Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Ein Kommanditist ist Gesamtschuldner für die Gewerbesteuer in vollem Umfang; er kann sich nicht auf die Haftungsbeschränkung des § 171 Abs. 1 HGB berufen.
Normenkette
GewStG § 5 Abs. 1; StAnpG § 7 Abs. 3; HGB § 171 Abs. 1; AO § 113
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) war bis zum 31. Mai 1950 Kommanditistin einer Kommanditgesellschaft (kurz KG genannt), die inzwischen in Konkurs gegangen ist. Als frühere Kommanditistin wird die Bfin. für Gewerbesteuerrückstände der KG in Anspruch genommen, die bis zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus der KG entstanden sind. Die Bfin. hat ihre Kommanditeinlage voll geleistet und hält gemäß § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) in Verbindung mit § 113 der Reichsabgabenordnung (AO) ihre Haftung für Steueransprüche für ausgeschlossen.
Das Finanzgericht hat die Bfin. nicht als Haftende für Steuerschulden, sondern als Steuerschuldnerin behandelt. Bei Personengesellschaften, daher auch bei der KG sind nach Ansicht des Finanzgerichts nicht die Gesellschaft als solche, sondern die Gesellschafter als Unternehmer anzusehen, und zwar sei die Gesamthandsgemeinschaft der Gesellschafter der Unternehmer. Der Gewerbebetrieb der Bfin. sei nach § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für Rechnung mehrerer Personen, zu denen die Bfin. gehört habe, betrieben worden. Diese seien Gesamtschuldner der Gewerbesteuer und schuldeten nach § 7 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) jeder die ganze rückständige Gewerbesteuer.
Gegen diese Ansicht trägt die Bfin. folgendes vor: In den Gutachten des Reichsfinanzhofs Gr. S. D 1/38 vom 6. April 1938, Slg. Bd. 43 S. 319, Reichssteuerblatt (RStBl.) S. 434, und Gr. S. D 1/40 vom 27. April 1940, Slg. Bd. 48 S. 313, RStBl. S. 547, werde ausgeführt, daß als Steuerschuldner nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter anzusehen seien. Sie, die Bfin., vertrete die Ansicht, daß als Unternehmer, für dessen Rechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG das Gewerbe betrieben werde, die Gesellschaft und nicht die Gesellschafter anzusehen seien. Nur diese Auslegung entspreche dem Charakter der Gewerbesteuer als einer Realsteuer. Die Gewerbesteuer solle den Betrieb als solchen treffen. Sie, die Bfin., könne nicht annehmen, daß die Auslegung hinsichtlich der Grundsteuer eine andere sein solle wie hinsichtlich der Gewerbesteuer (Gutachten des Reichsfinanzhofs Gr. S. D 1/39 vom 14. Februar 1940, Slg. Bd. 48 S. 160, RStBl. S. 307, und Gutachten vom 27. April 1940). Wenn man für die Grundsteuer die KG als eine Person ansehe, müsse man dies auch für die Gewerbesteuer annehmen. Durch § 28 Ziff. 2 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 (Reichsgesetzblatt I S. 961, RStBl. S. 1137) sei in § 4 Abs. 2 AO bestimmt, daß für die Realsteuern die Vorschriften der AO über die Haftung gelten. Damit werde § 113 AO (Haftung nach bürgerlichem Recht) für anwendbar erklärt. Auch die steuerrechtliche Schuldnerschaft finde demgemäß in der Haftsumme ihre Grenze. Solange der Staat das Bestehen von Kommanditgesellschaften zulassen, müßten für ihn die betreffenden Gesetze ebenso gelten wie für private Gläubiger. Bei der Auslegung in den erwähnten Gutachten vom 6. April 1938 und 27. April 1940 handele es sich um eine mißbräuchliche Gesetzesauslegung durch Verstoß gegen das Gesetz der Einheit der Rechtsordnung und unter Einbau nationalsozialistischen Gedankenguts. Da der Kommanditist auf die Geschäftsführung keinen unmittelbaren Einfluß nehmen könne (§§ 164, 170 HGB), sei seine Beteiligung wirtschaftlich nur tragbar, wenn die Haftung auf die Kommanditeinlage beschränkt bleibe. Eine andere Auslegung würde bedeuten, daß steuerrechtlich der Kommanditist wie ein Komplementär behandelt würde. Bei der Auslegung des GewStG müsse aber die Rechtsfigur der KG respektiert werden, jedenfalls reiche eine Bezugnahme auf die Begründung zum GewStG, wie in dem Gutachten geschehen, nicht aus, um die unbeschränkte steuerliche Haftung des Kommanditisten zu begründen. Nationalsozialistisches Gedankengut sieht die Bfin. darin, daß der Staat, wie dies unter einem autoritären System üblich sei, gegenüber Privatgläubigern "zum Besten der Volksgesamtheit", wie es in dem Gutachten heiße, bevorzugt werde.
Der Bundesminister der Finanzen hat zu der Streitfrage wie folgt Stellung genommen:
"Nach § 113 AO gelten, wo Gesellschaften als solche der Besteuerung unterliegen, für die persönliche Haftung der einzelnen Gesellschafter sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, d. h. für den Kommanditisten § 171 Abs. 1 HGB. Nach § 5 Abs. 1 GewStG sind, wenn ein Gewerbe für Rechnung mehrerer betrieben wird, diese Gesamtschuldner der Gewerbesteuer. Für die Streitfrage kommt es m. E. auf das Verhältnis des § 113 AO zu § 5 Abs. 1 GewStG an.
Es ist von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, daß eine Vorschrift über die Inanspruchnahme für Steuern im Gewerbesteuergesetz als Sondervorschrift einer allgemeinen Vorschrift in der Reichsabgabenordnung vorgeht. Davon abgesehen, ist die Rechtsstellung der Person, die in Anspruch zu nehmen ist, nach den beiden Vorschriften verschieden. § 113 AO betrifft nur die Haftung des Kommanditisten für Steuern der Kommanditgesellschaft. Nach § 5 Abs. 1 GewStG wird aber der Kommanditist nicht als für die Gewerbesteuer Haftender, sondern als Steuerschuldner in Anspruch genommen. Danach stellt § 5 Abs. 1 GewStG eine Spezialvorschrift dar, die durch die allgemeine Vorschrift des § 113 AO nicht berührt wird. Daß das Gewerbe der Kommanditgesellschaft auch für Rechnung des Kommanditisten betrieben wird, kann m. E. nicht zweifelhaft sein.
Infolgedessen sind alle Gesellschafter der KG Gesamtschuldner der Gewerbesteuer. Da aber nach § 7 Abs. 3 StAnpG jeder Gesamtschuldner die ganze Leistung schuldet, kann sich diese Verpflichtung des Kommanditisten nicht auf die Höhe seiner Einlage beschränken. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 würde ihren Sinn verlieren, wenn der Kommanditist für die Gewerbesteuer nach § 171 Abs. 1 HGB nur bis zur Höhe seiner Einlage einzutreten brauchte. Im übrigen ergibt sich diese Rechtsauffassung auch aus der Begründung zum GewStG 1936 unter II 3 Abs. 1. Ich halte demnach die Gutachten des Großen Senats des RFH vom 6. April 1938 Gr.S. D 1/38 (RStBl. S. 434) und vom 27. April 1940 Gr.S. D 1/40 (RStBl. S. 547) für zutreffend.
Eine andere Frage ist es, ob es zweckmäßig ist, den Kommanditisten für die Gewerbesteuer abweichend von § 171 Abs. 1 HGB unbeschränkt in Anspruch zu nehmen. Diese Frage hat aber allein der Gesetzgeber zu entscheiden."
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.
Der Senat tritt dem Gutachten des Großen Senates des Reichsfinanzhofs vom 27. April 1940 darin bei, daß als Unternehmer des Gewerbebetriebes und damit als Steuerschuldner im Sinne des § 5 Abs. 1 GewStG 1936 die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft und nicht die Kommanditgesellschaft "als solche" anzusehen sind. Damit entfällt die Anwendbarkeit des § 113 AO, der für die persönliche Steuerhaftung der Gesellschafter eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes dort vorschreibt, wo die Gesellschaft "als solche" der Besteuerung unterliegt. Der Kommanditist ist steuerlich in gleicher Weise wie der persönlich haftende Gesellschafter Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes und damit Steuerschuldner und in vollem Umfange Gesamtschuldner für die Gewerbesteuer nach der Bestimmung des § 5 Abs. 1 GewStG 1936 (GewStG 1950 in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 1952, Bundesgesetzblatt I S. 270) in Verbindung mit § 7 Abs. 3 StAnpG. Der Kommanditist kann sich nicht auf die Beschränkung seiner Haftung bis zur Höhe seiner Einlage nach § 171 Abs. 1 HGB berufen.
Wenn der Gesetzgeber in § 4 Satz 1 des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (IHG) vom 7. Januar 1952 (Bundesgesetzblatt I S. 7) den Unternehmer als Aufbringungsschuldner bestimmt und die Unternehmereigenschaft und die Gesamtschuldnerschaft mehrerer Personen, für deren Rechnung das Gewerbe betrieben wird, in § 4 Satz 2 und 3 IHG mit demselben Wortlaut regelt wie in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 GewStG, dann aber im § 4 IHG als Satz 4 hinzufügt "Hinsichtlich der Haftung der Kommanditisten bleibt § 171 Abs. 1 HGB unberührt", so läßt die Nichtaufnahme einer gleichen Bestimmung in das Gesetz zur änderung des Gewerbesteuerrechts vom 27. Dezember 1951 (Bundesgesetzblatt I S. 996) - obwohl § 5 Abs. 2 GewStG 1936 geändert wurde - darauf schließen, daß das uneingeschränkte Einstehen des Kommanditisten für die Gewerbesteuer vom Gesetzgeber gewollt ist. Damit hat der Gesetzgeber die in nationalsozialistischer Zeit im GewStG 1936 getroffene Regelung bestätigt. Es erübrigt sich bei dieser Klarstellung der Rechtslage, auf die weiteren Ausführungen der Bfin. einzugehen.
Die Rb. muß als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408243 |
BStBl III 1955, 294 |
BFHE 1956, 250 |
BFHE 61, 250 |