Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer auf Verfahrensmängel gestützten NZB wegen nicht die Mindestanforderungen erfüllender Begründung
Leitsatz (NV)
1. Wird als Verfahrensmangel nichtordnungsmäßige Ladung zur mündlichen Verhandlung (unzutreffende Anschrift) gerügt, so ist substantiiert darzulegen, inwiefern die vom FG bei der Ladung verwendete Anschrift unzutreffend ist.
2. Die Rüge, im Verfahren vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen zu sein, kann nur unmittelbar mit der Revision, nicht mit einer NZB geltend gemacht werden.
3. Zu den Mindestanforderungen an die Begründung einer NZB, wenn Versagung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht wird.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Der Bekl. und Bg. (das FA) hatte vom Kl. und Bf. (Kl.) für die Jahre 1968 bis 1972 und 1976 bis 1978 keine USt gefordert. Für die Jahre 1973 bis 1975 hatte das FA gegen eine GbR USt festgesetzt. Die entsprechenden Bescheide wurden jedoch am 7. März 1985 im Hinblick darauf aufgehoben, daß die Gesellschaft in den Streitjahren nicht mehr bestanden habe.
Mit Schreiben vom 25. März 1985 erhob der Kl. wegen der USt der bezeichneten GbR für die Jahre 1973 bis 1975 sowie mit Schreiben vom 9. April 1985 für die Jahre 1968 bis 1972 und 1976 bis 1978 Klagen, die beim FG unter den Aktenzeichen . . . geführt wurden. In beiden Fällen beantragte der Kläger, ,,den o. a. Einspruchsbescheid (bzw. Bescheid o. a.) voll inhaltlich aufzuheben." Als Anschrift gab er eine Adresse in A an, wobei vermerkt war: ,,Post per z. Z. . . . in B".
Das FA, das inzwischen den vom Kläger bezüglich der Jahre 1973 bis 1975 eingelegten Einspruch als unzulässig verworfen hatte, machte geltend, eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung sei nicht ergangen. Die für die GbR an den Kl. gerichteten USt-Bescheide 1973 bis 1975 seien vom Kl. bereits angefochten worden. Im Verfahren . . . trug das FA vor, USt-Bescheide 1968 bis 1972 und 1976 bis 1978 seien dem Kl. nicht erteilt worden, so daß er nicht in seinen Rechten verletzt sei.
Die Ladung zum Termin der mündlichen Verhandlung am 31. März 1987 für beide Verfahren erging unter der Adresse in B und wurde lt. PZU am 27. Februar 1987 unter Hinterlassung einer entsprechenden Benachrichtigung durch Niederlegung beim Postamt . . . zugestellt. Später (am 16. Juni 1987) teilte das Postamt dem FG auf Anfrage mit, daß die Postsendung mit der Ladung am 28. Februar 1987 vom Ehegatten abgeholt worden sei. Zur mündlichen Verhandlung ist der Kl. nicht erschienen; er war auch nicht vertreten.
Das FG wies die Klagen ab und führte zur Begründung aus, dem Kl. fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil mit der Aufhebung der gegen die GbR gerichteten Steuerbescheide feststehe, daß das FA gegen den Kl. keine USt-Forderungen geltend mache, bzw. die Klage sei unzulässig, weil das FA vom Kl. für die Streitjahre keine USt fordere.
Gegen die - ebenfalls unter der Anschrift in B durch Niederlegung beim Postamt . . . - am 15. Mai 1987 zugestellten beiden Urteile haben der Kl. mit Schreiben vom 15. Mai 1987 und sein jetziger Prozeßbevollmächtigter mit Schriftsätzen vom 12. Juni 1987 Revision eingelegt. Die Revisionsverfahren werden beim BFH unter den Aktenzeichen . . . geführt.
Außerdem hat der Prozeßbevollmächtigte des Kl. mit einem weiteren Schriftsatz vom 12. Juni 1987 gegen beide Urteile Nichtzulassungsbeschwerden erhoben. Zur Begründung macht er geltend, der Kl. sei nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Die Ladung sei an eine unzutreffende Anschrift zugestellt worden. Der Kl. habe daher keine Kenntnis von der mündlichen Verhandlung gehabt und sei nicht imstande gewesen, sachdienliche Anträge zu stellen. Dem Kl. sei mithin nicht rechtliches Gehör gewährt worden. Die angefochtenen Urteile beruhten auf diesem Verfahrensmangel.Das FA ist den Nichtzulassungsbeschwerden entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Die beiden die Nichtzulassungsbeschwerden des Klägers betreffenden Verfahren werden entsprechend §§ 121, 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerden des Kl. werden als unzulässig verworfen, da sie den formellen Anforderungen an die Begründung von Nichtzulassungsbeschwerden nicht genügen.
a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützt, so muß in der Beschwerdebegründung der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Dies erfordert, daß die den Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen genau und bestimmt dargelegt werden und daß überdies die Möglichkeit dargetan wird, das FG hätte ohne den Verfahrensmangel anders entschieden (vgl. Gräber /Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 65; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 115 FGO Tz. 90). Wird als Verfahrensmangel die Versagung rechtlichen Gehörs geltend gemacht, so ist außerdem schlüssig vorzutragen, was bei zureichendem rechtlichen Gehör vorgebracht worden wäre (vgl. Tipke / Kruse, a. a. O.).
b) Diesen Anforderungen genügen die Beschwerdebegründungen nicht. Soweit der Kläger sich auf nicht ordnungsgemäße Ladung beruft (vgl. § 91 FGO), hat er zwar geltend gemacht, die Ladung sei an eine unzutreffende Anschrift erfolgt und er habe keine Kenntnis von der mündlichen Verhandlung gehabt. Er hat jedoch unterlassen, substantiiert anzugeben, inwiefern die Anschrift unzutreffend gewesen sei. Hierfür war eine Gegenüberstellung seiner damaligen und der vom FG bei der Ladung verwendeten Anschrift unumgänglich. Es kommt hinzu, daß die Rüge, der Beteiligte sei zum Termin nicht (ordnungsgemäß) geladen worden, die Behauptung enthält, er sei ,,im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten" gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO), was nur unmittelbar mit der Revision, nicht aber mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden darf (s. Tipke / Kruse, a. a. O., § 116 FGO Tz. 16 mit weiteren Hinweisen).
Soweit der Kl. Versagung des rechtlichen Gehörs rügt, reicht der Hinweis nicht aus, er habe keine sachdienlichen Anträge stellen können. Der Kläger hätte den Antragsinhalt näher bezeichnen müssen. Schließlich hätte der Kl. im Hinblick auf die Gründe, deretwegen die Klagen vom FG abgewiesen worden sind (fehlendes Rechtsschutzbedürfnis; fehlende Rechtsverletzung, da USt-Ansprüche nicht geltend gemacht würden), sich besonders eingehend mit der Frage beschäftigen müssen, inwiefern es ihm bei der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gleichwohl gelungen sein könnte, Entscheidungen anderen Inhalts des FG herbeizuführen.
Fundstellen