Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe bei Schätzung
Leitsatz (NV)
1. Sind im Besteuerungsverfahren Schätzungen, deren Ergebnis von der Würdigung vieler Tatumstände abhängt, vorzunehmen, ist für das Prozeßkostenhilfeverfahren nicht die im Urteil gefundene Entscheidung maßgebend. Es kommt vielmehr wesentlich darauf an, ob der vom Antragsteller begehrte Erfolg bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat.
2. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn gegen die Umsatzverprobung des Betriebsprüfers lediglich pauschale Behauptungen vorgebracht werden.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 117
Tatbestand
Das Finanzamt (FA) A führte im Juli 1978 bei der X-GmbH (GmbH) eine Außenprüfung durch. Es stellte dabei fest, daß der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) am Stammkapital der GmbH, das 20 200 DM betrug, im Jahr 1975 mit 3 400 DM (= 16,83 v. H.) und im Jahr 1976 mit 8 400 DM (= 41,6 v. H.) beteiligt war. Der Antragsteller war als einziger Geschäftsführer der GmbH im Handelsregister eingetragen.Der Betriebsprüfer ging davon aus, daß es sich bei der GmbH um eine ,,Gaststätte mit Hotelbetrieb" handelt. Die Buchführung wies erhebliche Mängel auf; wichtige Unterlagen fehlten ganz. Bei einer Verprobung ermittelte der Prüfer erhebliche Fehlbeträge. Er stellte zusätzliche - nicht erfaßte - Einnahmen für 1975 in Höhe von 198 764 DM und für 1976 in Höhe von 208 459 DM fest. Diese Beträge sah er als verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbH an den Antragsteller an. Im übrigen hatte der Antragsteller Zinszahlungen in Höhe von 1 706 DM (1975) und 2 187 DM (1976) sowie 26 000 DM nachgebuchtes Geschäftsführergehalt (1975) erhalten.
Das Wohnsitzfinanzamt (das FA) forderte den Antragsteller, nachdem er von dem Ergebnis der Außenprüfung Kenntnis erhalten hatte, zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für 1975 und 1976 auf. Der Antragsteller teilte daraufhin mit, er sei ab Mai 1976 Arbeitnehmer in Y gewesen. Davor habe er keine Beschäftigung gehabt oder sich im Ausland aufgehalten. Für 1975 gab er keine Steuererklärung ab. In seiner Erklärung für 1976 setzte er 2 187 DM Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie weitere 14 800 DM als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft an. Weitere Einkünfte erklärte der Antragsteller nicht.
Das FA schätzte die Besteuerungsgrundlagen des Antragstellers für 1975 und 1976 auf der Grundlage der von diesem angegebenen Zahlen sowie des Ergebnisses der Außenprüfung des FA. Es setzte das Geschäftsführergehalt, die Zinsen und die erklärten Einkünfte von 14 800 DM an. Die vom Prüfer als verdeckte Gewinnausschüttungen angesehenen Beträge rechnete es dem Antragsteller in voller Höhe zu. Da der Antragsteller keine Angaben zu seiner Ehefrau gemacht hatte, ging das FA davon aus, daß beide dauernd getrennt gelebt hatten, und wandte die Grundtabelle an.
Gegen diese Steuerbescheide erhob der Antragsteller Klage. Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA zwei Änderungsbescheide, in denen es dem Antragsteller nicht mehr die vollen Beträge von 198 764 DM und 208 459 DM als verdeckte Gewinnausschüttungen zurechnete, sondern - entsprechend seinem Anteil am Stammkapital der GmbH - für 1975 nur in Höhe von 33 451 DM (= 16,83 v. H.) und für 1976 in Höhe von 86 718 DM (= 41,6 v. H.).
Mit der Klage begehrte der Antragsteller die ersatzlose Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1975 und 1976. Er trug vor: Die Verprobung des Außenprüfers sei unrichtig. Dieser habe nicht beachtet, daß die Einnahmen der GmbH in Wirklichkeit zu einem erheblichen Teil Prostitutionsentgelte gewesen seien. Außerdem habe der Prüfer die verbilligte Abgabe großer Mengen von Getränken an Personal, Bekannte und Gäste sowie erhebliche Investitionen der GmbH nicht hinreichend berücksichtigt. Die Einkommensteuer 1975 sei verjährt. Für 1976 sei für den Antragsteller zudem bereits ein Lohnsteuer-Jahresausgleich hinsichtlich des bezogenen Arbeitslohns von 14 800 DM durchgeführt worden. Diese 14 800 DM habe er versehentlich als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt.
Zur Durchführung des Klageverfahrens hat der Antragsteller Prozeßkostenhilfe beantragt. Das Finanzgericht (FG) hat diesen Antrag abgelehnt. Diesem könne schon deshalb nicht entsprochen werden, weil die Klage, soweit ihr das FA durch die Änderungsbescheide nicht bereits entsprochen habe, keine ausreichende Aussicht auf Erfolg biete und, soweit der Antragsteller aufgrund dieser Bescheide obsiegt habe, ihn keine Kostenpflicht treffe, sondern die Kosten ohnehin dem FA aufzuerlegen seien.
Bei der im Prozeßkostenhilfeverfahren gebotenen Prüfung sei es nicht zu beanstanden, wenn das FA 16,83 v. H. bzw. 41,6 v. H. der bei der Betriebsprüfung als nichterfaßte Einnahmen der GmbH festgestellten Beträge dem Antragsteller als verdeckte Gewinnausschüttungen zugerechnet habe. Gegen die zugrunde liegende eingehende Umsatzverprobung des Prüfers seien keine ernsthaften Einwendungen zu erheben. Angesichts der für einen Barbetrieb auffällig niedrig eingesetzten Verkaufspreise der Getränke könne keine Rede davon sein, daß in den kalkulierten Umsätzen in erheblichem Umfang Prostitutionsentgelte enthalten sein müßten. Es könne dahingestellt bleiben, ob die vom Betriebsprüfer festgestellten nichterfaßten Einnahmen dem Antragsteller als verantwortlichem Gesellschafter-Geschäftsführer in voller Höhe als verdeckte Gewinnausschüttungen zugerechnet werden könnten. In Höhe von 16,83 v. H. bzw. 41,6 v. H. sei dies aber mindestens gerechtfertigt, da dies seiner GmbH-Beteiligung für die Streitjahre entspreche.
Mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Antragsteller geltend, die Rechtsverfolgung habe entgegen der Auffassung des FG Aussicht auf Erfolg gehabt. Die GmbH habe bereits im Jahre 1974 und auch im Jahr 1975 vor Eröffnung des Lokals Investitionen in Höhe von ca. 100 000 DM getätigt. Diese Investitionen seien den geschätzten Gewinnen entgegenzuhalten. Dies sei bei der Betriebsprüfung nicht geschehen. Auch unter Zugrundelegung der verdeckten Gewinnausschüttungen, ,,die bei der Betriebsprüfung behauptet worden sind", würde sich eine Einkommensteuerschuld des Antragstellers nicht mehr ergeben, da ein Gewinn nicht mehr vorhanden sei. Entgegen der Ansicht des FG sei der Antragsteller im Jahr 1976 als Arbeitnehmer tätig gewesen; dies ergebe sich aus der Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch das FA in Z.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und ihm Prozeßkostenhilfe zu gewähren.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist das Streitverhältnis darzustellen. Soweit Vordrucke für die Erklärung eingeführt sind, muß sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 ZPO).
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dies bedeutet für das Prozeßkostenhilfeverfahren, daß, soweit im Besteuerungsverfahren Schätzungen, deren Ergebnis von der Würdigung vieler Tatumstände abhängt, vorzunehmen sind, nicht die im Urteil gefundene Entscheidung maßgebend sein darf. Vielmehr kommt es für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526 m.w.N.).
Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat ausgeführt, daß gegen die Umsatzverprobung des Prüfers, die Grundlage für die Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen beim Antragsteller war, keine ernsthaften Einwendungen zu erheben seien. Die Verkaufspreise der Getränke seien für einen Barbetrieb auffällig niedrig gewesen. Unter diesen Umständen könne keine Rede davon sein, daß in den kalkulierten Umsätzen in erheblichem Umfang Prostitutionsentgelte enthalten sein müßten. Die festgestellten nichterfaßten Einnahmen seien dem Antragsteller mindestens entsprechend seiner GmbH-Beteiligung hinzuzurechnen.
Die Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung. Der Vortrag, daß die GmbH in den Jahren 1974 und 1975 Investitionen in Höhe von 100 000 DM getätigt hätte, die die geschätzten Gewinne und damit die verdeckten Gewinnausschüttungen gemindert hätten, reicht nicht aus, um die Rechtsverfolgung als hinreichend erfolgversprechend zu beurteilen. Dies trifft schon deshalb zu, weil es sich nur um eine pauschale Behauptung handelt und der Antragsteller keine Einzelheiten über die Investitionen mitgeteilt hat. Auch der Vortrag, daß der Antragsteller in 1976 bei einem anderen Arbeitgeber tätig gewesen ist, führt nicht dazu, die Rechtsverfolgung als hinreichend erfolgversprechend zu beurteilen, denn eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber schließt nicht aus, daß der Antragsteller mindestens zeitweise auch für die GmbH tätig gewesen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 414728 |
BFH/NV 1987, 119 |