Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahmeantrag nach Beschwerdeentscheidung über die Nichtzulassung der Revision
Leitsatz (NV)
1. Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann auch gegenüber einem rechtskräftigen Beschluß eines Steuergerichts (hier: Nichtzulassung der Revision) beantragt werden.
2. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO setzt in diesem Fall voraus, daß die Urkunde dem Kläger bis zum Erlaß der Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision unbekannt oder unnutzbar gewesen ist.
Normenkette
FGO § 134; ZPO § 580
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hatte mit Urteil die Klage der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger), mit der diese sich in erster Linie gegen den Ansatz von Arbeitslohn aus einem vom Arbeitgeber des Klägers verbilligt überlassenen Grundstück gewehrt hatten, als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluß vom 13. November 1987 hatte der erkennende Senat die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen, da die Rechtssache weder von grundsätzlicher Bedeutung war, noch die Vorentscheidung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen war. Im Kostenansatzverfahren hatte der Senat die Erinnerung der Kläger durch Beschluß vom 20. Juli 1988 als unbegründet zurückgewiesen. Die Kläger hatten sich mit ihrer Erinnerung gegen den Ansatz eines Streitwertes von 12 642 DM gewandt. Nach ihrer Auffassung sollte sich der Streitwert auf 3 998 DM belaufen. Der erkennende Senat ging bei seinem die Erinnerung zurückweisenden Beschluß von folgendem Sachverhalt aus: In dem ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1974 vom . . . war die Steuer auf 8 224 DM festgesetzt gewesen. Durch Änderungsbescheid vom . . . war die Einkommensteuer auf 45 414 DM heraufgesetzt, im Einspruchsverfahren durch Einspruchsentscheidung dann jedoch auf 20 866 DM herabgesetzt worden. Dabei war der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt - FA - ) in den Gründen der Einspruchsentscheidung von der Einkommensteuerschuld in Höhe von 20 866 DM ausgegangen und hatte hiervon die Lohnsteuerabzugsbeträge in Höhe von 8 644 DM abgezogen. Den Tenor der Einspruchsentscheidung hatte das FA wie folgt formuliert: ,,Unter Änderung des Steuerbescheides vom . . . wird die Einkommensteuer 1974 auf 12 222 DM herabgesetzt". Im Gegensatz zu den Klägern, die meinten, für die Streitwertberechnung sei vom Tenor der Einspruchsentscheidung auszugehen, maß der Senat dem irrtümlich formulierten Tenor keine Bedeutung bei. Der Senat entnahm den Gründen der Einspruchsentscheidung, daß die Einkommensteuerschuld 1974 auf 20 866 DM festgesetzt worden sei. Einen ,,Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes / Sachverhalts" wies der Senat zurück.
Mit ihrem Antrag vom 17. Oktober 1988 begehren die Kläger die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens . . . wegen Nichtzulassung der Revision. Sie sind der Meinung, der erkennende Senat sei in seinem Erinnerungsbeschluß vom 20. Juli 1988 von einem unrichtigen Sachverhalt /Tatbestand ausgegangen. Dieser unrichtige Sachverhalt / Tatbestand könne auch für die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ausschlaggebend gewesen sein. Zur weiteren Begründung des Wiederaufnahmeantrags haben die Kläger mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1988 zahlreiche Anlagen vorgelegt. Es handelt sich im einzelnen um folgende Anlagen:
Schreiben des FA vom 6. Dezember 1988 an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger (Anlage 1 und 2);
Urteil des FG (Anlage 3);
Einspruchsentscheidung des FA vom 31. März 1978/10. April 1978 (Anlage 4);
Schreiben des Rechtsanwalts vom 16. Juni 1983 und 13. Februar 1984 an das FG (Anlagen 5 und 6);
Schreiben des FA vom 25. Juli 1983 und 21. Dezember 1983 an das FG (Anlagen 8 und 9);
weitere Anlagen 7 und 10 bis 13, die nach Ausführung der Kläger sämtlich dem FG vorgelegen haben.
Das FA tritt dem Wiederaufnahmebegehren der Kläger entgegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat keine Veranlassung, seine Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag bis zur Entscheidung des FG über den bei diesem anhängigen Antrag auf Wiederaufnahme des Klageverfahrens auszusetzen. Die Entscheidung des FG ist nicht vorgreiflich i. S. des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Wiederaufnahmeantrag der Kläger ist statthaft.
Gemäß § 134 FGO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden. Nach dem Beschluß des BFH vom 7. November 1969 III K 1/69 (BFHE 97, 502, BStBl II 1970, 216) kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch gegenüber einem rechtskräftigen Beschluß eines Steuergerichts beantragt werden. Die Entscheidung über das Wiederaufnahmebegehren ergeht in einem solchen Fall durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung (siehe auch BFH-Beschluß vom 16. August 1979 I K 2/79, BFHE 128, 349, BStBl II 1979, 710).
Der Wiederaufnahmeantrag ist aber unzulässig.
Die Kläger haben keine Wiederaufnahmegründe benannt. Selbst wenn es zutreffend wäre, daß das Gericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist, könnte dieser Umstand allein die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht rechtfertigen. Die Wiederaufnahmegründe sind in §§ 579 und 580 ZPO abschließend aufgezählt. Im Streitfall könnte der Vortrag der Kläger allenfalls auf einen Wiederaufnahmegrund i. S. des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO hindeuten. Aber auch nach dieser Vorschrift hat die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Voraussetzung, daß die Kläger eine - andere - Urkunde aufgefunden haben oder zu benutzen in den Stand gesetzt werden, die eine für sie günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Die Urkunde muß den Klägern bis zum Erlaß der Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision unbekannt oder unnutzbar gewesen sein.
Im Streitfall waren den Klägern sämtliche Unterlagen, die sie als Anlagen zu ihrem Wiederaufnahmeantrag vorgelegt haben, seit Beginn des Verfahrens bekannt.
Der Hilfsantrag der Kläger hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Senat hatte nur darüber zu befinden, ob das Beschwerdeverfahren wiederaufzunehmen war. Über eine Wiederaufnahme des Klageverfahrens hat das FG zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 416463 |
BFH/NV 1990, 173 |