Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten bei zwei regelmäßigen Arbeitsstätten
Leitsatz (NV)
Wird im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses eine Bildungseinrichtung zur weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte des Arbeitnehmers, so sind bei Benutzung eines PKW als Fahrtkosten dorthin nicht die tatsächlichen Aufwendungen, sondern nur die unter Ansatz der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG bestimmten Pauschbeträge errechneten Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Lehrer. Er nahm im Streitjahr 1986 an einer Weiterbildung zum Erwerb der Lehrbefähigung an Schulen in der Sekundarstufe II im berufsbildenden Bereich teil. Am Ende des 2 1/2jährigen Studiums steht eine Staatsprüfung. Während der Dauer der Weiterbildung hatte der Kläger unter Fortzahlung seines Gehalts in voller Höhe anstelle von wöchentlich 23 Stunden sechs Stunden pro Woche zu unterrichten. Er war verpflichtet, mindestens 17 Wochenstunden an Lehrveranstaltungen der Universität bzw. des Wissenschaftlichen Seminars teilzunehmen.
Seit August 1986 besuchte der Kläger die Universität sowie das Wissenschaftliche Seminar. Er machte für die Fahrten die tatsächlichen Kosten (0,42 DM/km) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging davon aus, daß die Bildungseinrichtungen nach Ablauf von drei Monaten zur regelmäßigen Arbeitsstätte des Klägers geworden waren und erkannte für die Zeit danach nur die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berechneten Fahrtkosten (0,36 DM/Entfernungskilometer) an. Soweit der Kläger an einem Tag beide Arbeitsstätten anfuhr, berücksichtigte das FA für die Fahrten zwischen beiden Arbeitsstätten die tatsächlichen Aufwendungen (0,42 DMx70 km).
Die Klage mit dem Begehren, die tatsächlichen Fahrtkosten auch noch nach Ablauf von drei Monaten anzuerkennen, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Bildungseinrichtungen seien nach Ablauf von drei Monaten neben der Schule, an der der Kläger weiterhin einmal wöchentlich Unterricht erteilte, zu seiner regelmäßigen Arbeitsstätte geworden. Damit aber handele es sich bei seinen Fahrten um solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Zur Begründung ihrer Revision tragen die Kläger vor: Die Auffassung des FG, es habe ein Ausbildungsarbeitsverhältnis vorgelegen, sei falsch. Richtig sei vielmehr, daß das Land ein Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen aufgelegt habe, um den Bedarf von Fachlehrern im berufsbildenden Bereich zu decken, ohne Neueinstellungen vornehmen zu müssen. Es habe sich eindeutig um Fortbildungsveranstaltungen zum Zwecke des Erwerbs von ergänzenden Qualifikationen gehandelt. Ferner habe das FG verkannt, daß der Kläger die Fortbildungsmaßnahme nur unter der Voraussetzung habe durchführen können, daß er anschließend seinen vollen Dienst wieder an seiner bisherigen Arbeitsstätte aufnehme. Schließlich sei übersehen worden, daß die Fortbildungsmaßnahme auf zwei Jahre begrenzt und somit als vorübergehend zu werten sei.
Das FA ist der Meinung, entgegen seiner bisherigen Auffassung hätten bereits seit Beginn des sog. Ausbildungsarbeitsverhältnisses zwei regelmäßige Arbeitsstätten vorgelegen. Somit wären bereits für die ersten drei Monate Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzunehmen gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß für die Fahrten zwischen der Wohnung des Klägers und den Bildungseinrichtungen nicht die tatsächlichen Aufwendungen, sondern nur die unter Ansatz der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG bestimmten Pauschbeträge errechneten Beträge als Werbungskosten abziehbar sind.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich der Kläger für die Dauer seiner teilweisen Freistellung vom Unterricht zum Zwecke der Weiterbildung unter Fortzahlung seiner vollen Bezüge in einem Ausbildungsdienstverhältnis befunden hat. Denn für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme war der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des FG verpflichtet, mindestens 17 Wochenstunden Lehrveranstaltungen der Universität bzw. des Wissenschaftlichen Seminars zu besuchen. Gegen diese tatsächlichen Feststellungen haben die Kläger keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben, so daß sie für das Revisionsverfahren verbindlich sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Damit standen die Zahlung des vollen Gehalts und der Besuch der Bildungseinrichtungen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, das die Annahme eines Ausbildungsdienstverhältnisses rechtfertigt.
Bei einem Ausbildungsdienstverhältnis sind Aufwendungen, die im Hinblick auf das Ausbildungsziel getätigt werden, Werbungskosten (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. September 1984 VI R 127/80, BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87, und VI R 144/83, BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89; vom 7. August 1987 VI R 60/84, BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780).
2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Höhe nach nur der gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG eingeschränkte Abzug der Fahrtkosten des Klägers zur Universität zulässig ist. Denn die Universität bzw. ihre Institute wurden mit Beginn des Studiums zu einer weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte des Klägers. Es ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsstätten haben kann und seine Aufwendungen für die Fahrten zu diesen Arbeitsstätten und zurück der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG unterliegen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988 VI R 199/84, BFHE 155, 362, BStBl II 1989, 296). Voraussetzung dafür ist allerdings, daß der Arbeitnehmer immer wieder und damit mit einer gewissen Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit an diesen verschiedenen Orten seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Der Betriebssitz oder sonstige Stätten oder Einrichtungen, die der Arbeitnehmer nicht nur ganz gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit mit dem Ziel aufsucht, irgendwelche Arbeitsleistungen zu erbringen, sind stets Arbeitsstätten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 1990 X R 44/89, BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97).
Im Streitfall ist der Kläger für einen befristeten Zeitraum, nämlich für die Dauer von vier Semestern an 17 Stunden in der Woche an der Universität tätig gewesen und hat dort seine dienstlichen Pflichten erbracht. Dies kann in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als nachhaltige, dauerhafte Tätigkeit gewertet werden. Denn bei vier Semestern kann eine auf Dauer angelegte Tätigkeit bejaht werden. Dieser Sachverhalt ist nicht mit dem Besuch eines einmaligen mehrwöchigen Lehrgangs vergleichbar.
Das FA hat für die Fahrten des Klägers zwischen der Schule und der Universität die tatsächlichen Fahrtkosten anerkannt, so daß die Vorentscheidung auch insoweit nicht zu beanstanden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 155, 362, BStBl II 1989, 296).
Fundstellen
Haufe-Index 419739 |
BFH/NV 1994, 546 |