Leitsatz (amtlich)
1. Scheidet ein Gesellschafter aus einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft gegen eine Abfindung aus, die höher ist als der Buchwert seines Kapitalkontos, so kann der gezahlte Mehrwert die Gegenleistung für einen Anteil am Unternehmenswert der Gesellschaft darstellen.
2. Eine AfA auf einen solchen Anteil am Unternehmenswert ist nicht gerechtfertigt, wenn der ausscheidende Gesellschafter eine „berufsfremde” (nicht freiberuflich tätige) Person war und die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter weiterhin im bisherigen Umfang ihre freiberufliche Tätigkeit fortsetzen.
Orientierungssatz
Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft gegen Zahlung einer Abfindung stellt für die verbleibenden Gesellschafter einen entgeltlichen Erwerb des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters an den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft dar (vgl. BFH-Urteile vom 24.5.1973 IV R 64/70 und vom 11.7.1973 I R 126/71; umfangreiche Ausführungen zu Geschäfts- bzw. Praxiswert).
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 28.09.1978; Aktenzeichen VIII 241/77) |
Hessisches FG (Entscheidung vom 28.09.1978; Aktenzeichen VIII 261/78) |
Tatbestand
Der Ingenieur A war freiberuflich als beratender Ingenieur tätig. Nach seinem Tode im Jahre 1965 gründete seine Witwe B mit den bisher bei A als leitenden Mitarbeitern tätigen Ingenieuren C, D und E sowie der Ingenieur A GmbH (im folgenden: GmbH) eine Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG (Klägerin und Revisionsklägerin –Klägerin–). Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 7.Januar 1966 wurde die GmbH persönlich haftende Gesellschafterin; Kommanditisten wurden B, C, D und E. Die Kommanditisten waren auch die alleinigen Gesellschafter der GmbH. In das Unternehmen brachte B den Betrieb ihres verstorbenen Ehemanns ein.
Am 11. Januar 1972 beschlossen die Gesellschafter der GmbH, daß B aus der GmbH ausscheidet und ihren Gesellschaftsanteil auf die verbleibenden Gesellschafter überträgt. Die verbleibenden Gesellschafter beschlossen, das Ingenieurbüro nicht mehr von der GmbH fortführen zu lassen, sondern ihre Leistungen „im Rahmen einer freien Partnerschaft” zu erbringen.
Ebenfalls am 11.Januar 1972 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin, daß B auch aus der Klägerin ausscheidet und ihren Gesellschaftsanteil zu gleichen Teilen auf die verbleibenden Gesellschafter überträgt. Für die Aufgabe ihrer Gesellschaftsrechte sollte B eine „über den Buchwert ihrer Kapitaleinlage hinausgehende Abfindung” in Höhe von 175 000 DM erhalten. Am laufenden Gewinn für das Jahr 1972 sollte sie nicht mehr teilhaben.
Aufgrund dieser Gesellschafterbeschlüsse schieden B und die GmbH (letztere mit Wirkung vom 1.Januar 1973) aus der Klägerin aus. D und E wurden persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin. C blieb Kommanditist.
Als Gegenwert für die der B gewährte Abfindung aktivierte die Klägerin unter der Bezeichnung „Praxiswert” einen Betrag in Höhe von 175 000 DM. In ihren Bilanzen zum 31.Dezember 1972 und 31.Dezember 1973 nahm sie hierauf Abschreibungen von je einem Drittel von 175 000 DM (*= 58 333 DM) vor.
Bei den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen für die Streitjahre 1972 und 1973 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) diese Abschreibungen nicht.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 115 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) aus, der Betrag von 175 000 DM sei für einen in der Bilanz zu aktivierenden Geschäftswert gezahlt worden. Von den Anschaffungskosten für diesen Geschäftswert seien Absetzungen für Abnutzung (AfA) nicht zulässig, weil der Geschäftswert ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut sei (§ 6 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Die Auffassung der Klägerin, es habe sich nicht um einen Geschäftswert, sondern um einen „personenbezogenen Praxiswert” gehandelt, der sich rasch verzehre und deshalb abzuschreiben sei, sei unzutreffend. Der erworbene Geschäftswert und der nach dem Ausscheiden der B entstandene Praxiswert seien ein einheitliches Wirtschaftsgut. Es sei deshalb nicht zulässig, dieses Wirtschaftsgut in einzelne Komponenten zu zerlegen und nur den Wertverzehr einer dieser Komponenten, nicht dagegen die Wertsteigerung anderer Komponenten zu berücksichtigen. – Auf das Wirtschaftsgut „Geschäftswert/Praxiswert” könnten auch keine Teilwertabschreibungen vorgenommen werden. Die Entwicklung der Gewinne des Unternehmens zeige deutlich, daß der Erwerb des Geschäftswertanteils der B keine Fehlmaßnahme gewesen sei.
Gegen die Urteile des FG legte die Klägerin Revision ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem Ausscheiden der B aus der Klägerin Ende des Jahres 1971 hätten die verbliebenen Gesellschafter einen Anteil an dem gemäß § 6 Abs.1 Nr.2 EStG nicht abschreibungsfähigen Geschäftswert erworben. Mit dem Ausscheiden der GmbH aus der Klägerin Ende des Jahres 1972 sei jedoch die Tätigkeit der verbliebenen Gesellschafter freiberuflich geworden. Da im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit kein originärer Geschäftswert mehr habe gebildet werden können, sondern allenfalls ein freiberuflicher Praxiswert, müßten auf den Geschäftswert AfA vorgenommen werden.
Die Klägerin beantragt, die Urteile des FG aufzuheben und die auf den Geschäftswert vorzunehmenden Abschreibungen in den Jahren 1972 und 1973 zuzulassen.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die strittige AfA nicht zum Abzug zugelassen.
1. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft gegen Zahlung einer Abfindung stellt für die verbleibenden Gesellschafter einen entgeltlichen Erwerb des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters an den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft dar (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 24.Mai 1973 IV R 64/70, BFHE 109, 438, BStBl II 1973, 655; vom 11.Juli 1973 I R 126/71, BFHE 110, 402, BStBl II 1974, 50). Erhält der ausscheidende Gesellschafter aus diesem Anlaß mehr, als dem Buchwert seiner Beteiligung entspricht, so spricht das für das Vorhandensein stiller Reserven und (oder) eines Unternehmenswerts.
Im Streitfall sollten mit dem über dem Buchwert des Anteils der B liegenden Abfindungsbetrag keine stillen Reserven an den einzelnen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der Klägerin, sondern lediglich der Anteil der B an dem Unternehmenswert der Klägerin abgegolten werden. Dies ist unter den Beteiligten unstreitig.
2. Die von den Beteiligten für entscheidungserheblich gehaltene Frage, ob der von den verbliebenen Gesellschaftern erworbene Wert als Anteil an einem Geschäftswert oder einem Praxiswert anzusehen war, kann offenbleiben; denn in keinem Fall war unter den gegebenen Umständen eine AfA auf diesen Wert gerechtfertigt.
a) Geschäftswert ist nach § 153 Abs.5 des Aktiengesetzes vom 6.September 1965 (AktG) der Betrag, um den bei der Übernahme eines (gewerblichen) Unternehmens der Kaufpreis die einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens übersteigt. Der Geschäftswert ist der Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind (BFH-Urteil vom 25.Januar 1979 IV R 21/75, BFHE 127, 180, BStBl II 1979, 369). Der Geschäftswert wird nach § 6 Abs.1 Nr.2 EStG zu den nicht der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gerechnet.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt Urteil vom 25.November 1981 I R 54/77, BFHE 134, 434, BStBl II 1982, 189) handelt es sich bei dem Geschäftswert um ein einheitliches Wirtschaftsgut, das nicht zerlegt werden kann, auch wenn die Umstände, auf denen es beruht, im Laufe der Zeit wechseln. Für die Annahme zweier Teilgeschäftswerte mit verschiedenem bilanzrechtlichen Schicksal ist deshalb kein Raum „Einheitstheorie”). Das führt dazu, daß der erworbene und mit seinen Anschaffungskosten zu aktivierende Geschäftswert unabhängig von seinen jeweiligen Komponenten einer AfA nicht unterliegt.
Sollte es sich bei dem im Streitfall von den Gesellschaftern C, D und E erworbenen Anteil am Unternehmenswert –etwa wegen der bisherigen Beteiligung berufsfremder Personen an der freiberuflich tätigen Klägerin– um einen (gewerblichen) Geschäftswertanteil gehandelt haben, so wäre hiernach eine AfA nicht möglich.
b) Anders als bei den den gewerblichen Unternehmen zuzurechnenden Geschäftswerten kommt bei den sog. „Praxiswerten” freiberuflicher Betriebe eine AfA von den Anschaffungskosten in Betracht. Dieser Unterschied zu den gewerblichen Geschäftswerten wird damit begründet, daß der Wert einer freiberuflichen Praxis im wesentlichen auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber beruht, das nach dessen Ausscheiden zwangsläufig endet; dies hat zur Folge, daß sich der Praxiswert verhältnismäßig rasch verflüchtigt (BFH-Urteile vom 15.April 1958 I 61/57 U, BFHE 67, 151, BStBl III 1958, 330, und vom 23.Januar 1975 IV R 166/71, BFHE 115, 102, BStBl II 1975, 381).
Vollziehen sich allerdings in einer freiberuflichen Praxis persönliche Veränderungen, ohne daß die bisher tätigen Personen ausscheiden, so besteht das für den Praxiswert maßgebende persönliche Vertrauensverhältnis weiter fort. Demgemäß entschied der erkennende Senat in einem Fall, in dem ein freiberuflich Tätiger einen Sozius in die Praxis aufgenommen hatte, daß sich dies für die Praxis eher förderlich auswirke und deshalb nicht angenommen werden könne, der Praxiswert verflüchtige sich wegen der Bildung einer Sozietät nunmehr schneller (Urteil in BFHE 115, 102, BStBl II 1975, 381).
Ähnliches muß auch für den Fall gelten, daß aus einer freiberuflich tätigen Gesellschaft lediglich die „berufsfremden” Personen ausscheiden, während die durch ihre freiberufliche Tätigkeit wirkenden Gesellschafter im bisherigen Umfang tätig bleiben. In einem solchen Fall besteht kein Grund für die Annahme, der –auf der freiberuflichen Tätigkeit beruhende– Praxiswert habe sich verflüchtigt.
Ginge man im Streitfall davon aus, daß sich bei der Klägerin von Anfang an ein Praxiswert gebildet hat oder daß sich ein bisher als Geschäftswert anzusehender Unternehmenswert nach dem Ausscheiden der „berufsfremden” B und der GmbH in einen Praxiswert verwandelt hat, so käme auch in diesem Fall nach den obigen Ausführungen eine AfA nicht in Betracht.
c) Ist aber in keinem der hier denkbaren Fälle eine AfA auf den von den verbliebenen Gesellschaftern erworbenen Unternehmenswert-Anteil möglich und kommt auch eine Teilwertabschreibung nicht in Betracht, dann konnten die Klagen im Streitfall keinen Erfolg haben. Das FG hat die Klagen deshalb im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 1384448 |
BStBl II 1982, 620 |
BFHE 136, 83 |
BFHE 1983, 83 |
BB 1982, 1402-1402 |
DB 1982, 1803-1804 |