Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Zwischenurteil zum gewerblichen Wertpapierhandel
Leitsatz (NV)
1. Bringt der Kläger vor, einen gewerblichen Wertpapierhandel unterhalten zu haben, aus dem im Streitjahr sowohl die Verluste dieses Jahres als auch - vor Einführung der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags - Verlustvorträge aus den Vorjahren zu berücksichtigen seien, entscheidet das FG im Wege des Zwischenurteils aber nur dem Grunde nach über die steuerliche Behandlung der für das Streitjahr geltend gemachten Verluste, beschränkt sich der Streitwert des Revisionsverfahrens auf die einkommensteuerliche Auswirkung allein dieses Betrages.
2. Die steuerrechtliche Qualifikation einer An- und Verkaufstätigkeit ist grundsätzlich für jeden Steuerabschnitt gesondert vorzunehmen.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2; GKG 1975 § 14 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I. Die Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) wenden sich gegen die Höhe des von der Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (Kostenstelle) angenommenen Streitwerts für ein Revisionsverfahren, das gegen ein finanzgerichtliches Zwischenurteil gerichtet war.
Das Finanzamt (FA) hatte die Einkommensteuer der Kostenschuldner für das Jahr 1989 zuletzt in der Einspruchsentscheidung auf 112 012 DM festgesetzt. Dem lag ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 561 906 DM zugrunde, in dessen Ermittlung u.a. ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 602 112 DM eingeflossen war.
Im Klageverfahren hatten die Kostenschuldner neben der Weiterverfolgung der bereits im Einspruchsverfahren streitigen Punkte erstmals geltend gemacht, dem Kostenschuldner sei aus einem gewerblichen Wertpapierhandel im Jahr 1989 ein Verlust von 119 424 DM entstanden; ferner seien aus dieser Betätigung im Einkommensteuerbescheid für 1989 Verlustvorträge aus den Jahren 1985 bis 1988 in Höhe von insgesamt 610 306 DM abzuziehen. Die Kostenschuldner beantragten beim Finanzgericht (FG), die Einkommensteuer für 1989 auf 0 DM herabzusetzen.
Das FG entschied durch Zwischenurteil, dass der Kostenschuldner "mit seiner als Effektenhandel bezeichneten Tätigkeit im Streitjahr 1989 keinen Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG unterhalten" habe. Die gegen dieses Zwischenurteil gerichtete Revision der Kostenschuldner, mit der sie beantragt hatten, das angefochtene Zwischenurteil aufzuheben und festzustellen, "dass der Kläger mit seiner als Effektenhandel bezeichneten Tätigkeit im Streitjahr 1989 einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG unterhalten" habe, hat der Senat mit Urteil vom 30. Juli 2003 X R 7/99 (BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408) zurückgewiesen und die Kosten des Revisionsverfahrens den Kostenschuldnern auferlegt.
Die Kostenstelle hat der angefochtenen Kostenrechnung vom … Mai 2004 einen Streitwert von 57 270 € zugrunde gelegt; dies entspricht dem gesamten für 1989 festgesetzten Steuerbetrag.
Die Kostenschuldner sind demgegenüber der Auffassung, für den Streitwert des auf die Frage des Bestehens eines Gewerbebetriebs im Jahr 1989 beschränkten Revisionsverfahrens könne nur derjenige Steuerbetrag maßgebend sein, der auf den für 1989 geltend gemachten Verlust (119 424 DM) entfalle. Da sich bei Annahme eines Gewerbebetriebs zudem die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 3 930 DM erhöhen würden, müsse dieser Betrag bei der Ermittlung des Streitwerts gegengerechnet werden. Auf den sich danach ergebenden Saldo von 115 494 DM entfalle bei Zugrundelegung des Durchschnittssteuersatzes eine Einkommensteuer von 26 783 DM; diese stelle den Streitwert für das Revisionsverfahren dar. Danach würden sich Gerichtsgebühren von 475 DM x 3,5 = 1 662,50 DM (850,02 €) ergeben.
Die Kostenschuldner beantragen, die für das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Az. X R 7/99 zu entrichtenden Gerichtskosten mit 850,02 € anzusetzen.
Die Vertreterin der Staatskasse beim BFH beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
Sie ist --unter Bezugnahme auf entsprechende Ausführungen des Kostenbeamten-- der Auffassung, ein Erfolg der Revision hätte zwingend zur Herabsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1989 auf 0 DM geführt.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung ist begründet.
1. Im vorliegenden Verfahren sind noch die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl I 1975, 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl I 2004, 390) --GKG a.F.-- anzuwenden (vgl. § 72 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I 2004, 718 --GKG n.F.--).
2. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 14 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.), begrenzt durch den Wert des Streitgegenstandes der ersten Instanz (§ 14 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.). Der Streitwert ist nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.); betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung, ist deren Höhe maßgebend (§ 13 Abs. 2 GKG a.F.).
3. Der Streitwert eines Zwischenurteils, das über den Steueranspruch im Ganzen befindet, entspricht dem Streitwert des Endurteils (BFH-Entscheidungen vom 25. November 1987 I R 182/83, BFH/NV 1988, 786, unter 1.b, und vom 10. Mai 1993 I R 137/90, BFH/NV 1994, 55). Gleiches gilt für Zwischenurteile über die Zulässigkeit der Klage oder die Anhängigkeit der Sache bei einem bestimmten Gericht (BFH-Beschluss vom 17. Oktober 1985 IV S 19/85, BFH/NV 1986, 631).
Hingegen hat das FG im vorliegenden Fall mit seinem im Revisionsverfahren bestätigten Zwischenurteil nicht über den Steueranspruch im Ganzen befunden, sondern ausdrücklich nur über die steuerliche Behandlung der Wertpapiergeschäfte "im Streitjahr 1989". Die beiden anderen im Klageverfahren streitigen Problemkreise --einerseits die Würdigung der bereits im Einspruchsverfahren erhobenen Einwendungen der Kostenschuldner, andererseits die Behandlung der in den Jahren 1985 bis 1988 getätigten Wertpapiergeschäfte-- waren nicht Gegenstand des Zwischenurteils. Damit konnten diese Problemkreise auch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sein, über dessen Streitwert hier zu befinden ist; entsprechend haben die Kostenschuldner in ihrem Revisionsantrag die vom FG ausgesprochene Beschränkung auf die Würdigung der "als Effektenhandel bezeichneten Tätigkeit im Streitjahr 1989" wiederholt.
Der Tenor des finanzgerichtlichen Urteils kann auch nicht gegen seinen Wortlaut dahin ausgelegt werden, dass das FG zugleich über die in den Jahren 1985 bis 1988 ausgeübte Tätigkeit entschieden hätte. Zwar findet sich in den Entscheidungsgründen (S. 10 des FG-Urteils) die Formulierung: "Die Frage der gewerblichen Betätigung des Klägers in den Jahren ab 1984 und auch im Streitjahr ist entscheidungserheblich. Sie ist --was die Jahre 1984 bis einschließlich 1988 angeht-- für den Verlustabzug bedeutsam". Diese Formulierung ist aber kein Beleg dafür, dass das FG bei der Abfassung der Entscheidungsformel den Unterschied zwischen dem Gegenstand des Verfahrens (im Klageverfahren ausschließlich der Einkommensteuerbescheid für 1989) und dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (im Klageverfahren angesichts der sich steuerlich im Veranlagungszeitraum 1989 auswirkenden geltend gemachten Verlustvorträge aus den Jahren 1985 bis 1988 auch die in diesen Jahren durchgeführten Wertpapiergeschäfte) verkannt hätte, zumal die zitierte Passage sich ausschließlich auf die Zulässigkeit der Entscheidung durch ein Zwischenurteil bezieht und die Verhältnisse der Jahre vor 1989 im weiteren Verlauf der Entscheidungsgründe nicht mehr erwähnt werden. Das FG hat sich im Tenor eindeutig auf eine Entscheidung über den Lebenssachverhalt des Jahres 1989 beschränkt. Selbst bei einem Widerspruch zwischen dem Tenor und den Urteilsgründen ginge die Urteilsformel --schon aus Gründen der Rechtssicherheit-- vor (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1986 VIII R 10/84, BFH/NV 1986, 515, unter 1.; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 105 Rn. 10, m.w.N.).
4. Entgegen der Auffassung der Vertreterin der Staatskasse hätte bei dieser Festlegung des Gegenstandes des Revisionsverfahrens ein Erfolg der Revision der Kostenschuldner im weiteren Verlauf des Klageverfahrens keineswegs zwingend zur Herabsetzung der Einkommensteuer für 1989 auf 0 DM geführt. Die Vertreterin der Staatskasse geht davon aus, dass eine Würdigung der vom Kostenschuldner im Jahr 1989 vorgenommenen Wertpapiergeschäfte als gewerbliche Tätigkeit durch den erkennenden Senat im Revisionsverfahren --wenn nicht denknotwendig, dann doch jedenfalls faktisch-- eine entsprechende Behandlung der in den Jahren 1985 bis 1988 getätigten Geschäfte durch das FG und damit die Gewährung eines Verlustabzugs in einer den Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 1989 aufzehrenden Höhe zur Folge gehabt hätte.
Dem steht jedoch entgegen, dass im Falle eines Erfolgs der Revision eine Differenzierung zwischen den einzelnen Jahren, in denen der Kostenschuldner Wertpapiergeschäfte getätigt hat, nicht ausgeschlossen gewesen wäre. So hat sich der Umfang der entfalteten Tätigkeit zwischen 1985 und 1989 vervielfacht; der Kostenschuldner hat --nach seinem Vorbringen im Klageverfahren-- seit 1986 Beratungsleistungen eines pensionierten Bankdirektors in Anspruch genommen und im Jahr 1988 die Börsentermingeschäftsfähigkeit erworben. Angesichts dieser Unterschiede im Tatsächlichen wäre es geboten gewesen, selbst im Falle einer --auf die im Jahr 1989 ausgeübte Tätigkeit bezogenen-- stattgebenden Revisionsentscheidung die in den Vorjahren durchgeführten Wertpapiergeschäfte einer eigenständigen Würdigung zu unterziehen; eine automatische Anerkennung gewerblicher Verluste aus den Vorjahren wäre mit einem Erfolg der Kostenschuldner in dem für das Jahr 1989 geführten Revisionsverfahren nicht verbunden gewesen.
5. Danach ist für die Bemessung des Streitwerts des Revisionsverfahrens derjenige Steuerbetrag maßgeblich, um den sich die Einkommensteuer 1989 im Falle des Ansatzes eines gewerblichen Verlusts in Höhe von 119 424 DM aus den im Jahr 1989 vorgenommenen Wertpapiergeschäften gemindert hätte.
Allerdings kann der Senat das weitere Vorbringen der Kostenschuldner, diesem Betrag sei eine Erhöhung der Einkünfte aus Kapitalvermögen um 3 930 DM gegenzurechnen, nicht nachvollziehen. Solches haben die Kostenschuldner weder im Klage- noch im Revisionsverfahren geltend gemacht noch haben sie dieses Vorbringen im Erinnerungsverfahren erläutert. Auf die Höhe des Kostenansatzes hat dieser Teilbetrag allerdings keine Auswirkung, weil auch eine Gegenrechnung der 3 930 DM nicht dazu führen würde, dass die nächstniedrigere Gebührenstufe erreicht würde.
Der Streitwert ergibt sich danach wie folgt:
|
zu versteuerndes Einkommen lt. Einspruchsentscheidung: 561 906 DM |
./. |
begehrter Verlust aus Gewerbebetrieb 119 424 DM |
= |
zu versteuerndes Einkommen lt. Revisionsantrag: 442 482 DM |
zu versteuern nach der Splittingtabelle 40 175 DM (Grenzsteuersatz 23,5 %; Günstigerprüfung gemäß Abschn. 198 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987): Teilsteuerbetrag 6 756 DM
+ |
Steuer auf den Veräußerungsgewinn (402 307 DM x Durchschnittssteuersatz 23,575 %): 94 843 DM |
= |
tarifliche Einkommensteuer: 101 599 DM |
./. |
Steuerermäßigungen (wie bisher): 18 650 DM |
= |
festzusetzende Einkommensteuer lt. Antrag: 82 949 DM |
./. |
festzusetzende Einkommensteuer bisher: 112 012 DM |
= |
Streitwert: 29 063 DM |
6. Für das Revisionsverfahren X R 7/99 ist noch die Gebührentabelle i.d.F. des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1325, 1367) maßgeblich. Danach beträgt die einfache Gebühr 475 DM, wenn der Streitwert --wie hier-- zwischen 25 001 DM und 30 000 DM liegt.
Für das Revisionsverfahren im Allgemeinen sind 2,0 Gebühren (Nr. 3130 des Kostenverzeichnisses zu § 11 Abs. 1 GKG), für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid 1,5 Gebühren anzusetzen (Nr. 3133 des Kostenverzeichnisses). Bei 3,5 Gebühren zu je 475 DM ergeben sich für das Verfahren vor dem BFH insgesamt Gerichtskosten in Höhe von 1 662,50 DM (850,02 €).
7. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtskostenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG a.F.).
Fundstellen
Haufe-Index 1257769 |
BFH/NV 2005, 235 |