Leitsatz (amtlich)
Werden für eine Erfindung in mehreren Ländern Patente erteilt, so sind die einzelnen Patente verschiedene Wirtschaftsgüter.
Normenkette
EStG §§ 4-5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann waren mit gleichen Anteilen Gesellschafter einer OHG, die den Groß- und Exporthandel mit Spielwaren betrieb. Der Ehemann der Klägerin erfand das Spiel "X".
Für die Erfindung wurden im Jahr 1962 in der Bundesrepublik Deutschland und in mehreren westeuropäischen und überseeischen Ländern Patente erteilt. Zunächst übernahm die OHG die Produktion und den Vertrieb des Spiels.
Nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 1963 führte die Klägerin das Unternehmen allein fort. Im Streitjahr 1965 wurde die Verwertung der Patente in den USA, in Kanada, in Großbritannien, in Hongkong und in Japan einem in den USA ansässigen Unternehmer gegen Zahlung von Lizenzgebühren überlassen. Die Lizenzeinnahmen betrugen im Jahr 1965 58 260 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) behandelte diese Lizenzeinnahmen als Gewerbeertrag, weil die Erfindung notwendiges Betriebsvermögen gewesen sei.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG hat ausgeführt, nach dem gegebenen Sachverhalt dürfte der Erfinder die Idee zu dem von ihm entwickelten Spiel durch seinen Beruf als Spielwarenhändler empfangen haben. Die Frage brauche aber nicht geklärt zu werden, denn die ausschließliche Verwertung der Erfindung im eigenen Betrieb in den Jahren 1962 bis 1964 habe bewirkt, daß die Erfindung notwendiges Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs geworden sei. Durch gemischte Nutzung der Erfindung im Streitjahr - Verwertung im eigenen Betrieb und Lizenzvergabe - sei die Eigenschaft der Erfindung als Betriebsvermögen nicht aufgegeben worden. Denn das Wirtschaftsgut "patentierte Erfindung" sei dem Betriebsvermögen nicht entnommen worden. Ein Wirtschaftsgut sei - mit Ausnahme von Grundstücken - nicht teilbar.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der unrichtige Auslegung des Begriffs "Wirtschaftsgut". unrichtige steuerrechtliche Behandlung gemischter Tätigkeiten und Übergehung eines Beweisantrags sowie allgemein ungenügende Sachaufklärung gerügt wird.
Im einzelnen führt die Klägerin aus:
1. Die Erfindung sei nicht im Betrieb der OHG entstanden. Angesichts dieser Tatsache, die vor dem FG unter Beweis gestellt, vom FG aber nicht geprüft worden sei, könne hier nicht davon gesprochen werden, daß die Erfindung aus dem Großhandelsunternehmen der OHG erwachsen sei.
2. Der Ehemann der Klägerin und die Klägerin selbst hätten nicht die Erfindung, sondern nur die in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen westeuropäischen Ländern erteilten Patente dem Gewerbebetrieb zur Nutzung überlassen. Bei den überseeischen Patenten seien weder die Patente selbst noch deren Benutzung auf die OHG übertragen oder später in den Gewerbebetrieb des Einzelunternehmens eingebracht worden. Der Erfinder und später die Klägerin als dessen alleinige Erbin hätten diese Patente für sich behalten, um sie bei günstiger Gelegenheit durch Lizenzvergabe an fremde Unternehmen zu verwerten. Nicht die Firma, sondern die Klägerin als Erbin des Erfinders habe dementsprechend die Lizenzverträge geschlossen, auf denen die streitigen Lizenzeinnahmen beruhten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den berichtigten Gewerbesteuermeßbescheid 1965 vom 1. Februar 1972 in der Weise zu ändern, daß der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag von 26 962 DM um 2 915 DM auf 24 047 DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Zu Unrecht hat das FG angenommen, das Wirtschaftsgut, dessen rechtliches Schicksal hier zu prüfen sei, sei nicht das einzelne Patent, sondern die Erfindung als solche. Die Lizenzeinnahmen, deren steuerrechtliche Behandlung streitig ist, gehören dann zum Gewerbeertrag, wenn die Patente, aus deren Verwertung die Lizenzeinnahmen herrühren, Betriebsvermögen waren (§ 7 GewStG, §§ 4, 5 EStG). Gegenstand der Prüfung ist hier das Wirtschaftsgut "Patent" - verstanden als Rechte aus dem Patent-, nicht das Wirtschaftsgut "Erfindung".
Allerdings kann auch eine ungeschützte Erfindung ein Wirtschaftsgut sein. Sobald aber die Erfindung durch Erteilung eines Patents geschützt wird (§§ 1, 6 des Patentgesetzes), spaltet sich von dem Wirtschaftsgut "ungeschützte Erfindung" das selbständige Wirtschaftsgut "Patent" ab. Das Patent gewährt dem Patentinhaber das alleinige Recht, gewerbsmäßig den Gegenstand der Erfindung herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen (§ 6 des Patentgesetzes). Das Recht aus dem Patent erweist sich damit als ein absolutes Recht (Immaterialgüterrecht) mit einem bestimmten vom Gesetz vorgeschriebenen Inhalt. Dieses Recht geht auf den Erben über und kann beschränkt oder unbeschränkt auf andere übertragen werden (§ 9 des Patentgesetzes). Das Patent unterscheidet sich damit in mehrfacher Beziehung von der ungeschützten Erfindung und ist daher ein anderes Wirtschaftsgut als die ungeschützte Erfindung.
Die rechtlichen Wirkungen des Patents sind in der Bundesrepublik Deutschland und in den meisten anderen Ländern beschränkt auf das Land, in dem es erteilt wird. Das hat zur Folge, daß die Patente der einzelnen Länder verschiedene Wirtschaftsgüter sind. Abgesehen davon, daß die Rechte aus ihnen einen unterschiedlichen Inhalt haben können, kann sie der Patentinhaber auch in unterschiedlicher Weise verwerten. Soweit kein Patent erteilt ist, bleibt dem Erfinder ein Wirtschaftsgut in Gestalt einer ungeschützten Erfindung.
Aus alledem folgt, daß es der rechtlichen und wirtschaftlichen Wirklichkeit widerspricht, die Erfindung als einheitliches Wirtschaftsgut zu behandeln.
Bestätigt wird die Auffassung des Senats durch § 151 Abs. 1 Aktivseite II A Nr. 8 AktG. Dort sind nicht Erfindungen, sondern gewerbliche Schutzrechte - damit auch die Rechte aus Patenten - als Vermögensgegenstände aufgeführt. Damit ist auch ihre Eigenschaft als Wirtschaftsgüter bewiesen (vgl. Urteil des BFH vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13).
2. Die Patente, aus deren Verwertung die streitigen Lizenzeinnahmen herrühren, gehörten im Streitjahr zum Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs der Klägerin, wenn sie im Betrieb entstanden waren oder später - sei es auch nur im Wege der Überlassung zur Nutzung-Betriebsvermögen wurden. Die tatsächlichen Feststellungen des FG sprechen nicht für das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen, reichen aber nicht aus, um die Frage abschließend zu prüfen. Die Sache geht daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG wird dabei folgendes beachten:
a) Die Patente sind im Betrieb entstanden, wenn der Ehemann der Klägerin die Erfindung in seiner Eigenschaft als Gesellschafter (Mitunternehmer) der OHG gemacht hat. Das setzt voraus, daß der Ehemann der Klägerin mit der Verwirklichung der Erfindung einen gesellschaftsrechtlichen Beitrag geleistet (§ 105 Abs. 2 HGB, § 706 BGB) oder mit der Verwirklichung der Erfindung eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft ausgeübt und insoweit einen wirtschaftlichen Beitrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks geleistet hat (§ 15 Nr. 2 EStG). In beiden Fällen ist die Gesellschaft nicht "der Erfinder". dem das Recht auf das Patent zusteht (§ 3 des Patentgesetzes). Aber die Gesellschaft kann vom Erfinder verlangen, daß er ihr die dem Erfinder zustehenden Rechte überläßt (Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Aufl., 97).
Das FG wird die gesellschaftsrechtlichen und schuldrechtlichen Vereinbarungen des Ehemannes der Klägerin mit der OHG daraufhin untersuchen, ob ein derartiger gesellschaftsrechtlicher oder wirtschaftlicher Beitrag vorlag.
Die Tatsache, daß der Ehemann der Klägerin Gesellschafter einer OHG war, die den Handel mit Spielwaren betrieb, reicht für sich allein nicht aus, um die Verwirklichung der Erfindung durch den Ehemann der Klägerin als Teil seiner Tätigkeit als Gesellschafter (Mitunternehmer) der OHG zu behandeln. Die Arbeit eines Erfinders ist für sich betrachtet Ausübung eines freien Berufs (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG; BFH-Urteil vom 20. November 1974 I R 1/73, BFHE 114, 530). Die gewerbliche Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin als Gesellschafter (Mitunternehmer) einerseits und seine Tätigkeit als Erfinder andererseits lassen sich ohne weiteres trennen und sind daher steuerrechtlich auch getrennt zu behandeln (BFH-Urteil vom 7. März 1974 IV R 196/72, BFHE 111, 522, BStBl II 1974, 383). Auch wenn der Ehemann der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb der OHG Anregungen für seine Erfindung empfangen haben sollte, wäre damit noch kein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Erfindertätigkeit und dem Gewerbebetrieb der OHG hergestellt. Das Wesen der Erfindung besteht in der eigenen geistigen Leistung des Erfinders. Der Anreger ist daher nicht Miterfinder (Hubmann, a. a. O., 95). Die OHG hätte, selbst wenn der Ehemann der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb der Gesellschaft Anregungen für seine Erfindung erhalten hätte, ohne ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung vom Ehemann der Klägerin nicht verlangen können, daß er ihr die Rechte des Erfinders ganz oder teilweise abtrete. Nur wenn die Erfindung überwiegend auf den Mitteln, Erfahrungen und Vorarbeiten des Betriebs beruht, kann der Gesellschafter-Erfinder nach Treu und Glauben verpflichtet sein, seine Rechte ganz oder zum Teil der Gesellschaft zu überlassen. Die Erfindung des Ehemanns der Klägerin war schließlich keine Arbeitnehmererfindung im Sinn des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957 - BGBl I, 756 - (Hubmann, a. a. O., 98 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGH).
Anregungen, die der Ehemann der Klägerin von dem Gewerbebetrieb der OHG für seine Erfindung empfangen haben sollte, erfüllen auch für sich allein nicht die Voraussetzungen einer vom Gewerbebetrieb untrennbaren Tätigkeit nach dem BFH-Urteil vom 29. Januar 1970 IV R 78/66 (BFHE 98, 176, BStBl II 1970, 319). Dieses Urteil hat die Annahme einer einheitlichen gewerblichen Tätigkeit auf Umstände gestützt, die über das Vorliegen von Anregungen aus dem Gewerbebetrieb hinausgehen, z. B. auch auf den Umstand, daß die Erfindung im Gewerbebetrieb benötigt wird. Abgesehen davon setzt die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters voraus, daß das Wirtschaftsgut dem Betrieb der Personengesellschaft (durch Aufnahme in das Gesellschaftsvermögen) oder der Beteiligung des Gesellschafters zu dienen bestimmt ist (vgl. BFH-Urteile vom 23. Juli 1975 I R 210/73, BFHE 117, 144, BStBl II 1976, 180, und vom 28. Januar 1976 I R 103/75, BFHE 118, 430). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist nach den Ausführungen des Senats unter Nr. 1 für jedes Patent gesondert zu prüfen, die Antwort kann daher für die einzelnen Patente verschieden ausfallen.
b) Waren die Patente, aus deren Verwertung die streitigen Lizenzeinnahmen herrühren, nicht im Betrieb der OHG entstanden, so konnten sie doch später in das Betriebsvermögen der OHG oder des Einzelunternehmens der Klägerin gelangen. Das konnte geschehen durch Übertragung der Rechte des Erfinders (§ 9 des Patentgesetzes), sei es durch Leistung eines gesellschaftsrechtlichen oder wirtschaftlichen Beitrags (§ 105 Abs. 2 HGB, § 706 BGB; § 15 Nr. 2 EStG), sei es durch Veräußerung gegen Entgelt.
Fundstellen
Haufe-Index 71954 |
BStBl II 1976, 666 |
BFHE 1977, 410 |