Leitsatz (amtlich)
Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Organgesellschaft darf den Gesellschaftern auch dann keine Vermögensvorteile zuwenden, wenn seine Handlungsweise für den Organträger von Vorteil wäre. Der Vorteilsausgleich muß sich zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter vollziehen.
Normenkette
KStG a.F. § 6 Abs. 1 S. 2, § 7a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Geschäftsanteile der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, werden zu 100 v. H. von der Ehefrau des H gehalten. Die Klägerin ist zu 95 v. H. an der H-GmbH beteiligt; H hält die restlichen Anteile von 5 v. H. Im Streitjahr (1969) bestand zwischen der Klägerin und der H-GmbH ein Organschaftsvertrag, nach dem die H-GmbH verpflichtet war, ihr Geschäftsergebnis an die Klägerin abzuführen.
H hatte im Streitjahr Forderungen gegen die Klägerin aus laufenden Geschäftsbeziehungen, die über ein Verrechnungskonto zinslos geführt wurden. Gleichzeitig besaß die H-GmbH gegen H Forderungen aus laufenden Geschäftsbeziehungen, die ebenfalls nicht verzinst wurden. Nach Angabe der Klägerin hätte bei einer Verzinsung der beiden Forderungen der Zinsanspruch des H gegen sie - die Klägerin - den Zinsanspruch der H-GmbH gegen H überstiegen.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung wertete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die unterbliebene Verzinsung im Verhältnis der H-GmbH gegenüber H als verdeckte Gewinnausschüttung der H-GmbH an H, deren Höhe das FA unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 8 v. H. mit 10 000 DM ansetzte. Um diesen Betrag erhöhte das FA das an die Klägerin abzuführende Einkommen der H-GmbH.
Der gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1969 eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 305 veröffentlicht. Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil die Abgrenzung zwischen verdeckter Gewinnausschüttung im Organverhältnis und einem übergreifenden Vorteilsausgleich höchstrichterlich noch nicht entschieden sei.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es trägt u. a. vor: Das FG habe sich über den Grundsatz der rechtlichen Selbständigkeit der Organgesellschaft mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise hinweggesetzt, die im Gesetz keine Stütze finde. Mit dem Durchgriff auf die Geschäftsbeziehungen zwischen H und der Klägerin, der in der angefochtenen Entscheidung als "übergreifender Vorteilsausgleich" bezeichnet werde, verletze das FG den Grundsatz der Selbständigkeit der Organgesellschaft.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Das FG hat den an die Klägerin abzuführenden Gewinn der H-GmbH nicht zutreffend ermittelt. Der vom FA als verdeckte Gewinnausschüttung behandelte Betrag von 10 000 DM darf das Einkommen der H-GmbH nicht mindern (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - a. F.).
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß im Falle der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft die Organgesellschaft und der Organträger zivilrechtlich und steuerrechtlich verschiedene Rechtsträger bleiben. Die zu der Organschaft gehörenden Rechtsgebilde sind deshalb grundsätzlich körperschaftsteuerrechtlich getrennt voneinander und entsprechend den jeweils für sie gegebenen Verhältnissen zu behandeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juni 1980 I B 88/79, BFHE 131, 44, BStBl II 1980, 733 ; BFH-Urteil vom 25. Januar 1984 I R 32/79, BFHE 140, 446, BStBl II 1984, 382 ). Aus dem Recht der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft läßt sich daher nicht herleiten, daß bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft (H-GmbH) Rechtsverhältnisse zu berücksichtigen sind, die den Organträger (Klägerin) betreffen. Die rechtliche Selbständigkeit der beiden Gesellschaften verbietet es, die Verminderung des Einkommens der einen Gesellschaft durch eine Erhöhung des Einkommens der anderen Gesellschaft auszugleichen (vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408 ).
2. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761 ) vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie unter sonst gleichen Umständen bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewähren würde.
Das FG sieht die für eine verdeckte Gewinnausschüttung erforderliche Vorteilszuwendung zu Recht im Verzicht der H-GmbH auf Verzinsung ihrer Forderungen gegen H (vgl. BFH-Urteile vom 25. November 1964 I 116/63 U, BFHE 81, 487, BStBl III 1965, 176 ; vom 12. Juni 1974 I R 247/72, BFHE 113, 20, BStBl II 1975, 21; vom 23. Juni 1981 VIII R 102/80, BFHE 134, 541, BStBl II 1982, 245 ).
3. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nicht vor, wenn der Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unter sonst gleichen Umständen auch Nichtgesellschaftern zugewandt worden wäre. Dies kann der Fall sein, wenn der Vermögensvorteil durch Gegenleistungen des begünstigten Gesellschafters aufgewogen wird (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juni 1977 I R 95/75, BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704 ).
Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter hat die Vermögensinteressen der von ihm geleiteten Gesellschaft zu beachten und wahrzunehmen. Er darf nicht als Geschäftsleiter einer Organgesellschaft einen Vermögensnachteil hinnehmen, auch wenn seine Handlungsweise für den Organträger möglicherweise vorteilhaft sein sollte. Mithin ist entgegen der Auffassung des FG ein Vorteilsausgleich nicht deshalb anzunehmen, weil H gegenüber der Klägerin eine Verzinsung seiner Forderungen verlangen könnte. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter verzichtet nicht auf Zinsen, weil der Darlehensschuldner Zinsansprüche gegen eine andere (Organ-)Gesellschaft hat. Der Vorteilsausgleich muß sich zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter vollziehen. Die Leistung der Gesellschaft muß durch Gegenleistungen des begünstigten Gesellschafters aufgewogen werden. Hieran fehlt es im Streitfall. Damit kommt es nicht darauf an, ob eine den Anforderungen im Urteil in BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704 (unter Ziff. 1b) genügende Vereinbarung über den Ausgleich von Vorteil und Gegenvorteil vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 426030 |
BStBl II 1985, 18 |
BFHE 1985, 123 |