Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH; keine Beteiligtenfähigkeit einer stillen Gesellschaft; Nachweis der Vertretungsmacht bei abgeleiteter Vollmacht
Leitsatz (NV)
1. Eine stille Gesellschaft ist nur ausnahmsweise beteiligtenfähig, soweit sie sich gegen die unberechtigte Annahme ihrer Steuerrechtsfähigkeit wehrt.
2. Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von PKH gilt der Vertretungszwang. Die ordnungsgemäße Prozeßvollmacht muß innerhalb der nicht verlängerungsfähigen Beschwerdefrist eingereicht werden.
3. Der Begriff der Vollmacht in § 62 Abs. 3 FGO beinhaltet nicht allein die rein formale Vollmachtsurkunde. Vielmehr muß die Vollmacht auf den vertretenen Verfahrensbeteiligten zurückgehen. In Fällen abgeleiteter Vollmacht muß deshalb auch die Vertretungsmacht desjenigen nachgewiesen werden, der die abgeleitete Vollmacht unterzeichnet hat.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; BGB §§ 726, 730 Abs. 2; FGO §§ 57, 62 Abs. 3, § 129 Abs. 1, § 142 Abs. 1-2; GG Art. 19 Abs. 4; ZPO § 116 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Mit Vertrag vom 20. März 1979 gründete die A-GmbH (GmbH) mit den Herren X und Y eine stille Gesellschaft. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ging zunächst von einer atypisch stillen Gesellschaft aus und erließ erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide. Am 15. Juni 1984 beschlossen die Gesellschafter der GmbH deren Auflösung und bestimmten den Gesellschafter Z zum Liquidator. Beides wurde am 6. Juli 1984 im Handelsregister beim Amtsgericht eingetragen. Im Anschluß an eine Steuerfahndung versagte das FA der atypisch stillen Gesellschaft die steuerliche Anerkennung und hob mit an die Gesellschafter gerichteten Bescheiden vom 30. Juni 1987 die bisherigen Feststellungsbescheide ersatzlos auf. Diese gab es den einzelnen Beteiligten bekannt.
Am 23. August 1987 wurde die GmbH gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufhebung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 - LöschG - (RGBl I, 914) wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Z wandte sich gegen die Löschung und beantragte hilfsweise, ihn zum Nachtragsliquidator zu bestellen. Mit Beschluß vom 20. Juli 1988 machte das Landgericht die Löschung gemäß § 142 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) durch Löschung von Amts wegen rückgängig. Mit Schreiben vom 2. September 1988 und vom 4. April 1989 bestätigte das Registergericht auf Anfragen des FA, Z sei danach unverändert Liquidator der GmbH.
Mit den gegen die Aufhebungsbescheide namens der GmbH und stillen Gesellschaft eingelegten Einsprüchen beantragte diese zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Die gegen die Ablehnung erhobene Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Entscheidung vom 1. Dezember 1988 zurück. Die Entscheidung ist an die GmbH und stille Gesellschaft, vertreten durch ihre Gesellschafterin, die GmbH i.L., diese vertreten durch ihren Liquidator, Herrn Z, gerichtet und letzterem mit Postzustellungsurkunde am 5. Dezember 1988 zugestellt worden.
Mit der namens der stillen Gesellschaft hiergegen erhobenen Klage machte diese geltend, Z sei wegen zwischenzeitlicher Löschung der GmbH im Handelsregister nicht mehr vertretungsbefugt gewesen und beantragte festzustellen, daß die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 1. Dezember 1988 nicht wirksam zugestellt worden sei.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsätzen vom ... die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für dieses Klageverfahren sowie die Beiordnung eines Steuerberaters beantragt und sich zur Begründung auf das Hauptverfahren berufen. Außerdem reichte sie eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Z vom 5. April 1989 ein und legte im übrigen die Vermögensverhältnisse der GmbH, des weiteren Gesellschafters der GmbH und der beiden stillen Gesellschafter dar.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag mit Beschluß vom 6. April 1992 ab, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die Antragstellerin könne keine Aussetzung der Vollziehung beanspruchen; denn es fehle an einem gegen sie gerichteten Bescheid. Mit der von der Antragstellerin eingelegten Beschwerde beantragt sie, den Beschluß des FG vom 6. April 1992 aufzuheben und dem Antrag auf Bewilligung von PKH sowie sinngemäß auf Beiordnung eines Steuerberaters stattzugeben.
Zur Begründung führt sie u.a. aus, die GmbH und Still sei nicht eigenständig klagelegitimiert, sondern nur die einzelnen stillen Gesellschafter. Die GmbH habe jedoch nach Ziff.6 des Vertrages über die stille Gesellschaft vom 20. März 1979 in deren Vertretung gehandelt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist, soweit sie die stillen Gesellschafter betrifft, unzulässig, im übrigen unbegründet. Das FG hat insoweit im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.
1. Die Beschwerde ist nach der Begründung als Rechtsmittel sämtlicher an der ehemaligen GmbH und Still beteiligten Personen auszulegen (vgl. zur Auslegung Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. März 1991 VIII R 2/88, BFH/NV 1992, 177). Die GmbH i.L. hat zugleich in Vertretung für die früheren stillen Gesellschafter Rechtsmittel eingelegt. Es trifft zwar zu, daß derjenige, der zu einer Steuer herangezogen wird, ohne steuerrechtsfähig zu sein, auch insoweit als beteiligungsfähig zu behandeln ist, soweit er sich gegen die unberechtigte Annahme der Steuerrechtsfähigkeit wehrt (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 203/81, BFHE 140, 22, BStBl II 1984, 318 m.w.N.). Die Aufhebungsbescheide, deren Vollziehung ausgesetzt werden soll, richten sich indessen, wie das FG in der angefochtenen Entscheidung selbst ausführt, gegen die einzelnen Gesellschafter, nicht aber gegen die stille Gesellschaft als solche. Zwar darf die Auslegung nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Innerhalb dieser Grenze ist jedoch im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -) eine Erklärung in der Weise auszulegen, daß sie dem wirklichen Rechtsschutzbegehren sachgerecht Rechnung trägt.
2. Soweit danach auch die stillen Gesellschafter als Beschwerdeführer zu behandeln sind, waren die Beschwerden jedoch mangels wirksamer Prozeßvollmacht als unzulässig zu verwerfen.
a) In Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der PKH gilt gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) der Vertretungszwang (BFH-Beschluß vom 20. März 1990 VIII B 152/89, BFH/NV 1990, 725 betreffend die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH).
b) Die dem im Beschwerdeverfahren aufgetretenen Prozeßbevollmächtigten erteilte Vollmacht ist indessen hinsichtlich der stillen Gesellschafter nicht wirksam, weil dem Liquidator Z die Vertretungsmacht fehlte. Die Vollmacht ist ausdrücklich in Vertretung der GmbH i.L. von deren Liquidator Z für die GmbH sowie als Vertreterin für die stillen Gesellschafter X und Y erteilt worden.
In Fällen einer abgeleiteten Vollmacht muß jedoch auch die Vertretungsmacht desjenigen nachgewiesen werden, der die abgeleitete Vollmacht unterzeichnet hat (vgl. BFH-Urteile vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731; vom17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802; Beschlüsse vom 6. Oktober 1987 VIII R 330/83, BFH/NV 1988, 184, und vom 28. September 1987 III B 100/86, BFH/NV 1988, 183; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 62 FGO Tz. 9). Der Begriff der Vollmacht i.S. von § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beinhaltet nicht allein die rein formale Vollmachtsurkunde. Vielmehr muß die Vollmacht auf den vertretenen Verfahrensbeteiligten zurückgehen. Das Gericht muß zurückverfolgen können, ob der Prozeßvertreter seine Bevollmächtigung auch tatsächlich vom Verfahrensbeteiligten ableiten kann (BFH-Urteil vom 16. Februar 1990 III R 81/87, BFHE 160, 387, BStBl II 1990, 746).
Im Streitfall hat der Liquidator Z lediglich auf Ziff.6 des Vertrages über die stille Gesellschaft vom 20. März 1979 in der Beschwerdeschrift hingewiesen. Danach erstreckte sich die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsbefugnis der GmbH auf den Gegenstand des Unternehmens.
Mit Auflösung der stillen Gesellschaft stand die Geschäftsführung und Vertretung jedoch nicht mehr allein der GmbH, sondern - mangels entgegenstehender Regelungen im Vertrag - wieder allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 730 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 51. Aufl., § 730 Tz. 2). Die stille Gesellschaft als BGB-Innengesellschaft war gemäß § 726 BGB aufgelöst, weil der vereinbarte Zweck nach dem Auflösungsbeschluß der GmbH-Gesellschafter vom 15. Juni 1984 nicht mehr zu verwirklichen war. Eine zusätzliche Bevollmächtigung des Liquidators der GmbH i.L. Z ist im übrigen weder aus den Akten ersichtlich noch von diesem selbst geltend gemacht worden, obwohl das FA den Liquidator bereits mit Schreiben vom 23. November 1987 im Einspruchsverfahren zum Nachweis entsprechender Vollmachten der stillen Gesellschafter aufgefordert hatte.
Die ordnungsgemäßen Prozeßvollmachten müssen innerhalb der nicht verlängerungsfähigen Beschwerdefrist (§ 129 Abs. 1 FGO) eingereicht werden. Wird die Beschwerde durch einen nicht ordnungsgemäß Bevollmächtigten eingereicht, so ist sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden (vgl. BFH-Beschluß vom 16. August 1979 I R 74/79, BFHE 128, 350, BStBl II 1979, 711; Tipke/Kruse, a.a.O., § 128 FGO Tz. 24 und § 120 FGO Tz. 35).
3. Soweit die GmbH i.L. zugleich im eigenen Namen Beschwerde wegen Ablehnung der PKH eingelegt hat, ist die Ablehnung durch das FG im Ergebnis zu Recht erfolgt; denn es fehlt - wie der Senat in der Beschwerdeentscheidung vom gleichen Tag zu VIII B 84/92 näher ausgeführt hat, an der für § 116 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 142 FGO notwendigen Voraussetzung, daß die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
Da der Antragstellerin keine PKH bewilligt wird, ist auch die Beiordnung eines Steuerberaters ausgeschlossen (§ 142 Abs. 2 FGO).
Fundstellen