Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust des Rügerechts bei rügeloser Verhandlung zur Sache
Leitsatz (NV)
Verhandelt der Kläger zur Sache, ohne die Unterlassung einer von ihm beantragten Beweiserhebung zu rügen, kann der Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Die ordnungsgemäße Rüge des Übergehens eines Beweisantrags erfordert auch die Darlegung, daß der Beteiligte den geltend gemachten Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung gerügt hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gerügte Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung (§76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) durch Nichtvernehmung der von ihr benannten Zeugen führt nicht zur Zulassung der Revision gemäß §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozeßbeteiligten verzichten können und tatsächlich verzichtet haben (§155 FGO i. V. m. §295 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Zu den verzichtbaren Mängeln gehört auch das Übergehen eines Beweisantrages, wie die im Streitfall beantragte Zeugenvernehmung (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 4. Oktober 1991 VII B 98/91, BFH/NV 1992, 603; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 37, m. w. N.). Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem Finanzgericht (FG) verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge; ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich. Der Verfahrensmangel muß in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt werden, in der der Rügeberechtigte erschienen ist; verhandelt er zur Sache, ohne den Verfahrensmangel zu rügen, obwohl er den Mangel kannte oder kennen mußte, verliert er das Rügerecht (§295 Abs. 1 ZPO; BFH-Beschluß in BFH/NV 1992, 603).
Demgemäß kann sich die Klägerin in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr mit Erfolg auf die Unterlassung der von ihr bereits mit Schriftsätzen vom April und August 1994 beantragten Zeugenvernehmung berufen. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG im April 1995 hat die anwesende Prozeßbevollmächtigte der Klägerin zur Sache verhandelt, ohne die unterlassene Beweiserhebung zu rügen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel gilt damit als geheilt; er kann im Beschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.
Im übrigen hat die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift auch keine Ausführungen dazu gemacht, daß sie den geltend gemachten Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung gerügt hätte. Zur Bezeichnung des Verfahrensmangels i. S. des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO wäre das aber erforderlich gewesen. Es fehlt daher bereits an der schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels (Gräber/Ruban, a.a.O., §115 Anm. 65 i. V. m. §120 Anm. 40).
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810, BStBl I 1996, 1522) ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 67061 |
BFH/NV 1998, 970 |