Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Amtsermittlungspflicht; Divergenz; grundsätzliche Bedeutung; Rechtsfortbildung; Gewinnerzielungsabsicht bei verlustbringender nebenberuflicher Tätigkeit als selbstständiger Architekt
Leitsatz (NV)
1. Eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht erfordert insbesondere den Vortrag, weshalb der fachkundig im finanzgerichtlichen Verfahren vertretene Kläger nicht von sich aus die von ihm als entscheidungserheblich angesehenen Tatsachen vorgetragen und entsprechende Beweise vorgelegt oder ordnungsgemäße Beweisanträge gestellt hat.
2. Eine Divergenz erfordert nicht stets, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein.
3. Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles, noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.
4. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt die Annahme einer steuerrechtlich unbeachtlichen Liebhaberei auch die Feststellung persönlicher Gründe und Motive durch das FG voraus. An die Feststellung sind indes keine hohen Anforderungen zu stellen; vielmehr müssen derartige Gründe lediglich möglich sein.
5. Die Rechtsfrage, unter welchen Umständen eine steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei anzunehmen ist, ist als grundsätzlich geklärt zu beurteilen. Außerdem liegt die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall auf tatsächlichem Gebiet.
6. Die Rechtsprechung differenziert hinsichtlich der Annahme der Gewinnerzielungsabsicht auch zwischen einer hauptberuflichen und einer lediglich nebenberuflichen selbstständigen Tätigkeit.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 295
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 02.07.2007; Aktenzeichen 11 K 1794/05) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen hinreichend substantiiert dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde auch gegen das Streitjahr 1997 richtet, sind die ausschließlich die Feststellung einer Gewinnerzielungsabsicht betreffenden Zulassungsgründe offensichtlich nicht geeignet, zu einer Änderung des angefochtenen Urteils zu führen; denn --wie bereits das Finanzgericht (FG) im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat-- beruht der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid für 1997 nicht auf der Annahme, die vom Kläger ausgeübte nebenberufliche selbständige Tätigkeit als Architekt sei als steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei zu beurteilen.
2. Soweit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend gemacht werden, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).
Der Kläger hat auch keinen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfordern kann, dargetan. Dafür kommen nur offensichtliche materielle oder formelle Fehler des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Indes reicht hierzu nicht eine allenfalls fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles aus (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).
3. Die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt, dass diejenigen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass ein behaupteter Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf ihm beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).
Soweit der Kläger meint, das FG hätte die maßgebenden Umstände für die angeblich vom Kläger durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmen ermitteln müssen, wird damit schon deshalb keine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO bezeichnet, weil der Kläger nicht dargetan hat, weshalb er, obwohl im finanzgerichtlichen Verfahren fachkundig vertreten, nicht von sich aus die von ihm als entscheidungserheblich angesehenen Tatsachen vorgetragen und entsprechende Beweise vorgelegt bzw. ordnungsgemäße Beweisanträge gestellt hat (vgl. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2006 VIII B 84/05, BFH/NV 2006, 803; vom 20. Februar 2008 VIII B 83/07, nicht veröffentlicht --n.v.--).
4. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt.
Allerdings ist es nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein. Eine Abweichung kann deshalb auch dann vorliegen, wenn das FG einen bestimmen Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beigemessen hat als sie der BFH zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat. Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles, noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.; vom 29. Januar 2008 VIII B 37/07, n.v.).
b) Abgesehen davon, dass es bereits an der erforderlichen Gegenüberstellung derartiger abweichender abstrakter und tragender Rechtssätze fehlt, hat das FG die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer steuerrechtlich unbeachtlichen Liebhaberei ausführlich und zutreffend dargestellt (vgl. S. 11 ff. des FG-Urteils).
Hätte das FG diese Rechtsprechungsgrundsätze im konkreten Fall unzutreffend angewandt, so läge --wie ausgeführt-- allenfalls ein schlichter Subsumtionsfehler vor, der indes keine Divergenzrüge zu begründen vermag.
c) Ein Abweichen vom BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03 (BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) hat der Kläger bereits deshalb nicht hinreichend dargetan, weil der BFH in dieser Entscheidung --wie der Kläger selber zutreffend ausgeführt hat-- die Frage gerade offengelassen hat, ob bei einem mangelnden marktgerechten Verhalten auch ohne Feststellung besonderer privater Motive auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden dürfe.
Überdies würde sich diese Frage im Streitfall ohne dies nicht stellen, weil das FG (S. 22 f. des FG-Urteils) seine Entscheidung auf mehrere --und keineswegs allein auf eine mögliche Steuerersparnis abhebende-- persönliche Gründe und Motive gestützt hat, welche auf eine Ausübung der durchweg verlustbringenden Tätigkeit nur aus persönlichen, die Lebensführung betreffenden Gründen hinwiesen (dazu auch BFH-Urteile vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23, betreffend familiäre Gründe; vom 12. September 2002 IV R 60/01, BFHE 200, 284, BStBl II 2003, 85, betreffend fortlaufende hohe Fixkosten und anderweitige, nicht unerhebliche positive Einkünfte; ferner BFH-Urteil vom 23. August 2000 X R 106/97, BFH/NV 2001, 160; vom 14. Dezember 2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392; in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063). Überdies sind nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 6/05, BFH/NV 2007, 1492) an die Feststellung persönlicher Gründe und Motive keine zu hohen Anforderungen zu stellen; sie müssen lediglich möglich sein.
5. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Notwendigkeit der Rechtsfortbildung
a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse.
Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (BFH-Beschluss vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).
b) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem "ob" und "wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen ebenfalls. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht deshalb weder --für sich allein-- aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist noch genügt die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden (BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 2007 VIII B 211/05, BFH/NV 2007, 912, m.w.N.; vom 20. Februar 2008 VIII B 53/07, n.v.).
c) Der BFH hat im Hinblick auf die reichhaltige höchstrichterliche Judikatur (insbesondere den grundlegenden Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) die Rechtsfrage, unter welchen Umständen eine steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei anzunehmen ist, als geklärt beurteilt und zudem ausgeführt, die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall liege auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BFH-Beschluss vom 19. August 2004 XI B 9/04, juris, die Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 26. Oktober 2005 2 BvR 2228/04, n.v., vom Bundesverfassungsgericht --BVerfG-- nicht zur Entscheidung angenommen; ferner BFH-Beschluss vom 15. Januar 2004 VIII B 300/02, n.v.).
d) Der Kläger setzt sich bereits nicht mit der ganz entscheidungserheblichen Unterscheidung zwischen der Beurteilung einer hauptberuflichen und einer nur nebenberuflichen selbständigen Tätigkeit auseinander (vgl. dazu z.B. den Hinweis im BFH-Beschluss vom 19. August 2004 XI B 9/04, n.v.; BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 160, zur Nebentätigkeit als Versicherungsagent; BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276; vom 22. April 1998 XI R 10/97, BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663, mit dem Hinweis auf die Bedeutung einer hauptberuflich betriebenen Kanzlei; Ferner Schmid/ Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 32, m.w.N.).
Insbesondere sind aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung jeweils alle Umstände einschließlich etwaiger Besonderheiten der Verhältnisse im Einzelfall zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392).
Das FG hat im Streitfall ganz entscheidend auf die in Folge der Vollzeittätigkeit als angestellter Architekt für eine zusätzliche nebenberufliche selbständige Tätigkeit des Klägers als Architekt fehlende Zeitreserve abgestellt, die im Ergebnis auch den Erfolg von Umstrukturierungsmaßnahmen, von intensiverer Werbung und Akquisitionen nicht als erfolgversprechend erscheinen ließen.
Der Kläger hat es insbesondere unterlassen, einen erneuten oder weiteren Klärungsbedarf hinsichtlich einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage unter der erforderlichen inhaltlichen Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Schrifttum hinreichend substantiiert darzutun.
Fundstellen