Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Obergäriges Bier, das in Berlin unter Verwendung von Zucker hergestellt worden ist, darf in das Land Bayern verbracht und dort dem Verbrauch zugeführt werden.
Normenkette
BierStG §§ 9-10, 12, 18-20; BierStDB §§ 16, 22, 29, 83; GG Art. 19 Abs. 4
Tatbestand
Der Senator für Finanzen in Berlin hat den Bundesfinanzhof nach §§ 2 und 6 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 in Verbindung mit § 63 der Reichsabgabenordnung um Erstattung eines Gutachtens zu folgender Rechtsfrage ersucht:
"Darf obergäriges Bier, das in Berlin unter Verwendung von Zucker hergestellt worden ist, in das Land Bayern verbracht und dort dem Verbrauch zugeführt werden?"
Entscheidungsgründe
Der V. Senat hat hierzu in der Sitzung vom 23. Februar 1955 wie folgt Stellung genommen.
I. - Die Prüfung der Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs zur Erstattung des erbetenen Gutachtens ergibt folgendes:
Das Reinheitsgebot, wonach zur Bereitung von Bier nur Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser verwendet werden dürfen, besteht in Bayern seit 1516. Es ist in die Biersteuergesetzgebung des Reiches aufgenommen worden und in der Gesetzgebung der Bundesrepublik erhalten geblieben (vgl. § 9 der jetzt gültigen Fassung des Biersteuergesetzes - BierStG -, Bundesgesetzblatt - BGBl. - I vom 25. März 1952 S. 149 ff.).
Das Reinheitsgebot in seiner strengen Form hat in der Gesetzgebung des Reiches und der Bundesrepublik nie bestanden; es gilt vielmehr nach § 9 Abs. 1 BierStG auch nach geltendem Recht nur für untergäriges Bier, während § 9 Abs. 2 a. a. O. zur Bereitung obergärigen Bieres auch die Verwendung von technisch reinem Rohr-, Rüben- oder Invertzucker sowie von Stärkezucker und aus Zucker der bezeichneten Art hergestellten Farbmitteln zuläßt.
§ 9 BierStG ist eine Vorschrift nahrungsmittelpolizeilicher Natur (vgl. Urteil des Reichsgerichts in Strafsachen 2 D 983/31 vom 3. Dezember 1931, Mrozek-Kartei, § 9 Abs. 2 BierStG Rechtsspr. 1); sie hat jedoch auch wirtschaftliche und finanzpolitische Bedeutung und ist in einem Steuergesetz enthalten, über dessen Auslegung der Bundesfinanzhof nach § 63 der Reichsabgabenordnung (AO) zur Begutachtung berufen ist. Dem § 63 AO kommt nicht nur die Bedeutung zu, gutachtlich über das Bestehen einer Steuerpflicht schon in dem Zeitpunkt zu befinden, in dem dem Bundesfinanzhof ein konkreter Streitfall noch nicht vorliegt. Der Sinn dieser Vorschrift kann vielmehr nur der sein, daß alle Streitfragen, die durch die Steuergesetze in deren Rechtskreis entstehen können, dem Bundesfinanzhof zur Begutachtung vorgelegt werden dürfen, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um die Steuerpflicht einzelner, sondern z. B. auch um das Verhältnis zwischen den Ertragsberechtigten oder ganz allgemein um Finanzausgleichsfragen handelt (ebenso Berlak in Steuer und Wirtschaft - StuW - 1922 Sp. 686 mit im wesentlichen zustimmender Anm. von Becker, ebenda Sp. 690). Andernfalls hätte § 63 AO die Zuständigkeit für die Gutachtenstätigkeit durch eine Bezugnahme auf § 52 AO regeln können. § 63 AO verwendet aber im Gegensatz zu § 52 AO, zu dem auch sonst eine Verbindung nicht erkennbar ist, den umfassenden Ausdruck "Auslegung der Steuergesetze" (vgl. auch Becker, AO 7. Aufl. zu § 43 S. 179). Die hier vertretene weite Auslegung des § 63 AO erklärt sich aus dem dringenden Bedürfnis, auch Fragen grundsätzlicher und allgemeiner Art, die sich bei der Auslegung von Steuergesetzen ergeben und den Zuständigkeitsbereich der Finanzverwaltung berühren, in klarer Ausbreitung der Probleme und möglichst rasch dem Bundesfinanzhof vorlegen zu können (vgl. hierzu Popitz, Betrachtungen über Errichtung und Einrichtung des Reichsfinanzhofs, StuW 1928 Sp. 971, 985). Diese gutachtliche Tätigkeit nach § 63 AO ist als eine Gerichtsverwaltungstätigkeit zu werten, und zwar neben der streitentscheidenden Tätigkeit als eine Tätigkeit von ganz besonderer Bedeutung, die, wie soeben erwähnt, in den Bedürfnissen der Reichsfinanzverwaltung und heute der Bundesfinanzverwaltung und der obersten Finanzbehörden der Länder begründet war und auch heute noch in vollem Umfang ist (vgl. Gutachten des Bundesfinanzhofs V D 1/53 S vom 21. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 556, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 122).
Die Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs nach § 63 AO kann auch dann begründet sein, wenn sich der Bundesfinanzhof beispielsweise mit der Auslegung zivilrechtlicher Fragen, für die sonst die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind, befassen muß (vgl. z. B. Gutachten V D 11/25 vom 8. Juni 1926, Slg. Bd. 19 S. 126, aber auch Gutachten Gr. S. D 1/27 vom 23. Mai 1927, Slg. Bd. 21 S. 234). Abgesehen davon, daß es hier den Finanzbehörden der Länder wünschenswert erscheinen muß, ihre Anweisungen bezüglich der Behandlung obergärigen, gezuckerten Bieres auf ein Gutachten des Bundesfinanzhofs stützten zu können, weil die Anweisungen und Verwaltungsanordnungen, die das Reinheitsgebot sowie die Beitrittsgesetzgebung Bayerns (vgl. hierüber unten II., 1.) betreffen, von den Finanzbehörden erlassen worden sind, kann der Bundesfinanzhof infolge der durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in Verbindung mit dem Gutachten des Bundesfinanzhofs Gr. S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (Slg. Bd. 55 S. 277, BStBl. 1951 III S. 107 ff.) begründeten erweiterten Zuständigkeit auch mit der hier streitigen Frage befaßt werden. Denn die im § 12 BierStG verankerte Steueraufsicht nach §§ 16, 22, 29 ff. in Verbindung mit §§ 83 ff. der Durchführungsbestimmungen zum Biersteuergesetz (BierStDB) erstreckt sich u. a. auch auf das Reinheitsgebot, und dahingehende, im Steueraufsichtsverfahren getroffene Verfügungen der Hauptzollämter sind als Verwaltungsakte im Rechtsmittelverfahren vor den Steuergerichten angreifbar. Damit sind ältere Entscheidungen des Reichsfinanzhofs (vgl. Gutachten Gr. S. D 2/24 vom 21. Februar 1925, Slg. Bd. 15 S. 295), die eine andere Auffassung vertreten, insoweit überholt. Hinzukommt, daß diejenigen, die unzulässige Stoffe zur Bereitung von Bier verwenden, von den Hauptzollämtern nach §§ 18 - 20 BierStG strafrechtlich nach den Vorschriften der AO verfolgt werden können (vgl. Koppe-Lubcke, BierStG 5. Aufl. Anm. 3 zu § 18). Daneben kann ein Vergehen gegen das Lebensmittelgesetz vorliegen (vgl. Grote-Bernhard, BierStG § 10 Anm. 7 S. 106). Auch hierin zeigt sich die enge Verflechtung aller Bestimmungen des BierStG mit den ausschließlich steuerliche Fragen betreffenden Vorschriften. Schließlich berührt die hier streitige Frage das Biersteueraufkommen der beteiligten Länder. Wohl auch aus diesem Grunde ist die Ermächtigung in § 2 Abs. 2 der Beitrittsgesetzgebung (vgl. hierüber unten II., 1.) den obersten Landesfinanzbehörden erteilt worden.
Bei der nach alledem zu bejahenden Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs zur Begutachtung der vorgelegten Rechtsfrage hat der Senat infolge der freien Gestaltung des Gutachtenverfahrens, die sich aus den im oben erwähnten Gutachten V D 1/53 S vom 21. Januar 1954 entwickelten Grundsätzen ergibt, in entsprechender Anwendung der §§ 287 und 295 AO sowohl dem Bundesminister der Finanzen als auch den an der Streitfrage interessierten obersten Finanzbehörden der Länder, insbesondere dem Bayer. Staatsministerium der Finanzen, die Beteiligung am Verfahren anheimgestellt bzw. ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Ebenso hatten die Spitzenverbände der Brauwirtschaft entsprechend der in einer Verfügung des Präsidenten des Bundesfinanzhofs vom 13. November 1950 (vgl. Der Betriebs-Berater 1951 S. 46) empfohlenen übung Gelegenheit, sich zu der Streitfrage zu äußern.
II. -
Das BierStG vom 26. Juli 1918, auch in seinen späteren Fassungen, war zwar ein Reichsgesetz, es galt aber zunächst nicht in den Reservatstaaten, zu denen auch Bayern gehörte (vgl. die Präambel). Erst durch den Eintritt Bayerns in die Biersteuergemeinschaft durch das Gesetz vom 24. Juni 1919 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 599), geändert durch das Gesetz vom 9. Juli 1923 (RGBl. I S. 563), galt auch hier das BierStG, jedoch behielt sich Bayern auf Grund der in der Beitrittsgesetzgebung enthaltenen Ermächtigung (ß 2 Abs. 2 a. a. O.) durch die Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen über Biersteuer vom 29. Juni 1924 (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl. - für den Freistaat Bayern 1924 S. 176) das in Bayern übliche unbedingte Reinheitsgebot vor, indem u. a. die Vorschriften des BierStG vom 9. Juli 1923 über die Verwendung von Zucker und von aus Zucker hergestellten Farbmitteln sowie von Süßstoff bei der Bereitung obergärigen Bieres für Bayern ausgeschlossen wurden.
Obwohl also Bayern von der erwähnten Ermächtigung des Beitrittsgesetzes Gebrauch gemacht hatte, ist das Inverkehrbringen gesüßten, obergärigen Bieres, das außerhalb Bayerns hergestellt worden ist, in Zeiträumen, die vor und nach dem Beitritt zur Biersteuergemeinschaft liegen, nicht beanstandet worden. So hebt eine Entschließung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen V 9158 vom 14. Juli 1943 ausdrücklich hervor, "daß die Vorschriften, deren Anwendung durch die Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 29. Juni 1924 (GVBl. S. 176) für den Bereich des Landes Bayern ausgeschlossen sind, nur die Herstellung des Bieres in Bayern betreffen, und daß auch das Gesetz über den Eintritt Bayerns in die Biersteuergemeinschaft vom 24. Juni 1919 keine Handhabe gibt, unter Anwendung der genannten Vorschriften hergestelltes Bier von der Einbringung nach Bayern und vom Ausschank daselbst auszuschließen. Ebensowenig wird mit der Zweckbestimmung des unbedingten Reinheitsgebotes (Erhaltung des Rufes des bayerischen Bieres) die Unzulässigkeit der Einfuhr und des Ausschanks norddeutschen gezuckerten Bieres in Bayern zu begründen sein." Noch in einem Schreiben des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen V 41 78511 - V 2130 vom 27. Mai 1949 an die Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets wird diese Auffassung ausdrücklich bestätigt und eine vorübergehend vertretene gegenteilige Auffassung in der Ministerialentschließung V 22669 - V 2130 vom 21. März 1949 ausdrücklich widerrufen, da die letztgenannte Entschließung ohne Kenntnis der Entschließung vom 14. Juli 1943 und des dieser entsprechenden Erlasses des Reichsministers der Finanzen V 9803 - 108 II vom 13. September 1943 ergangen sei. Erst eine Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern III 8 - 5217 a - 22 vom 8. Juli 1954 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 29 vom 17. Juli 1954), die den Anlaß zu dem Ersuchen des Senators für Finanzen in Berlin gegeben hat, hat die Auffassung vertreten, daß in Bayern auch das Inverkehrbringen gesüßten, obergärigen Bieres verboten sei. Aus den nachstehenden Erörterungen ergibt sich, daß es dahingestellt bleiben kann, welche Beweggründe im einzelnen zu gegensätzlichen Meinungen der Ministerien geführt haben mögen.
Der letzterwähnten Auffassung steht jedoch der Wortlaut des § 2 Abs. 2 des Beitrittsgesetzes und der dieser Vorschrift entsprechenden Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 29. Juni 1924 entgegen, die übereinstimmend nur für die Bereitung des Bieres Sonderbestimmungen für Bayern treffen (ebenso Zapf-Siegert, BierStG 3. Aufl. Anm. 50 zu § 9 S. 123, und Koppe-Fleminger, BierStG 4. Aufl. Anm. 10 zu § 9). § 9 Abs. 2 BierStG betrifft ebenso wie die a. a. O. in bezug genommenen Absätze 5 und 6 des § 9 BierStG ausschließlich die Bierbereitung. Im § 9 a. a. O. ist insbesondere mehrfach auf den engeren Begriff der "Verwendung" zulässiger Bestandteile des Bieres abgestellt, so daß sich eine Verletzung des Reinheitsgebots immer nur dann ergeben kann, wenn im Gesetz nicht genannte Stoffe bei der Bereitung von Bier verwendet werden. Nur auf die Bierbereitung in diesem Sinne erstreckte sich auch die Ermächtigung der Beitrittsgesetzgebung. Bei diesem klaren Wortlaut hätte es einer ausdrücklichen Bestimmung bedurft, daß Bier, das unter Außerachtlassung des in Bayern geltenden strengen Reinheitsgebots außerhalb Bayerns hergestellt wird, nicht nach Bayern in Verkehr gebracht und dort ausgeschenkt werden dürfe. Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung ist zwar nach der ständigen Rechtsprechung schon des Reichsfinanzhofs (vgl. insbesondere Urteil Gr. S. 1/27 vom 17. Dezember 1927, Slg. Bd. 22 S. 239) und des Bundesfinanzhofs (vgl. z. B. Urteile III 99/52 S vom 17. April 1953, Slg. Bd. 57 S. 374, BStBl III S. 147; V 166/52 U vom 12. August 1954, BStBl. 1954 III S. 293) nicht schlechthin ausgeschlossen; es wäre aber für eine vom klaren Wortlaut abweichende Auslegung Voraussetzung, daß die hier vertretene Auffassung sinnwidrig wäre oder zu einem unmöglichen Ergebnis führen würde, das vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II z 43/50 S vom 16. November 1950, Slg. Bd. 55 S. 4, BStBl. 1951 III S. 3, und V 41/53 S vom 17. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 41, BStBl. 1953 III S. 307). Eine Prüfung der Streitfrage in dieser Richtung ergibt aber die durchaus mögliche und vertretbare Zweckbestimmung der Beitrittsgesetzgebung, den Ruf des in Bayern hergestellten Bieres zu wahren, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt die in dem angeführten Erlaß des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 8. Juli 1954 vertretene Sinngebung des Reinheitsgebots, wonach auch das Inverkehrbringen gesüßten, obergärigen Bieres ausgeschlossen sein solle, seinen Niederschlag im Gesetz hätte finden müssen. Hiernach sieht sich der Senat allein schon aus Gründen der Auslegungsfähigkeit der Biersteuergesetzgebung außerstande, die a. a. O. vertretene Auffassung zu billigen.
Diese Auffassung wird jedoch auch mit der Begründung vertreten, daß der Begriff "Bierbereitung" auch den Verkehr mit Bier umfasse. Nun ist allerdings der Begriff "Bierbereitung" durchaus weit auszulegen (vgl. Koppe-Lubcke, BierStG 5. Aufl., Anm. 8 zu § 9 S. 110). Das Reinheitsgebot richtet sich jedoch an den Steuerschuldner. Das ist in aller Regel nur der Brauereiinhaber, während der Bierverleger und der Wirt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zum Hersteller von Bier werden können, wenn sie nämlich Maßnahmen der Herstellung oder doch Behandlung des Bieres treffen. Dies folgt unzweifelhaft aus der Begriffsbestimmung des § 16 BierStDB. Keinesfalls kann hiernach außerhalb der Brauerei von einer Bierbereitung gesprochen werden, wenn sich Verleger und Wirt auf die übliche sachgemäße Lagerung und die Abgabe an der Verbraucher beschränken (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 50/33 vom 21. November 1933, Slg. Bd. 34 S. 298). In dem für die Beantwortung der Streitfrage maßgebenden Zusammenhange kann demnach Lagerung und Ausschank von Bier nicht mehr als Bierbereitung verstanden werden. Auch der dem § 10 BierStG entsprechende § 14 a. F., der in der Beitrittsgesetzgebung und in der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 29. Juni 1924 übrigens nicht erwähnt ist, verbietet nicht den Verkehr mit obergärigem Bier, das unter Verwendung von Zucker hergestellt ist, sofern es entsprechend gekennzeichnet ist.
Daß die Beitrittsgesetzgebung dem § 9 BierStG einen anderen Inhalt gegeben haben soll dergestalt, daß § 10 BierStG durch seine Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 - 3 auch das Inverkehrbringen gezuckerten Bieres verbiete, ist nicht einzusehen, weil eine solche Auslegung jeder Systematik, aber auch der Entstehungsgeschichte widerspräche (vgl. Zapf, Malzaufschlag-Gesetz München - Berlin 1911 Anm. 2 zu Art. 2). Denn zur Zeit des Beitritts Bayerns zur Biersteuergemeinschaft bestand ein Einfuhrverbot gezuckerten Bieres nach Bayern nicht. Dafür, daß anläßlich des Beitritts Bayerns zur Biersteuergemeinschaft eine Kompensation für die bis dahin bei der Einfuhr aus den Zollvereinsstaaten erhobenen übergangsteuern geschaffen werden sollte, lassen sich Belege nicht finden. Denn eine "Kompensation" erhielt Bayern ebenso wie Baden und Württemberg bereits durch die Festlegung der Anteile dieser Länder aus den Biersteuereinnahmen der erweiterten Biersteuergemeinschaft, so daß sich die Feststellung rechtfertigt, daß mit dem Beitritt der genannten Sonderrechtsstaaten die letzte innerhalb des Reiches bestehende Zoll- und Verkehrsschranke gefallen war (vgl. Zapf-Siegert, BierStG 3. Aufl. unter B S. 29 ff., S. 32).
Gegenüber diesen Erwägungen scheitert eine erweiterte Auslegungsfähigkeit der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen aus den unter II. 2. dargestellten Gründen, zumal eine Klarstellung in dem erwähnten Sinne gesetzestechnisch keine Schwierigkeiten bereitet hätte, aber nicht einmal in der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 29. Juni 1924 versucht worden ist.
Da sich auch aus anderen gesetzlichen Bestimmungen die in der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 8. Juli 1954 vertretene Auffassung nicht rechtfertigen läßt, beantwortet der Senat die gestellte Frage dahin, daß obergäriges Bier, das in Berlin unter Verwendung von Zucker hergestellt worden ist, in das Land Bayern verbracht und dort dem Verbrauch zugeführt werden darf.
Fundstellen
Haufe-Index 408135 |
BStBl III 1955, 86 |
BFHE 1955, 220 |
BFHE 60, 220 |