Entscheidungsstichwort (Thema)
Ladung; Terminsverlegung
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ladung.
2. Die Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtigte noch keine Akteneinsicht genommen hat und eine Aktenversendung zeitlich nicht mehr möglich ist, stellt keinen erheblichen Grund i. S. des §155 FGO i. V. m. §227 Abs. 1 ZPO dar, einen Termin aufzuheben oder zu verlegen, wenn der Prozeßbevollmächtigte dies zu vertreten hat.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 1-2, § 78 Abs. 1, § 91 Abs. 1; ZPO § 195 Abs. 2, §§ 216, 227 Abs. 1; VwZG § 3 Abs. 3, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen) sind Erben nach dem 1992 verstorbenen Metzgermeister ... In Ermangelung einer Erbschaftsteuererklärung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) am 22. Juni bzw. 7. Dezember 1994 im Schätzungwege Erbschaftsteuerbescheide, durch die er die Steuer gegen die Klägerin zu 1 auf 30 480 DM und gegen die Klägerin zu 2 auf 195 DM festsetzte. Erfaßt waren dabei Grundvermögen, Kapitalvermögen und Versicherungsleistungen. Das Betriebsvermögen der Metzgerei, für das seit längerem kein Einheitswert mehr festgestellt worden war, war mit 0 DM angesetzt. Die Einsprüche, mit denen die Klägerinnen u. a. geltend gemacht hatten, im Zusammenhang mit dem Grundvermögen bestünden Schulden von 1 045 546 DM, das Betriebsvermögen sei negativ und §17 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) nicht beachtet, blieben erfolglos.
Daraufhin erhoben die Klägerinnen Anfang Juni 1995 Klage durch ihren Steuerberater, der zunächst Akteneinsicht beantragte, aber keine Vollmachten vorlegte. Das Finanzgericht (FG) forderte beim FA die Akten an und den Berater auf, bis Ende August Vollmachten vorzulegen. Nach Eingang der Akten wies es den Berater mit Schreiben vom 26. September 1995 darauf hin, die Akten könnten nach Einreichen der Vollmachten, für das eine weitere Frist von sechs Wochen eingeräumt werde, beim FA oder Amtsgericht des Ortes, an dem sich sein Büro befinde, eingesehen werden. Er solle mitteilen, welche Behörde er bevorzuge. Eine Aktenübersendung ins eigene Büro komme grundsätzlich nicht in Betracht. Dieses Schreiben blieb ebenso unbeantwortet wie zwei Erinnerungen.
Im Mai 1996 bestimmte der Senatsvorsitzende einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 12. Juni 1996, 11.15 Uhr. Die von der Geschäftsstelle gefertigte Ladung enthält nach der Angabe des Termins den im Druck hervorgehobenen Satz: "Sie werden hiermit zur mündlichen Verhandlung geladen." Zwischen den Wörtern "zur" und "mündlichen" befindet sich ein quadratisches Feld zum Ankreuzen, wie es von Formularen her bekannt ist. Das Quadrat ist mit solch einem Kreuz versehen. Die Ladung ist dem Berater am 23. Mai 1996 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Der Umschlag enthält als Geschäftsnummer das Aktenzeichen des Verfahrens und die Angabe "FG L 4 zum 12. 06. 96 (133)".
Am 28. Mai 1996 ging zunächst eine am 20. Februar 1996 von beiden Klägerinnen ausgestellte Prozeßvollmacht bei Gericht ein. Am Tag vor der mündlichen Verhandlung beantragte der Berater mit einem um 21.13 Uhr eingegangenen Fax die Verlegung des Termins. Dabei rügte er eingangs eine Verunsicherung durch das erwähnte quadratische Feld auf der Ladung. Als Grund für die gewünschte Verlegung gab er an, daß die erbetene Akteneinsicht nicht gewährt worden sei, obwohl die Einspruchsentscheidung auf den Akteninhalt Bezug nehme. Eine Weigerung, die Akten in die Kanzlei zu übersenden, wäre ermessensfehlerhaft, weil er, der Berater, körperbehindert sei. Die Ermessensentscheidung stehe noch aus; dadurch sei er bislang gehindert gewesen, Beschwerde einzulegen.
Das FG entsprach dem Antrag nicht, führte die mündliche Verhandlung, zu der für die Klägerinnen niemand erschienen war, durch und wies die Klage ab.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Klägerinnen Verfahrensmängel geltend, und zwar die Verletzung rechtlichen Gehörs und mangelnde Sachaufklärung.
1. Das rechtliche Gehör sei versagt worden durch die Mängel der Ladung sowie durch die Weigerung, Akteneinsicht zu gewähren und den Termin zu verlegen. Auch die fehlerhafte Annahme des FA, zur Schätzung befugt zu sein, habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs bewirkt.
a) Die Ladung zur mündlichen Verhandlung sei wegen des verwirrenden Kreuzes im Ladungstext sowie der unleserlichen Unterschrift des Postzustellers auf dem übergebenen Umschlag, die keine bestimmten Buchstaben erkennen lasse, unwirksam. Hinzu käme, daß die Geschäftsnummer der Postzustellung nicht mit der Ladung übereinstimme. Dort fehle der Zusatz "FG L 4 zum 12. 6. 96 (133)". Außerdem werde die "Geschäftsnummer" dort als "Aktenzeichen" bezeichnet. Schließlich sei die Ladung nur vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unterzeichnet, obwohl die Terminsbestimmung Sache des Senatsvorsitzenden sei. Die Terminsverfügung sei im übrigen unterdrückt worden.
b) Zu Unrecht habe das FG die Akteneinsicht durch den steuerlichen Berater von der Vorlage einer schriftlichen (Prozeß-)Vollmacht abhängig gemacht. Solch eine Voraussetzung sei in §78 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht vorgesehen. Die Vollmacht könne vielmehr bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden. Das FG habe sich zudem trotz der Körperbehinderung des Beraters -- dieser sei zu 70 v. H. erwerbsgemindert -- geweigert, die Akten in dessen Büro zu übersenden. Außerdem habe das FG ihnen, den Klägerinnen, die Möglichkeit einer Beschwerde genommen, indem es über die Frage der Akteneinsicht erst im Urteil ablehnend entschieden habe. Dabei wäre im Streitfall eine Akteneinsicht besonders wichtig gewesen, weil sich das FA in seiner Einspruchsentscheidung zu wesentlichen Punkten auf den Akteninhalt bezogen habe.
c) Wegen der bis dahin nicht gewährten Akteneinsicht stelle auch die Weigerung, den Termin zu verlegen, eine Verletzung rechtlichen Gehörs dar. Wiederum sei ihnen, den Klägerinnen, jede Angriffsmöglichkeit genommen worden, indem die Ablehnung erst im Urteil ausgesprochen worden sei. Dies stelle zusätzlich einen Entzug des gesetzlichen Richters dar. Über eine Terminsverlegung habe nämlich der Senatsvorsitzende allein und nicht der ganze Senat zu entscheiden. Nur über die Vertagung einer bereits begonnenen Verhandlung befinde der Senat. Durch die Untätigkeit des Senatsvorsitzenden werde aber aus einem Antrag auf Terminsverlegung kein Antrag auf Vertagung.
d) Auch die Tatsache, daß die festgesetzten Erbschaftsteuern auf Schätzungen beruhten, stelle eine Verletzung rechtlichen Gehörs dar. Entgegen der Feststellung des FG seien die Klägerinnen nicht aufgefordert worden, Vermögensaufstellungen abzugeben. Im übrigen sei dazu nicht der Beklagte, sondern allenfalls das FA X berechtigt gewesen, weil sich die Metzgerei und die Grundstücksgemeinschaft in dessen Bezirk befänden. Angesichts der Schulden des Erblassers habe eine Verpflichtung zur Abgabe von Vermögensaufstellungen nicht bestanden. Es sei offenkundig gewesen, daß weder Gewerbekapital- noch Vermögensteuer zu zahlen gewesen sei.
2. Da das FG dem nicht nachgegangen sei, beruhe die Vorentscheidung auf mangelnder Sachaufklärung.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung entspricht nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Rüge, das FG habe den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör verletzt, greift nicht durch.
1. a) Die Umstände der Ladung ergeben keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Entscheidet das FG gemäß §90 Abs. 1 FGO aufgrund einer mündlichen Verhandlung, zu der die Beteiligten nicht ordnungsgemäß geladen waren, kann der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Januar 1981 II R 91/79, BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401). Vorliegend sind die Klägerinnen aber über ihren Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß geladen worden (§62 Abs. 3 Satz 5 FGO). Wie die nachgereichte Vollmacht vom 20. Februar 1996 ergibt, war sie zum Zeitpunkt der Ladung zur mündlichen Verhandlung bereits erteilt. Die behaupteten Mängel der Ladung sind entweder nicht vorhanden oder ohne rechtliche Bedeutung. So stellt die Tatsache, daß die Ladung durch die Geschäftsstelle veranlaßt worden ist, keinen Rechtsverstoß dar. Gemäß §155 FGO i. V. m. §216 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist es zwar Sache des Vorsitzenden, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen; sobald dies geschehen ist, gehört es aber zu den Aufgaben der Geschäftsstelle, die Beteiligten zu laden (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, §91 Anm. 9). Die Zustellung der Ladung hat nach §53 Abs. 1 und 2 FGO nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zu erfolgen. Soweit aber -- wie hier -- durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt wird, müssen gemäß §3 Abs. 3 VwZG i. V. m. §195 Abs. 2 Satz 1 ZPO die übergebene Sendung und die Zustellungsurkunde eine (identische) Geschäftsnummer aufweisen, die so gebildet sein muß, daß sich aus ihr der Inhalt der zugestellten Sendung ergibt (Stein/Jonas/Roth, Zivilprozeßordnung, Kommentar, 21. Aufl., Bd. 2, 1994, §195 Rdnr. 3). Diesem Erfordernis ist vorliegend genügt. Die übergebene verschlossene Sendung sowie die Postzustellungsurkunde tragen dieselbe Geschäftsnummer, die mit der Verwendung des Kürzels L sowie der Terminsangabe neben dem Aktenzeichen des Rechtsstreits auf die Ladung als Inhalt hinweist.
Da von der Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde an den Empfänger abgesehen wurde, hatte ferner der Postbedienstete gemäß §3 Abs. 3 VwZG i. V. m. §195 Abs. 2 Satz 2 ZPO den Tag der Zustellung auf der Sendung zu vermerken. Begeht er dabei Fehler, die eine formgerechte Zustellung nicht zustandekommen lassen, gilt gemäß §9 Abs. 1 VwZG das Schriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem der Empfänger es nachweislich erhalten hat. Dies gilt gemäß Abs. 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn mit der Zustellung bestimmte näher bezeichnete Fristen beginnen sollen. Da dazu die Ladungsfrist des §91 Abs. 1 FGO nicht gehört, kann auf sich beruhen, ob der Vermerk gemäß §195 Abs. 2 ZPO ausreichend gezeichnet ist. Die Klägerinnen haben nämlich nicht geltend gemacht, die Ladung nicht an dem in der Postzustellungsurkunde angegebenen Tag erhalten zu haben, und mit der Übersendung der Vollmacht mehr als 14 Tage vor dem Termin auch auf die Ladung reagiert.
Da die Ladung vor der Aufforderung, im Termin zu erscheinen, zunächst den bestimmten Termin bekanntgegeben hat (vgl. dazu Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §53 FGO Rdnr. 9), war eine gesonderte förmliche Zustellung gemäß §53 Abs. 1 FGO entbehrlich. Zwar sind Terminsbestimmung und Ladung begrifflich zu trennen; sie werden aber üblicherweise formularmäßig in einem Schriftstück förmlich bekanntgegeben (vgl. Stein/Jonas/Roth, a. a. O., §216 Rdnr. 4). Die Terminsbestimmung ist dabei in die Ladung als deren Teil eingefügt (so Stein/Jonas/Roth, a. a. O., §216 Rdnr. 11 und 34). Einer gesonderten Zustellung der Terminsbestimmung bedarf es lediglich dann, wenn keine Ladung zu dem Termin erforderlich ist (so Stein/Jonas/Roth, a. a. O., §216 Rdnr. 34), wie dies etwa bei Beweisterminen gemäß §83 FGO der Fall ist.
Die Ladung muß schließlich aus sich heraus ohne weitere Rückfragen verständlich sein (so BFH-Urteil vom 14. November 1968 I R 4/68, BFHE 94, 304, BStBl II 1969, 168). Dies ist vorliegend der Fall. Das angekreuzte Feld im Ladungstext war zwar überflüssig, begründete aber keine vernünftigen Zweifel daran, was zum Ausdruck gebracht werden sollte.
b) Das Recht auf Akteneinsicht ist nicht in rechtswidriger Weise beschnitten worden. Das in §78 Abs. 1 FGO geregelte Recht auf Akteneinsicht ist Ausfluß des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Gräber/Koch, a. a. O., §78 Anm. 1). Eine rechtswidrige Verweigerung der Akteneinsicht stellt daher eine Verletzung dieses Anspruchs dar. Die Weigerung des FG, dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen Akteneinsicht zu gewähren, bevor er seine Bevollmächtigung gemäß §62 Abs. 3 FGO nachgewiesen hat, war jedoch rechtmäßig (vgl. BFH- Beschluß vom 28. September 1994 VIII B 31/94, BFH/NV 1995, 608). Die Tatsache, daß die Vollmacht grundsätzlich bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden kann, ändert nichts daran, daß der Richter das Steuergeheimnis zu wahren hat (§7 Nr. 1, §30 Abs. 1 AO 1977). Solange die Bevollmächtigung nicht nachgewiesen ist, erlaubt weder §30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 noch Nr. 3 der Vorschrift, dem als Bevollmächtigten Auftretenden Akteneinsicht zu gewähren.
Auch das weitere Verhalten des FG ist nicht zu beanstanden. Als nach einem halben Jahr die Vollmacht eingereicht wurde, ohne -- wie vom FG mit Schreiben vom 26. September 1995 erbeten -- auf den Ort der Akteneinsichtnahme einzugehen, brauchte das FG von sich aus dazu nichts veranlassen. Vielmehr wäre es Sache des Bevollmächtigten gewesen, wenn er auf einer Akteneinsicht bestand, die angebotene Wahl zwischen dem Amtsgericht oder dem FA am Ort seiner Praxis zu treffen oder aber Gesichtspunkte vorzutragen, die eine Ausnahme von dem mitgeteilten Grundsatz erfordert hätte, die Akten nicht in die Praxis zu übersenden. Statt dessen hat sich der Bevollmächtigte auf das kommentarlose Einreichen der Vollmacht beschränkt.
Als er dann kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung doch noch auf sein Akteneinsichtsbegehren zurückkam, war eine Aktenversendung zu Einsichtzwecken zeitlich nicht mehr möglich. Daß das FG darüber keine förmliche Entscheidung getroffen hat, beraubte die Klägerinnen bzw. ihren Bevollmächtigten nicht der Möglichkeit, dies im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen. An die Stelle der sonst statthaften Beschwerde nach §128 Abs. 1 FGO trat lediglich die Nichtzulassungsbeschwerde nach §115 Abs. 3 FGO. Von dieser Möglichkeit haben die Klägerinnen Gebrauch gemacht.
c) Auch durch die Ablehnung, den Termin zu verlegen, ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt worden. Gemäß §155 FGO i. V. m. §227 Abs. 1 ZPO kann ein Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe vor, verdichtet sich das in §227 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen zu der Pflicht, dem Antrag auf Aufhebung oder Verlegung stattzugeben. Dem Antragsteller steht dann ein Rechtsanspruch auf Aufhebung oder Verlegung zu, dessen Verletzung einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs bedeutet (BFH-Urteil vom 5. Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208, sowie BFH-Beschluß vom 30. November 1992 X B 18/92, BFH/NV 1993, 732, 734). Im Streitfall sind die geltend gemachten Gründe nicht erheblich. Die Tatsache, daß der Bevollmächtigte noch keine Akteneinsicht genommen hatte und eine Aktenversendung zeitlich nicht mehr möglich war, stellte keinen erheblichen Grund i. S. des §227 Abs. 1 ZPO dar. Denn dies hatten die Klägerinnen, denen das Verhalten ihres Bevollmächtigten zuzurechnen ist, zu vertreten. Der Bevollmächtigte hat dadurch, daß er die Vollmachten erst nach Zugang der Ladung vorlegte, über Monate eine Akteneinsicht verhindert (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 138/92, BFH/NV 1993, 106 unter b aa, sowie BFH/NV 1993, 732). Da er zudem im Zusammenhang mit der Vollmachtsvorlage nicht auf die Akteneinsicht zurückgekommen und insbesondere nicht auf die Frage nach dem Ort der Einsichtnahme eingegangen war, vielmehr beides erst kurz vor dem Termin geschah, brauchte der Vorsitzende den Termin nicht zu verlegen. Er durfte den Bevollmächtigten auf die Möglichkeit der Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle verweisen. Eine Beschwerdemöglichkeit ist den Klägerinnen nicht genommen worden, weil gegen eine förmliche Ablehnung der Terminsverlegung keine Beschwerde gegeben ist (BFH-Beschluß vom 9. November 1995 XI B 174, 175/95, BFH/NV 1996, 415).
d) Aus dem Umstand, daß die angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide auf Schätzungen beruhen, ergibt sich ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Rechtmäßigkeit einer Schätzung ist im Finanzgerichtsprozeß keine Verfahrensfrage, sondern eine Frage des materiellen Rechts. Da für die ordnungsgemäß geladenen Klägerinnen im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, können sie sich im Zusammenhang mit der Frage, ob und von wem Vermögensaufstellungen angefordert worden sind, auch nicht auf das Verbot von Überraschungsentscheidungen berufen.
2. Bezüglich der Rüge mangelnder Sachaufklärung (§76 FGO) ist die Beschwerde unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Dazu wäre erforderlich gewesen darzulegen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung trotz der unzureichenden Mitwirkungsbereitschaft und ohne entsprechende Beweisanträge hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238). Daran fehlt es. Eine Verpflichtung der Klägerinnen zur Mitwirkung entfiel nicht etwa deshalb, weil Erbschaftsteuererklärungen nicht hätten angefordert werden dürfen. Die Voraussetzungen, unter denen es wegen Verstoßes gegen Recht und Billigkeit einen Ermessensfehler darstellt, gemäß §31 Abs. 1 ErbStG 1974 Erbschaftsteuererklärungen anzufordern (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Juni 1958 II 56/57 U, BFHE 67, 178, BStBl III 1958, 339), haben nicht vorgelegen. Es stand und steht gerade nicht einwandfrei und klar fest, daß bei keinem der am Erbfall Beteiligten eine Steuerpflicht ausscheidet. Dazu waren die Vermögensverhältnisse des Erblassers zu vielgestaltig und unübersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 66447 |
BFH/NV 1998, 459 |