. Nach allgemeiner Erfahrung kann niemand, der an einem Samstag einen gewöhnlichen Brief zur Postbeförderung gibt, zuverlässig damit rechnen, daß die Sendung einen nicht am gleichen Ort wohnenden Empfänger bereits am Montag erreicht. Es ist bekannt, daß der Postbetrieb an den beiden Tagen des Wochenendes weitgehend eingeschränkt ist und deshalb Postsendungen, die an Samstagen aufgegeben werden, den Empfänger häufig nicht früher erreichen als solche, die erst am Montag in den Postlauf gebracht werden. Ein Anwalt darf sich daher nicht darauf verlassen, daß die am Montag ablaufende Frist durch eine erst am Samstag in den Postlauf gelangende Sendung noch gewahrt wird. Ihn trifft vielmehr, wenn er die Frist so weitgehend in Anspruch nehmen will, eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. Beschluß des BFH IV R 126/69 vom 12. März 1970 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung, BFH 98, 467 BStBl II 1970, 460). Im vorliegenden Falle wäre es deshalb geboten gewesen, den Brief mit der Revision durch Eilboten zu versenden oder die Revision telegrafisch einzulegen.
Die Revision ist deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 69238 |
BStBl II 1971, 633 |
BFHE 1971, 226 |