Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung des Anordnungsanspruchs zur Erlangung einer einstweiligen Anordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Zum Beginn der Beschwerdefrist bei fehlender Rechtsmittelbelehrung

2. Wird zur Erlangung einer einstweiligen Anordnung geltend gemacht, eine Pfändung sei nicht gerechtfertigt, weil die der Pfändung zugrunde liegende Forderung durch Zahlung erloschen sei, so fehlt es bereits dann an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs als Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung, wenn nicht schlüssig dargelegt und durch entsprechende Belege nachgewiesen ist, daß die behaupteten Zahlungen geleistet und zur Abgeltung der für die Pfändung maßgebenden Forderung erbracht worden sind.

3. Der Streitwert des Verfahrens wegen einstweiliger Anordnung, in dem sich der Antragsteller gegen die Durchführung einer Pfändungsmaßnahme wendet, ist auf 10 % des Betrages zu bemessen, dessentwegen die Vollstreckung betrieben wird (Anschluß an den Beschluß vom 3. Januar 1978 VII B 21/77, BFHE 124, 26).

 

Normenkette

FGO § 55 Abs. 1 S. 2, § 114 Abs. 3, § 129 Abs. 1; ZPO § 920 Abs. 2; AO 1977 § 257 Abs. 1 Nr. 3; GKG § 13; BRAGO § 9 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) forderte von der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) aufgrund noch nicht bestandskräftiger Steuerbescheide aus dem Jahre 1982 die Zahlung von Umsatz- und Kirchensteuer für die Jahre 1977 und 1978 in Höhe von 2,- DM sowie von Säumniszuschlägen zur Einkommen- und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 400 DM. Wegen dieser Beträge pfändete das FA im September 1982 vom monatlichen Gehalt der Beschwerdeführerin 300 DM.

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin, die Gehaltspfändung sofort aufzuheben, mit folgender Begründung ab:

Die Beschwerdeführerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Mit dem Vortrag, die Schätzungen, auf denen die der Pfändung zugrunde liegenden Forderungen beruhen, seien ungerechtfertigt und überhöht, könne die Beschwerdeführerin im Vollstreckungsverfahren nicht gehört werden. Auch mit ihrem Einwand, die Forderungen seien bereits erfüllt, könne die Beschwerdeführerin nicht gehört werden. Um diese Frage zu klären, sei die Beschwerdeführerin gehalten, ggf. einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu beantragen.

Gegen diesen Beschluß legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist zwar nicht innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen seit Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden (§ 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Es ist aber davon auszugehen, daß die Beschwerdefrist nicht mit der Bekanntgabe des Beschlusses zu laufen begonnen hat, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Ausfertigung des Beschlusses, die der Beschwerdeführerin zugestellt worden ist, keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war ( § 55 Abs. 1 Satz 2 FGO). Das FG hat dazu mitgeteilt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die der Beschwerdeführerin zugestellte Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses ohne Rechtsmittelbelehrung abgesandt worden sei.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden ist. Dabei braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden, ob ein Anordnungsanspruch aufgrund der Regelung in § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 bestehen würde, wenn die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht hätte, der Anspruch des FA auf Zahlung des geforderten Betrages sei zumindest erloschen, weil eine Überzahlung vorliege. Denn die Beschwerdeführerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß der Zahlungsanspruch des FA durch Überzahlung erloschen sei. Zur Glaubhaftmachung der von der Beschwerdeführerin behaupteten Überzahlung in sinngemäßer Anwendung des § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung aufgrund des § 114 Abs. 3 FGO hätte zumindest schlüssig dargelegt und durch entsprechende Belege nachgewiesen werden müssen, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Zahlungen geleistet und zur Abgeltung der streitbefangenen Forderungen erbracht worden sind. Allein die Behauptung, es seien Zahlungen in bestimmter Höhe erfolgt und dadurch sei eine Überzahlung eingetreten, reicht zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht aus.

Soweit die Beschwerdeführerin sich darauf beruft, die der Pfändung zugrunde liegenden Forderungen beruhten auf fehlerhaften Schätzungen, kommt ein Anordnungsanspruch, wie das FG zutreffend entschieden hat, schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Einwendungen gegen die Festsetzung der Forderungen gerichtet sind und deshalb im Vollstreckungsverfahren nicht berücksichtigt werden können (§ 256 AO 1977).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 des Gerichtskostengesetzes und ist nach § 9 Abs. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte auch für die Gebühren des Prozeßbevollmächtigten maßgebend. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluß vom 3. Januar 1978 VII B 21/77, BFHE 124, 26) ist der Streitwert des Verfahrens wegen einstweiliger Anordnung, in dem sich der Antragsteller gegen die Durchführung von Pfändungsmaßnahmen wendet, auf 10 % des Betrages zu bemessen, dessentwegen die Vollstreckung betrieben wird. Im Streitfall liegen der Pfändung Forderungen in der Gesamthöhe von 402 DM zugrunde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414365

BFH/NV 1986, 552

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