Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme
Leitsatz (NV)
1. Auch wenn Umsatztantiemen branchenüblich sind, kann aufgrund besonderer individueller Gründe die Einräumung einer Umsatztantieme dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters widersprechen. Es ist somit stets zu prüfen, ob es aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft sach gerecht war, die Vereinbarung über die Gewährung der Umsatztantiemen abzuschließen.
2. Die steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme setzt grundsätzlich Vereinbarungen voraus, die sicherstellen, daß die mit einer Umsatztantieme verbundenen besonderen Risiken -- Steigerung der Umsätze ohne Rücksicht auf die Rentabilität und Verpflichtung zur Zahlung der Tantieme auch in Verlustjahren -- für die Kapitalgesellschaft nicht unkalkulierbar und nicht mehr steuerbar werden.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Gründe
Die Beschwerde war zurückzuweisen. Sie ist unbegründet.
1. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen sind entweder bereits geklärt oder stellen sich in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren nicht.
a) Nach dem Senatsurteil vom 19. Mai 1993 I R 83/92 (BFH/NV 1994, 124) ist die Branchenüblichkeit einer dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zugesagten Umsatztantieme nicht Voraussetzung für ihre steuerrechtliche Anerkennung, wenn aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft besondere Gründe vorliegen, die die Gewährung einer am Umsatz bemessenen Tantieme als sachgerechte Vergütungsform erscheinen lassen. In anderen Fällen ist die Branchenüblichkeit nach diesem Urteil lediglich ein geeignetes Beweisanzeichen dafür, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine Umsatztantieme gewährt hätte.
Aufgrund dieser Ausführungen ist geklärt, daß die Unüblichkeit einer Umsatztantieme in der betreffenden Branche die steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme nicht ausschließt. Außerdem ist geklärt, daß ihre Branchenüblichkeit nicht stets den Schluß zuläßt, die Gewährung der Umsatztantieme entspreche dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Auch wenn Umsatztantiemen branchenüblich sind, kann aufgrund besonderer individueller Gründe die Einräumung einer Umsatztantieme dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters widersprechen. Es ist somit stets zu prüfen, ob es aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft sachgerecht war, die Vereinbarung über die Gewährung der Umsatztantieme abzuschließen.
b) Die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage, ob ausschließlich der im Urteil in BFH/NV 1994, 124 genannte besondere Grund für die Gewährung einer Umsatztantieme -- die unzureichende Anreizwirkung einer gewinnabhängigen Tantieme -- steuerrechtlich als besonderer Grund für die Gewährung einer Umsatztantieme anzuerkennen ist, stellt sich im Streitfall nicht. In dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren wäre nur darüber zu entscheiden, ob die im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) geltend gemachten oder vom FG festgestellten Gründe als besondere Gründe anzuerkennen sind. Als Grund für die Gewährung der Umsatztantieme hat die Klägerin vorgetragen, eine Gewinntantieme hätte zur Motivation ihrer Geschäftsführer nicht ausgereicht, da die Klägerin eine Handelsvertretung betreibe und in dieser Branche umsatzabhängige Vergütungen gezahlt würden. Das FG hat festgestellt, daß sich -- was auch die Klägerin vorgetragen hatte -- das Unternehmen der Klägerin bei Vereinbarung der Umsatztantieme und im folgenden Jahr (Streitjahr) noch in der Aufbauphase befand. Dies ist der im Urteil in BFH/NV 1994, 124 genannte besondere Grund der unzureichenden Anreizwirkung einer gewinnabhängigen Tantieme. Daß sich ein Unternehmen noch in der Aufbauphase befindet und in dieser Phase Verluste oder nur geringe Gewinne erwartet werden, ist lediglich eine Konkretisierung des besonderen Grundes "unzureichende Anreizwirkung einer Gewinntantieme".
c) Die Rechtsfrage, ob die steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme voraussetzt, daß die für die GmbH mit der Umsatztantieme verbundenen Risiken durch Revisionsklauseln oder zeitliche Beschränkungen und durch die Festlegung von Höchstbeträgen begrenzt werden, ist durch das Urteil in BFH/NV 1994, 124 geklärt. Wird die Umsatztantieme vereinbart, weil das Unternehmen aufgrund einer Aufbau- oder Umstellungsphase nur geringe Gewinne oder gar Verluste erwartet und deshalb eine gewinnabhängige Tantieme den Geschäftsführer nicht motivieren würde, setzt die steuerrechtliche Anerkennung nach diesem Urteil grundsätzlich Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH voraus, die sicherstellen, daß die Umsatztantieme tatsächlich nur für die Dauer der Aufbau- oder Umstellungsphase zu zahlen und der Höhe nach limitiert ist. Nur so kann sich die GmbH davor schützen, daß die mit einer Umsatztantieme verbundenen besonderen Risiken -- Steigerung der Umsätze ohne Rücksicht auf die Rentabilität und Verpflichtung zur Zahlung der Tantieme auch in Verlustjahren -- unkalkulierbar und nicht mehr steuerbar werden.
d) Nicht klärungsbedürftig ist die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Risiko der "Absaugung nichterwirtschafteter Gewinne" ein Kriterium für die steuerrechtliche Anerkennung von Umsatztantiemen ist. Die Tatsache, daß eine Umsatztantieme im Gegensatz zu einer Gewinntantieme auch zu einem Verlust der GmbH führen kann -- diesen möglichen Effekt hat der Senat im Urteil in BFH/NV 1994, 124 mit den Worten "Absaugung nichterwirtschafteter Gewinne" umschrieben -- ist der Umsatztantieme immanent. Dieses Risiko ist von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zu berücksichtigen und somit -- das ergibt sich klar aus dem Urteil in BFH/NV 1994, 124 -- auch steuerrechtlich bedeutsam.
e) Die Rechtsfrage, ob die Branchenüblichkeit der Umsatztantieme steuerrechtlich unerheblich ist, wenn Vereinbarungen zu Risikobegrenzungen fehlen, ist ebenfalls bereits durch das Urteil in BFH/NV 1994, 124 geklärt. Nach ihm setzt die steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme voraus, daß durch geeignete Regelungen die mit der Umsatztantieme verbundenen besonderen Risiken für die GmbH kalkulier- und steuerbar bleiben (s. oben 1c), die Branchenüblichkeit reicht allein für die steuerrechtliche Anerkennung dem Grunde nach nicht aus (s. oben 1a).
f) Auch die Rechtsfrage, ob die Angemessenheit der Gesamtvergütung des Geschäftsführers unerheblich ist, falls die Umsatztantieme dem Grunde nach nicht anzuerkennen ist, hat der Senat im Urteil in BFH/NV 1994, 124 bereits beantwortet. Er ist nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung gefolgt, die Einräumung einer Umsatztantieme sei steuerrechtlich anzuerkennen, solange die Gesamtausstattung des Geschäftsführers angemessen ist.
g) Da die Branchenüblichkeit der Umsatztantieme nicht entscheidungserheblich ist (s. oben 1a), wäre in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren nicht zu klären, unter welchen Voraussetzungen die Branchenüblichkeit zu bejahen ist und wer die dafür erforderlichen Feststellungen zu treffen hat (zur Darlegungslast s. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854).
h) Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die "Kriterien (für die steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme) ex post aus der Sicht im jeweiligen Veranlagungszeitraum oder ex ante aus der Sicht der Planbarkeit bei Begründung der Umsatztantieme zu beurteilen sind", ist nach dem Senatsurteil in BFH/NV 1994, 124 eindeutig dahingehend zu beantworten, daß es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vereinbarung der Umsatztantieme ankommt. Ob sich die mit einer Umsatztantieme verbundenen besonderen Risiken später tatsächlich verwirklicht haben oder nicht, ist unerheblich. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird soweit möglich sicherstellen, daß die Risiken in der vom Senat in dem Urteil aufgezeigten Weise kalkulier- und steuerbar bleiben. Er verläßt sich nicht darauf, daß die Risiken sich schon nicht verwirklichen werden.
2. Das FG ist nicht von Entscheidungen des BFH abgewichen.
a) Es ist dem Urteil des BFH in BFH/NV 1994, 124 voll gefolgt. Der beschließende Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, die vom Senat in diesem Urteil aufgezählten einschränkenden Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme seien obiter dicta. Es sind vielmehr -- wie Nr. 4 des Urteils zeigt -- das Urteil tragende Rechtssätze. Die Ausführungen des FG zur Frage, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Tantiemen nach dem Gesamtumsatz und nicht nach dem im Verantwortungsbereich des einzelnen Geschäftsführers erzielten Umsatz bemessen hätte, widersprechen nicht dem Urteil in BFH/NV 1994, 124. Zu dieser Frage hat der Senat -- da der Sachverhalt dies nicht erforderte -- in dem Urteil nicht Stellung genommen.
b) Eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 6. März 1968 I 135/65 (BFHE 92, 205, BStBl II 1968, 482) scheidet bereits deshalb aus, weil das Urteil lediglich die rückwirkende Vereinbarung einer Gewinntantieme betrifft. Die von der damaligen Klägerin zugesagten Umsatzprovisionen waren nicht im Streit. Im Urteil vom 8. Januar 1969 I R 26/67 (BFHE 95, 1, BStBl II 1969, 268) hat der Senat nicht alle Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung einer Umsatztantieme dem Grunde nach aufgeführt und aufzählen müssen, da die Anerkennung bereits am Fehlen einer klaren und nachweisbaren, im voraus getroffenen Vereinbarung scheiterte.
c) Auch von dem BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 230/75 (BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234) ist das FG nicht abgewichen. In diesem Urteil hat der Senat zwar die Zurückverweisung der Sache damit begründet, die Vorinstanz hätte untersuchen müssen, ob umsatzabhängige Vergütungen branchenüblich seien. Dies ist aber nur in dem Sinne zu verstehen, daß die Branchenüblichkeit ein Indiz für das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist (s. Urteil in BFH/NV 1994, 124 und oben 1a).
d) Das FG-Urteil steht auch mit der Entscheidung in BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854 in Einklang. In ihr hat der Senat ausgeführt, Umsatztantiemen seien steuerrechtlich nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe anzuerkennen. Als besonderen Grund hat er -- wie auch das FG -- es angesehen, wenn die angestrebten betrieblichen Ziele mit einer gewinnabhängigen Vergütung nicht zu erreichen sind. Daß bei Handels- und Industrievertretungen vom Vorliegen dieses besonderen Grundes auszugehen ist, läßt sich der Entscheidung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entnehmen.
3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Das FG hat die Branchenüblichkeit von Umsatztantiemen als nicht entscheidungserheblich angesehen. Von diesem Rechtsstandpunkt aus bestand für das FG kein Anlaß, zur Branchenüblichkeit Beweis zu erheben. Die Rüge, das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, ist unbeachtlich. Sie wurde erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 420933 |
BFH/NV 1996, 265 |
BB 1996, 513 |