Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Mit der Anhörungsrüge kann nur vorgebracht werden, das Gericht habe gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen.
2. Mit der Rüge, das Gericht habe fehlerhaft entschieden, kann der Rügeführer im Rahmen der Anhörungsrüge nicht gehört werden.
Normenkette
FGO § 133a
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 27. April 2007 V S 12/07 (PKH) lehnte der erkennende Senat den Antrag des Klägers, Antragstellers und Rügeführers (Antragsteller) auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die vom Antragsteller beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 30. Januar 2007 1 K 223/06 ab, weil der Antragsteller keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 117 Abs. 2 und Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorgeschriebenen amtlichen Vordruck vorgelegt hatte. Hiergegen richten sich die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung. Zur Begründung trägt er vor, "dass ich sowohl beim Verwaltungsgericht … aufgrund diverser Klageverfahren bezügl. nicht ausreichender Sozialleistungen, ab Mitte 1995 beginnend, und beim Finanzgericht … ab Mai 1994 klagend, beginnend, als verarmt, hoch verschuldet, überschuldet, nicht zahlungsfähig bezügl. Gerichtskosten und evtl. Anwaltskosten …, bekannt bin. … Aus der Korrespondenz des Sozialgerichts … zu Az: … vom 19.02.07 … geht konkludent hervor, dass ich seit dem Jahre 2005 (seit 1.1.2005) HARTZ IV-Bezieher bin".
Entscheidungsgründe
II. Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung haben keinen Erfolg.
1. Gemäß § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn
1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen
die Entscheidung nicht gegeben ist und
2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf recht-
liches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).
Der Antragsteller hat die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO nicht dargelegt. Mit dem außerordentlichen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge kann gemäß § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO nur vorgebracht werden, das Gericht --im Streitfall der beschließende Senat-- habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verstoßen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614, m.w.N.; vom 3. März 2006 V S 1/06, BFH/NV 2006, 1314).
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2005 VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614, und in BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 111; von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 96 Rz 30; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 217, jeweils m.w.N.).
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, der Senat habe zu Unrecht entschieden, dass keine PKH zu gewähren sei, weil er keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt habe. Mit der damit verbundenen Rüge, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden, kann er nicht im Rahmen der Anhörungsrüge gehört werden. Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. September 2005 V S 12, 13/05, BFHE 211, 6, BStBl II 2006, 75; in BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614, und in BFH/NV 2006, 1314).
2. Soweit der Kläger Gegenvorstellung erhoben hat, ist nach Auffassung des Senats eine Gegenvorstellung gegen Gerichtsentscheidungen neben der gesetzlich geregelten Anhörungsrüge (§ 133a FGO) nicht mehr statthaft (vgl. BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V S 10/07, BStBl II 2008, 60).
Geht man dagegen von der Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung aus, beschränkt die vorrangige, kodifizierte Anhörungsrüge den Anwendungsbereich der Gegenvorstellung von vornherein auf Ausnahmefälle. Davon ist auszugehen bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder wenn die angegriffene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (BFH-Beschlüsse vom 27. März 2008 VI S 2/08, juris; vom 31. Januar 2007 V S 26/06, BFH/NV 2007, 953).
Die Gegenvorstellung des Klägers ist jedenfalls zu verwerfen, weil sich der Begründung der Antragsschrift keine Rügen derartiger Rechtsverstöße entnehmen lassen.
3. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (vgl. Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220, Teil 6 Gebühr Nr. 6400).
Im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei, weil für das Verfahren im Rahmen einer Gegenvorstellung kein Gebührentatbestand vorgesehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2036626 |
BFH/NV 2008, 1852 |