Leitsatz (amtlich)
Zu den steuerfreien Gelegenheitsgeschenken im Sinne des BFH-Urteils VI 304/65 vom 11. Mai 1966 (BFH 86, 355, BStBl III 1966, 546) können auch Zuwendungen an einen Arbeitnehmer rechnen, die ihm nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit beim Eintritt in den Ruhestand gewährt werden.
Normenkette
EStG 1961 § 19 Nr. 1
Tatbestand
Nach den Feststellungen des FG hat die Revisionsbeklagte einer alten Tradition folgend die während eines Jahres in den Ruhestand getretenen Arbeitnehmer, die mehr als zehn Jahre in der Firma tätig gewesen sind, während einer Weihnachtsfeier verabschiedet und ihnen hierbei Geldgeschenke von 100 DM überreicht, ohne diese nach der Dauer der Tätigkeit der Arbeitnehmer zu staffeln. Das FA rechnete die Geschenke zum steuerpflichtigen Arbeitslohn und forderte die darauf entfallende Lohnsteuer nach. Das FG gab insoweit der Klage statt und setzte dementsprechend die Haftungssumme herab. Es führte aus, zum Wesen des Gelegenheitsgeschenkes gehöre, daß bei ihm nicht der Geldwert des Geschenkes im Vordergrund stehe, sondern der Gedanke, dem Empfänger eine Aufmerksamkeit oder eine Ehrung zuteil werden zu lassen. Dabei müsse hinzukommen, daß die Zuwendung aus besonderem persönlichen Anlaß gewährt werde und nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich und nicht übermäßig sei. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Bei der Pensionierung handele es sich um ein einmaliges Ereignis im Leben der Arbeitnehmer. Daß mit dem Geschenk nicht entlohnt, sondern belohnt werden solle, ergebe sich aus der Überreichung im Rahmen einer Weihnachtsfeier. Der Gedanke einer Ehrung stehe im Vordergrund. Auch die Höhe des Geschenkes halte sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im angemessenen Rahmen. Nach dieser spreche auch nichts gegen den Charakter der Geschenke als Gelegenheitsgeschenke, wenn Barzuwendungen gewährt würden.
Die Revision des FA rügt Verletzung geltenden Rechts. Das FA ist der Auffassung, daß Zuwendungen, die im Zusammenhang mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses stehen, grundsätzlich Arbeitslohn seien und nicht zu den Gelegenheitsgeschenken gehörten. Das FG sei auf diesen Einwand des FA nicht eingegangen. Im Streitfall stünden die Geschenke eindeutig mit der Dauer der für den Arbeitgeber geleisteten Arbeit im Zusammenhang, weil dies maßgeblich für die Entscheidung sei, ob der inzwischen ausgeschiedene Arbeitnehmer die 100 DM bekomme oder nicht. Es erhebe sich auch die Frage, ob die Arbeiter nicht im Hinblick auf die seit der Währungsreform ständig gewährten Abschiedsgeschenke einen Rechtsanspruch auf diese hätten, der die Steuerfreiheit von vornherein ausschließen würde. Die Höhe der Barzuwendungen mit 100 DM entspreche ebenfalls nicht dem Begriff des Gelegenheitsgeschenkes. Nach der Verwaltungsanordnung könnten Geldgeschenke, die an Stelle von sonst üblichen Sachgeschenken bei besonderen Gelegenheiten gegeben würden, nur bis zu einem Betrage von 50 DM steuerfrei bleiben. Die im Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung immer mehr auftretende Übung wirtschaftlich starker Unternehmer, ihren Arbeitnehmern bei allen möglichen Gelegenheiten Geschenke zu übergeben, dürfte nicht zu einer damit verbundenen Ungleichmäßigkeit der Besteuerung führen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß grundsätzlich alle Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die in bezug auf das Arbeitsverhältnis gewährt werden, Arbeitslohn im Sinne der § 19 EStG, § 2 LStDV sind und der Lohnsteuer unterliegen. Dabei ist es unerheblich, ob diese Zuwendungen in Form von Geld- oder Sachleistungen gewährt und als Arbeitslohn ausgewiesen worden sind. Auch als Geschenke bezeichnete Zuwendungen gehören, wovon übrigens auch die Freistellungsregelung des § 5 LStDV ausgeht, zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn sie in bezug auf das Arbeitsverhältnis gegeben wurden. Etwas anderes kann nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, auf die sich auch das FG berufen hat, für sogenannte Gelegenheitsgeschenke gelten. Als solche kommen Zuwendungen in Betracht, bei denen der Gedanke im Vordergrund steht, dem Arbeitnehmer eine persönliche Aufmerksamkeit zu erweisen oder ihn zu ehren, und bei denen deshalb die arbeitsrechtlichen Beziehungen in den Hintergrund treten (vgl. dazu das BFH-Urteil VI R 256/66 vom 22. März 1967, BFH 88, 329, BStBl III 1967, 375, und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kommt danach wesentlich darauf an, daß die Zuwendungen aus einem besonderen persönlichen Anlaß gegeben worden sind. Bei der Abgrenzung solcher steuerfreien Gelegenheitsgeschenke vom steuerpflichtigen Arbeitslohn ist eine allzu enge Auslegung nicht angebracht (BFH-Urteil VI R 256/66, a. a. O.).
Ist danach abzuwägen, welche Erwägungen im Streitfall im Vordergrund gestanden haben, so handelt es sich bei der Frage, ob die im Streitfall gewährten Geldzuwendungen noch als steuerfreie Gelegenheitsgeschenke angesehen werden können oder doch den steuerpflichtigen Lohnzahlungen zuzurechnen sind, um eine dem FG nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zustehende Sachbeurteilung. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an diese gebunden. Das FA hat gegen diese Feststellungen keine begründeten Revisionsgründe vorgetragen.
Die vom FG getroffene Sachbeurteilung steht mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Einklang. Zutreffend hat das FG seine Entscheidung u. a. auf das Urteil des Senats VI 304/65 vom 11. Mai 1966 (BFH 86, 355, BStBl III 1966, 546) gestützt, das Geldzuwendungen bis zu 200 DM, die den Arbeitnehmern aus Anlaß ihrer Silberhochzeit gewährt worden waren, noch als Gelegenheitsgeschenke angesehen hat. Auch hier hat der Senat unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgesprochen, daß übliche Gelegenheitsgeschenke dann vorlägen, wenn sie nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich und übermäßig seien und wenn bei ihnen der Gedanke der Ehrung, nicht aber der einer Entlohnung für geleistete Dienste im Vordergrund stehe. Der Sachverhalt des Streitfalles gibt zu einer anderen Sachbeurteilung keinen Anlaß.
In dem angeführten Urteil VI 304/65 war der Senat dem auch damals vom FA erhobenen Einwand, daß Geldzuwendungen über 50 DM nicht mehr zu den Gelegenheitsgeschenken gerechnet werden könnten, nicht gefolgt. Der Senat hält hieran fest. Es ist zwar zuzugeben, daß der in diesem Urteil enthaltene Hinweis, nach der Rechtsprechung des Senats seien die zweckbestimmten Barzuwendungen den Sachzuwendungen mehr und mehr gleichgestellt worden, die Fälle der vorliegenden Art nicht unmittelbar trifft. Für diese gilt aber, daß, wie in dem Urteil ebenfalls ausgeführt wird, die Entwicklung der Verhältnisse dazu geführt hat, daß die – als Gelegenheitsgeschenke anzuerkennenden – Sachzuwendungen mehr und mehr durch Barzuwendungen verdrängt werden, weil der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer überlassen will, sich die Dinge zu beschaffen, die ihm eine besondere Freude bereiten. Wenn auch die Bedenken des FA hinsichtlich der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht von der Hand zu weisen sind und sich gerade bei Geldgeschenken in aller Regel Zweifel ergeben werden, ob wirklich ein besonderer Anlaß besteht und eine persönliche Ehrung im Vordergrund steht, hält der Senat mit dem FG in dem vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anerkennung eines (nicht zum Arbeitslohn gehörenden) Gelegenheitsgeschenkes doch um deswillen für gegeben, weil die Versetzung in den Ruhestand in der Tat einen zureichenden (einmaligen) Anlaß für die Überreichung eines Geschenks bildet und die Höhe der Barzuwendung sich noch in einem Rahmen hält, daß weniger an eine Entlohnung als vielmehr an eine persönliche Ehrung gedacht sein kann.
Aus diesem Grunde greift auch der weitere Einwand des FA nicht durch, daß die in den Ruhestand tretenden Arbeitnehmer wegen der langjährigen Gewährung derartiger Zuwendungen auf diese einen Rechtsanspruch haben könnten. Geht man mit dem FG davon aus, daß bei der Gewährung der streitigen Zuwendungen der Gedanke der Ehrung, nicht aber der Entlohnung, im Vordergrund gestanden hat, so kann ein Rechtsanspruch nicht in Betracht kommen.
Der Hinweis des FA, daß die Zuwendungen nur solchen Arbeitnehmern gewährt wurden, die vor ihrem Eintritt in den Ruhestand mindestens 10 Jahre im Betrieb tätig waren, steht der Anerkennung der Zuwendungen als Gelegenheitsgeschenk ebenfalls nicht entgegen. Geht man mit dem FG davon aus, daß die Zuwendung anläßlich des Ruhestandes eine Ehrung sein sollte, so konnten für eine solche Ehrung nur die Arbeitnehmer in Betracht kommen, die durch viele Jahre hindurch mit dem Betrieb verbunden waren. Hätten alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihre Betriebszugehörigkeit bei ihrem Ausscheiden derartige Zuwendungen erhalten, so würde dies allerdings dafür sprechen, daß nicht der Gedanke der Ehrung, sondern die Entlohnung für geleistete Arbeit – also das Arbeitsverhältnis – der innere Grund für die Zuwendung gewesen ist. Ein solcher Sachverhalt ist aber im Streitfall gerade nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 557306 |
BStBl II 1969, 116 |
BFHE 1969, 226 |