Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abziehbarkeit von vom Eigentümer an den Nießbraucher weitergeleiteten Mieteinnahmen
Leitsatz (NV)
Überläßt der Nießbrauchsberechtigte die Ausübung des Nießbrauchs dem Eigentümer gegen wiederkehrende Leistungen in Höhe der vereinnahmten Miete, sind diese ,,Aufwendungen" weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben abziehbar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 21 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1982 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Mit Vertrag vom 23. August 1973 erwarb der Kläger zusammen mit seiner Schwester zu je ‹ ein Einfamilienhaus (Kaufpreis 123 000 DM). Gleichzeitig mit Abschluß des Kaufvertrages wurde der im Streitjahr 74jährigen Mutter des Klägers, aus deren Mitteln der Kaufpreis bezahlt worden war, ein bürgerlich-rechtlich wirksames dingliches Nießbrauchsrecht an dem Grundstück eingeräumt. Diese vermietete das Gebäude bis Ende 1981 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die vereinnahmte Miete betrug monatlich 500 DM.
Im Jahr 1977 erwarb der Kläger die seiner Schwester gehörende Hälfte unter Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Belastungen zum Preis von 61 500 DM.
Im Dezember 1981 trafen die Kläger, seine Mutter als Nießbrauchsberechtigte und die Mieter in Ergänzung des Mietvertrages eine Zusatzvereinbarung. Danach trat die Mutter mit Ablauf des 31. Dezember 1981 ,,die Rechte aus dem Mietvertrag an den Kläger ab und schied als Vermieterin aus". Gleichzeitig trat der Kläger als neuer Vermieter in das Mietverhältnis ein und übernahm ab 1. Januar 1982 sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag. Ab Januar 1982 überwiesen die Mieter vereinbarungsgemäß den Mietzins auf ein Konto des Klägers.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wiesen die Kläger die Mieteinnahmen in Höhe von 6000 DM als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aus und machten Werbungskosten von insgesamt 3358 DM geltend. Gleichzeitig begehrten sie den Abzug der an die Mutter des Klägers als Nießbraucherin weitergeleiteten Mietzahlungen als dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25. Februar 1985 verzichtete die Mutter des Klägers schließlich ,,mit Wirkung zum 31. Dezember 1983" auf das Nießbrauchsrecht. Gleichzeitig verpflichtete sich der Kläger ,,mit Wirkung vom 1. Januar 1984 als dauernde Last" an seine Mutter monatlich 500 DM zu bezahlen. Auf die Möglichkeit der Abänderbarkeit der Leistung entsprechend § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wurde hingewiesen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beurteilte die an die Nießbraucherin weitergeleiteten Zahlungen als freiwillige Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG. Er ließ den Betrag von 6000 DM deshalb nicht zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) zu. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen: Das Nießbrauchsverhältnis könne ab 1982 nicht mehr berücksichtigt werden, da die Nießbraucherin sich aufgrund der Zusatzvereinbarung aller Rechte als Vermieterin begeben habe. Es könne offenbleiben, ob die Zusatzvereinbarung ggf. in Verbindung mit einer mündlichen Absprache des Klägers mit seiner Mutter als besonderer Verpflichtungsgrund i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG anzusehen sei oder ob es sich um freiwillige Unterhaltsleistungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG handle. Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folge, seine wiederkehrenden Leistungen seien Gegenleistung für den von seiner Mutter für den Erwerb des Hauses empfangenen Betrag von 61 500 DM, scheitere der Abzug der wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben an der gebotenen Wertverrechnung von Leistung und Gegenleistung. Die Leistungen des Klägers seien als Entgelt für die Kapitalnutzung und eine auf die Lebenszeit der Mutter verteilte Kapitalrückzahlung anzusehen und mit der dafür erhaltenen Gegenleistung der Mutter, der Überlassung des Kapitalbetrages von 61 500 DM, zu verrechnen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts. Im Streitfall handle es sich um eine - mittelbare - Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Der Nießbrauch habe der lebenslänglichen Versorgung der Mutter dienen sollen. Die an die Stelle des Nießbrauchs tretenden wiederkehrenden Leistungen des Klägers dienten demselben Ziel. Bei Vermögensübertragungen gegen Altenteilsleistungen im Wege vorweggenommener Erbfolge sei eine Wertverrechnung nicht zulässig, weil in diesen Fällen nicht Leistung und Gegenleistung ausgetauscht würden. Die Zahlungen seien deshalb entweder als Sonderausgaben oder als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. - Als Verfahrensmangel rügen die Kläger, sie hätten in der mündlichen Verhandlung nur noch den Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht. Dies habe das FG nicht berücksichtigt, sondern sei weiterhin von dem gegenstandslosen Antrag auf Anerkennung von Sonderausgaben ausgegangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
I. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG können als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden ,,die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben". Entgeltlich im Austausch mit einer Gegenleistung übernommene dauernde Lasten können nur insoweit als Sonderausgaben abgezogen werden, als der Wert der wiederkehrenden Leistungen den Wert der Gegenleistung übersteigt; eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last liegt nicht vor, wenn wiederkehrende Leistungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sind (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 unter C. I. 4 d m. w. N.).
Die in § 12 EStG genannten nicht abziehbaren Ausgaben dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit u. a. ,,in § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2 bis 8 EStG" nichts anderes bestimmt ist. Vom Abzugsverbot erfaßt sind u. a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG).
Das FG hat seine Entscheidung, die geltend gemachten Aufwendungen dürften nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, darauf gestützt, sie seien (als Entgelt für die Kapitalnutzung und eine auf die Lebenszeit der Mutter verteilte Kapitalrückzahlung) mit dem Wert der Gegenleistung der Mutter (Überlassung eines Kapitalbetrages in Höhe von 61 500 DM) zu verrechnen. Für diese Beurteilung fehlen in dem angefochtenen Urteil die entsprechenden Feststellungen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Kläger im Einverständnis mit der nach wie vor dinglich nießbrauchsberechtigten Mutter in den bestehenden Mietvertrag eingetreten und hat die vereinnahmte Miete an die Nutzungsberechtigte weitergeleitet. Es ist nicht erkennbar, worauf das FG die Annahme stützt, die Weiterleitung der vom Kläger vereinnahmten Mieten an die Nutzungsberechtigte im Streitjahr 1982 stehe - als Kapitalrückzahlung und Verzinsung - im Zusammenhang mit der Überlassung des Kapitalbetrages zu dem Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück im Jahr 1973.
II. Das FG hat keine Feststellungen über den Inhalt der zwischen dem Kläger und der Nießbrauchsberechtigten im Zusammenhang mit der Übernahme des Mietvertrages abgeschlossenen Vereinbarungen getroffen. Hierauf kommt es jedoch an.
1. Hat die Nießbrauchsberechtigte dem Kläger die Ausübung des Nießbrauchs überlassen und der Kläger, ohne hierzu verpflichtet zu sein, die vereinnahmten Mieten an seine Mutter weitergeleitet, dürfen die Aufwendungen als freiwillige Zuwendungen gemäß § 12 Nr. 2 EStG nicht berücksichtigt werden.
2. Hat der Kläger sich der Nießbrauchsberechtigten gegenüber verpflichtet, für die Zeit, in der ihm die Ausübung des Nießbrauchs überlassen ist, Zahlungen in Höhe der vereinnahmten Mieten an die nießbrauchsberechtigte Mutter zu leisten, kann offenbleiben, ob das bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbarte Nutzungsverhältnis steuerrechtlich anerkannt werden könnte. Wenn diese Anerkennung daran scheiterte, daß es nicht im voraus eindeutig wie zwischen fremden Dritten vereinbart worden ist, hätte dies zur Folge, daß dem Kläger - anders als im angefochtenen Steuerbescheid - keine Mieteinnahmen zugerechnet werden dürften. Die lediglich an die Nießbraucherin weitergeleiteten Mieteinnahmen wären nicht als Aufwendungen des Klägers zu beurteilen, sondern von vornherein der Nießbraucherin zuzurechnen. Auch wenn die Rechtsgestaltung steuerrechtlich zu berücksichtigen wäre, dürfen dem Kläger keine Einkünfte aus der Vermietung des Hauses zugerechnet werden (a). Die Zahlungen sind auch nicht als Sonderausgaben abziehbar (b).
a) Aufwendungen für die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchsrechts können zwar grundsätzlich Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sein. Mangels Überschußerzielungsabsicht dürfen dem Kläger jedoch keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden.
aa) Den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, wer ein Gebäude oder einen Gebäudeteil vermietet, d. h. Träger der Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Mai 1980 VIII R 63/79, BFHE 131, 212, BStBl II 1981, 295; vom 26. April 1983 VIII R 205/80, BFHE 138, 242, BStBl II 1983, 502 unter 3.; vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war die Mutter des Klägers im Streitjahr dinglich Nießbrauchsberechtigte. Die Ausübung eines Nießbrauchs kann nach § 1059 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einem anderen überlassen werden, der auch der Eigentümer sein kann (vgl. z. B. Petzold in Münchener Kommentar zum BGB, § 1059, Rz. 4 m. w. N.). Die Überlassung der Ausübung wirkt nur schuldrechtlich und ändert nicht den Inhalt des Nießbrauchsrechts, das beim Nießbraucher verbleibt. Tritt der Eigentümer aufgrund der Überlassung tatsächlich in das vom Nießbraucher abgeschlossene Mietverhältnis ein und übernimmt - wie im Streitfall der Kläger aufgrund der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom Dezember 1981 - die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis, sind deshalb grundsätzlich ihm die Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks zuzurechnen.
bb) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Darunter fallen alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlaßt sind. Aufwendungen sind dann als durch eine Einkunftsart veranlaßt anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Das auslösende Moment für die Aufwendungen muß der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen sein; andernfalls greifen die von der Rechtsprechung zu § 12 EStG entwickelten Grundsätze ein (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C. II. 2. b, bb; vgl. zu § 21 EStG z. B. BFH-Urteil vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BFHE 160, 440, BStBl II 1990, 775).
Wiederkehrende Zahlungen an den Nießbraucher für die Überlassung der Ausübung eines dinglichen Nießbrauchs an einem Grundstück können, wenn der zur Ausübung Berechtigte selbst das nießbrauchsbelastete Grundstück vermietet, grundsätzliche Werbungskosten bei diesen Vermietungseinkünften sein. Tatsächliche Feststellungen dazu, ob die Zahlungen für die Nutzungsüberlassung versprochen oder - wofür das Revisionsvorbringen des Klägers spricht - für den Unterhalt der Mutter gezahlt worden sind, fehlen. Sind sie Entgelt für die Nutzungsüberlassung, dürfen dem Kläger mangels Überschußerzielungsabsicht keine Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks zugerechnet werden.
cc) Eine einkommensteuerlich relevante Betätigung oder Vermögensnutzung gemäß § 2 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG liegt nur vor, wenn die Absicht besteht, auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766; zu Vermietungseinkünften vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1988 III R 41/85, BFHE 153, 374, BStBl II 1988, 778). Maßgebend ist dabei, wie sich die Verhältnisse aus der Sicht des an objektiven Gegebenheiten orientierten Steuerpflichtigen dargestellt haben (BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289). Kann unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt werden, hat der Steuerpflichtige offensichtlich keine dahingehende Absicht.
Hat sich der Kläger seiner Mutter gegenüber verpflichtet, dafür, daß ihm die Ausübung des Nießbrauchs überlassen wird, Zahlungen in Höhe der vereinnahmten Miete zu leisten, kann die Vermietung des Grundstücks unter keinem Gesichtspunkt zu einem positiven Ergebnis führen.
b) Die Zahlungen an die Nießbrauchsberechtigte dürfen, auch wenn ein Abzug als Werbungskosten nicht in Betracht kommt, nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abgezogen werden, weil sie ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Entgelt für die Nutzungsüberlassung sind (BFHE 165, 225, 234, BStBl II 1992, 78; Senatsurteil vom 24. Oktober 1990 X R 43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175, betr. Erbbauzinsen).
3. Offenbleiben kann, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ablösung eines Nießbrauchsrechts gegen wiederkehrende Leistungen als Vermögensübergabe gegen steuerlich anzuerkennende dauernde Last beurteilt werden kann, denn der Nießbrauch ist nicht im Streitjahr, sondern erst durch Vertrag vom 25. Februar 1985 abgelöst worden.
III. Die Sache wird zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 64061 |
BFH/NV 1992, 807 |