Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Prozeßvollmacht; Kostentragung bei wesentlichen Mängeln
Leitsatz (NV)
1. Eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht muß eindeutig erkennen lassen, welche Prozeßhandlungen der Bevollmächtigte vornehmen darf. Ist z. B. unklar, ob sich die Vollmacht auf die Anfechtung des Einkommensteuerbescheides für 1982 bezieht oder auf den bereits bestandskräftig gewordenen Bescheid für das Jahr 1981, ist das Gericht gehindert, eine Sachentscheidung zu fällen.
2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens hat in einem solchen Fall der als Bevollmächtigter Aufgetretene zu tragen.
Normenkette
FGO § 62; VGFGEntlG Art. 3 § 1
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatten gegen den Einkommensteuerbescheid 1981 Einspruch (Rechtsbehelfslisten Nr. 717/1981-83) und Klage (Az. des Finanzgerichts - FG - 11 K 100/84) erhoben.
Am 18. September 1984 reichte ihr steuerlicher Berater, der Steuerberater A, eine weitere Klageschrift wegen ,,Einspruchsentscheidung vom 10. September 1984 zum Einkommensteuerbescheid 1981 . . ." ein. Zur Begründung verwies er auf seine Ausführungen unter der Rechtsbehelfslisten-Nr. 717/1981-83. Das FG führte den zweiten Rechtsstreit unter dem Az. 10 K 358/84 und der Streitgegenstandsbezeichnung ,,Einkommensteuer 1981". Die Beteiligten waren sich jedoch zunächst darin einig, daß dieser Rechtsstreit den Einkommensteuerbescheid für 1982 betraf (s. Klageerwiderung des Beklagten und Beschwerdegegners - Finanzamt (FA) - vom 12. November 1984 sowie Schriftsatz des A vom 10. April 1986.
Gleichwohl legte A trotz mehrfacher Aufforderungen durch das FG keine Vollmachten der Kläger für dieses Streitjahr vor. Auf die Notwendigkeit der Vollmachtsnachreichung war er zuletzt in einer dem Schreiben des Gerichts vom 18. April 1986 beigefügten Ablichtung eines Aktenvermerks über ein mit ihm selbst geführtes Telefongespräch hingewiesen worden.
A teilte auf das Schreiben vom 18. April 1986 mit: ,,Eine Einreichung einer Prozeßvollmacht und die Durchführung einer Klage 1981 erübrigt sich, da diese Angelegenheit bereits unter dem Geschäftszeichen 11 K 100/84 entschieden wurde."
Das FG sah in den Ausführungen des A die Bestimmung der Klage als eine solche gegen den Einkommensteuerbescheid 1981 und nahm weiter deren gleichzeitige Rücknahme an. Es stellte das Verfahren ein und auferlegte dessen Kosten dem Kläger und A jeweils zur Hälfte.
Mit der Beschwerde trägt A vor, er sei mit dem Schreiben des Gerichts vom 18. April 1986 zur Vorlage einer Prozeßvollmacht für 1981 aufgefordert worden. Unter dem Az. 10 K 358/84 habe er jedoch die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid für 1982 geführt.
Der Berichterstatter des erkennenden Senats wies A (nach Beschwerdeeinlegung) mit Schreiben vom 20. Juli 1987 darauf hin, daß das Beschwerdeverfahren aus formalen Gründen als das Streitjahr 1981 betreffend weitergeführt werde. Gleichzeitig setzte er für den Fall, daß der Rechtsstreit in Wirklichkeit den Einkommensteuerbescheid 1982 betreffen solle, für die Vorlage einer entsprechenden Prozeßvollmacht gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 31. August 1987.
Daraufhin ging am 31. August 1987 beim Bundesfinanzhof (BFH) eine Vollmachtsurkunde ein, nach deren Wortlaut von den Klägern Prozeßvollmacht erteilt worden war wegen ,,der Revisionsklage in der Einkommensteuersache 1981".
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
A hat innerhalb der ihm vom Berichterstatter des erkennenden Senats (§ 79 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gemäß Art. 3 § 1 VGFGEntlG gesetzten Frist keine hinreichende Vollmacht vorgelegt.
1. Läßt sich ein Beteiligter vor einem Gericht der Finanzgerichtsbarkeit durch einen Bevollmächtigten vertreten, so hat er eine schriftliche Vollmacht zu erteilen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO). Wird die Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt, ist der betreffende Rechtsbehelf wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung unzulässig (vgl. z. B. das Urteil des BFH vom 15. Mai 1981 VI R 212/78, BFHE 133, 344, BStBl II 1981, 678).
Nach Art. 3 § 1 VGFGEntlG kann der Vorsitzende oder der von ihm nach § 79 FGO bestimmte Richter (in der Regel - wie auch im Streifall - der Berichterstatter) für das Einreichen der Vollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Die ,,ausschließende Wirkung" bedeutet, daß nach Ablauf der Frist - vom Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgesehen - die Einreichung einer Vollmacht den prozessualen Mangel nicht mehr heilen kann (so schon Urteil des BFH vom 11. Januar 1980 VI R 11/79, BFHE 129, 305, BStBl II 1980, 229).
2. Der nicht fristgerechten Vorlage der Vollmacht ist es gleichzuachten, wenn zwar dem Gericht innerhalb der Frist eine schriftliche Vollmacht eingereicht wurde, diese indessen den an eine ordnungsgemäße Vollmacht zu stellenden Anforderungen nicht entspricht. Denn auch die mit wesentlichen Mängeln behaftete Vollmachtsurkunde hindert das Gericht, eine Sachentscheidung zu fällen.
Eine schriftliche Prozeßvollmacht ist ihrem Wesen entsprechend dann mit wesentlichen Mängeln behaftet, wenn sie nicht erkennen läßt, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt wurde (Urteil des BFH vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802).
Im Streitfall hat A (nur) eine solche, mit wesentlichen Mängeln behaftete Vollmachtsurkunde vorgelegt. Zum Schluß des finanzgerichtlichen Verfahrens war wieder unklar geworden, ob es die Anfechtung des Einkommensteuerbescheids für 1981 betraf oder die des für 1982 ergangenen Bescheids. Das FG legte den (letzten) Schriftsatz des A vom 17. Mai 1986 dahin aus, daß sich die Klage letztlich doch gegen die Veranlagung für das Jahr 1981 gerichtet habe. Deshalb gab der Berichterstatter des erkennenden Senats A (im Beschwerdeverfahren) auf, für den Fall der Anfechtung des Einkommensteuerbescheids 1982 auch eine entsprechende Prozeßvollmacht vorzulegen. Das am 31. August 1987 eingegangene Schriftstück wird diesem Verlangen jedoch nicht gerecht. Nach ihm ist A Vollmacht erteilt ,,in der Einkommensteuersache 1981" (hier Hervorhebung durch den Senat), obwohl er den Rechtsstreit nach dem dazugehörigen Begleitschreiben vom 28. August 1987 ,,zweifelsfrei" zum Veranlagungsjahr 1982 führen wollte. Hinzu kommt, daß die Vollmacht für eine ,,Revisionsklage" erteilt wurde, obwohl A Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Einstellungsbeschluß erhoben hat. Nach alledem ist unklar, in welchem Umfang A für die Kläger Prozeßhandlungen wirksam vornehmen durfte. Die Vollmachtsurkunde ist mit so gravierenden Mängeln behaftet, daß der Senat keine Sachentscheidung fällen kann.
Bei dieser Rechts- und Sachlage kann offenbleiben, ob eine beachtliche Prozeßvollmacht bereits deswegen nicht vorliegt, weil sie (möglicherweise) von den Klägern so nicht erteilt wurde. Die Urkunde war ursprünglich für ein Klageverfahren betreffend das Jahr 1983 ausgestellt worden und trug als Datum der Bevollmächtigung den 15. Oktober 1986.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Steuerberater A aufzuerlegen. Er hat die erfolglose Prozeßführung veranlaßt, ohne dazu von den Klägern eindeutig und zweifelsfrei beauftragt gewesen zu sein (vgl. hierzu schon den Beschluß des erkennenden Senats vom 19. April 1968 III B 85/67, BFHE 92, 173, BStBl II 1968, 473).
Fundstellen
Haufe-Index 415348 |
BFH/NV 1988, 183 |