Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erhöhten Absetzungen für Asylantenwohnheim
Leitsatz (NV)
1. Eine Gemeinschaftsunterkunft, in der einzelne Plätze zur fremdbestimmten Unterbringung zur Verfügung gestellt und weitere Dienstleistungen erbracht werden (hier: Asylantenwohnheim), erfüllt nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des §7c Abs. 4 EStG.
2. Bei Steuerbegünstigungsvorschriften ist der Begünstigungszweck Maßstab der teleologischen Auslegung.
Normenkette
EStG § 7c Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. 1990 erwarb die Klägerin ein bebautes Grundstück. 1992 baute sie das vom Voreigentümer als Fitneßcenter genutzte Gebäude zu einem Asylantenwohnheim um.
Das Gebäude hat fünf Wohnungen unterschiedlicher Größe. Drei Wohnungen sind ca. 50 qm groß, während die anderen beiden Wohnungen ca. 80 qm groß sind. Alle Wohnungen verfügen über Küche, Dusche, WC und jeweils Doppelzimmer bzw. Einzelzimmer. Die Größe der Doppelzimmer liegt zwischen 13 und 20 qm. Laut Bauantrag kann das Asylantenwohnheim mit insgesamt 32 Personen belegt werden.
1993 vermietete die Klägerin das Gebäude als "Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge" mit insgesamt 33 Plätzen an den Landkreis L. Nach §1 des Vertrages ist Mietgegenstand "eine Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge" mit 33 Plätzen. Die Belegung wird durch die Mitarbeiter des Sozialamts (Abt. Asylantenbetreuung) vorgenommen. Die Klägerin stellt Mobiliar, Haushaltseinrichtung, Waschmaschinen und Bettwäsche zur Ver fügung und übernimmt Hausmeistertätigkeiten. Nach §3 des Mietvertrages erhält die Vermieterin für die Gewährung von Unterkunft i. S. von §1 des Vertrages ein monatliches Entgelt in Höhe von ... DM. Das monatliche Entgelt erhöht sich um ... DM, wenn 21 Plätze belegt sind. Darüber hinaus erhöht sich das monatliche Entgelt um ... DM je Tag für jede weitere Person, die zusätzlich untergebracht ist.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1992 beantragte die Klägerin für Umbaumaßnahmen an dem als Asylantenwohnheim genutzten Objekt die erhöhten Absetzungen nach §7c des Einkommensteuergesetzes (EStG).
In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Gewährung der erhöhten Absetzungen nach §7c EStG ab, da das Gebäude nur der vorübergehenden Beherbergung von Personen diene und somit das Tatbestandsmerkmal der Nutzung zu fremden Wohnzwecken nicht gegeben sei.
Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) abwies (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 740). Die entgeltliche Überlassung des Gebäudes -- Vermietung von Wohnräumen sowie die Verpflichtung zu weiteren Dienstleistungen -- an den Landkreis als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sei keine Nutzung zu fremden Wohnzweken i. S. von §7c Abs. 4 EStG. Dies setze voraus, daß die Wohnungen dem freien Wohnungsmarkt zur Verfügung gestanden hätten. Eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber erfülle diese Voraussetzung nicht. Auch fände durch die Belegung der Wohnung mit Asylanten keine Entlastung des Wohnungsmarktes statt, da diese während des Asylverfahrens entsprechend den asylrechtlichen Regelungen von vornherein keinen Zutritt zum freien Wohnungsmarkt hätten. Zudem erfülle die zwangsweise Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht den Tatbestand des Wohnens i. S. des §7c Abs. 4 EStG. Die Asylbewerber befänden sich im Verhältnis zum Landkreis in einem öffentlich- rechtlichen Sonderverhältnis. Aus der rechtlich jederzeit möglichen Änderung der konkret zugewiesenen Plätze durch Umlegung bzw. auch bei Überbelegung folge eine Fremdbestimmung des Aufenthalts, die mit einer dem Wohnen innewohnenden Eigengestaltung des häuslichen Lebens nicht vereinbar sei.
Mit der Revision rügen die Kläger eine Verletzung von §7c EStG.
Die Auslegung durch das FG widerspreche dem historischen Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzesbegründung lasse sich nicht entnehmen, daß ein "zur Verfügungstehen der Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt" und "ein Bewohnen der jeweiligen Wohnung unter Berücksichtigung einer dem Wohnen innewohnenden Eigengestaltung des häuslichen Lebens (sog. rechtliche Absicherung des Wohnraums)" erforderlich sei, um die Voraussetzungen des §7c Abs. 4 EStG zu bejahen.
Der Gesetzeszweck der Norm bestehe darin, den Wohnungsmarkt durch Schaffung neuer Mietwohnungen zu entlasten, was die Kläger mit der Herstellung der fünf abgeschlossenen Mietwohnungen erfüllten. Da es dem Gesetzgeber allein darum gegangen sei, einen akuten Fehlbedarf an Wohnungen zu verringern, sei es unschädlich, daß die Kläger einen Vertrag über die Nutzung des Gebäudes als Sammelunterkunft für Asylanten und Übersiedler abgeschlossen und die Wohnungen dem freien Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Im übrigen hätte die Klägerin den freien Wohnungsmarkt entlastet. Da dem Landkreis dieser Wohnraum zur Verfügung gestellt werden konnte, entfiele für diesen die Notwendigkeit, anderweitig Wohnraum anzumieten und somit das Angebot am Wohnungsmarkt zu verknappen.
Die Kläger beantragen, das Urteil des Hessischen FG vom 11. Dezember 1995 1 K 3615/94 und die Einspruchsentscheidung vom ... aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Bescheides vom ... unter Berücksichtigung der erhöhten Absetzungen nach §7c EStG in Höhe von ... DM entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des §7c EStG seien nicht erfüllt. Insbesondere fehle es an dem Begriff des "Wohnens" bzw. der Wohnung i. S. von §7c Abs. 2 und Abs. 4 EStG. Es würden nicht einzelne Wohnungen vermietet, sondern ein ganzes Gebäude. Es handele sich um eine typische Gemeinschaftsunterkunft, die lediglich einer Unterbringung diene.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet; sie ist zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Recht die erhöhten Absetzungen gemäß §7c EStG versagt.
Die erhöhten Absetzungen des §7c EStG für Wohnungen, die durch Baumaßnahmen an Gebäuden im Inland hergestellt worden sind, können gemäß §7c Abs. 4 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn die Wohnung vom Zeitpunkt der Fertigstellung bis zum Ende des Begünstigungszeitraums fremden Wohnzwecken dient. Die Nutzung zu fremden Wohnzwecken i. S. des §7c Abs. 4 EStG setzt voraus, daß eine Wohnung anderen als dem Steuerpflichtigen dauerhaft überlassen wird. Eine Gemeinschaftsunterkunft, in der einzelne Plätze zur fremdbestimmten Unterbringung zur Verfügung gestellt und weitere Dienstleistungen erbracht werden, dient nicht fremden Wohnzwecken i. S. des §7c Abs. 4 EStG.
a) Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille maßgebend, so, wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (Urteil des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312; Beschluß des BVerfG vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 130; Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. März 1992 IX R 55/90, BFHE 167, 405, BStBl II 1993, 17; vom 7. Mai 1987 IV R 150/84, BFHE 150, 130, BStBl II 1987, 670; vom 21. Oktober 1969 II 210/65, BFHE 97, 147, 149, BStBl II 1969, 736, und vom 28. Juli 1975 VI R 217/72, BFHE 116, 376, 377, BStBl II 1975, 824). Dabei sind Steuerbegünstigungsvorschriften, zu denen §7c EStG zählt, nicht unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Förderung auszulegen. Zwar sind diese Regelungen nicht buchstäblich eng auszulegen (Urteile des BFH in BFHE 150, 130, BStBl II 1987, 670; vom 23. März 1983 II R 213/81, BFHE 138, 471, BStBl II 1983, 604); entscheidend ist, daß aus dem Gesetz heraus belegt werden kann, daß der Gesetzgeber den zur Entscheidung anstehenden Lebenssachverhalt begünstigen wollte (Urteile des BFH vom 20. März 1984 IX R 104/82, BFHE 141, 241, BStBl II 1984, 659; vom 25. Juni 1987 V R 47/79, BFH/NV 1987, 744; vom 28. August 1986 V R 20/79, BFHE 148, 194, BStBl II 1987, 162; in BFHE 138, 471, BStBl II 1983, 604). Der die Steuerbegünstigung prägende Begünstigungszweck ist Maßstab der teleologischen Auslegung.
b) Danach dient jedenfalls im vorliegenden Fall die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht Wohnzwecken i. S. des §7c Abs. 4 EStG.§
7c EStG soll Baumaßnahmen begünstigen, durch die Mietwohnungen geschaffen werden. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift dieser Vorschrift, wonach "Erhöhte Absetzungen für Baumaßnahmen an Gebäuden zur Schaffung neuer Mietwohnungen" geregelt werden. Es soll nicht allgemein die Schaffung von Wohnraum, sondern gezielt der Mietwohnungsbau gefördert werden. Steuerlich begünstigt werden nach §7c Abs. 4 EStG Wohnungen, die diesem Zweck dienen. Es genügt daher nicht, daß eine Wohnung als Wohnraum dient.
Dieser Gesetzeszweck wird durch die Entstehungsgeschichte des §7c EStG verdeutlicht. Durch §7c EStG sollte ein Anreiz geschaffen werden, vorhandene Gebäudeflächen durch Aus- und Umbaumaßnahmen mit verhältnismäßig geringem Aufwand in zusätzliche, abgeschlossene Mietwohnungen umzuwandeln (BTDrucks 11/5680, S. 9). Die erhöhten Absetzungen sollen nach der Begründung des Gesetzentwurfs zu §7c Abs. 4 nur in Anspruch genommen werden, "wenn die Wohnungen auf Dauer zur Vermietung bestimmt sind. Sie sind deshalb unzulässig, wenn die Wohnung im Jahr der Fertigstellung oder in einem der folgenden vier Jahre eigenen Wohnzwecken oder betrieblichen Zwecken dient oder zur kurzfristigen Vermietung genutzt wird" (BTDrucks 11/5680, S. 11f.).
c) Die Kläger haben danach keinen Anspruch auf erhöhte Absetzungen gemäß §7c EStG. Zwar ist durch die Baumaßnahme der Klägerin Wohnraum geschaffen worden, der den Asylbewerbern während ihres Aufenthalts zum Wohnen dient. Die Wohnungen werden jedoch nicht einzelnen Personen oder Familien zur dauerhaften Nutzung überlassen; es werden vielmehr einzelne Plätze in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung gestellt und weitere Dienstleistungen erbracht. Gegenstand des Mietvertrages mit dem Kreisausschuß des Landkreises L sind nicht einzelne Wohnungen, sondern eine Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge mit 33 Plätzen. Diese werden durch Mitarbeiter des Landkreises belegt. Eine solche Nutzung entspricht nicht dem Begünstigungszweck des §7c EStG.
Die einzelnen Regelungen des Vertrages mit dem Landkreis verdeutlichen, daß die Klägerin einzelne Wohnraumplätze zur Verfügung gestellt hat.
So richtet sich die Miethöhe nicht nach der Größe der überlassenen Wohnungen, sondern ausschließlich nach der Belegung der einzelnen Plätze der Gemeinschaftsunterkunft. Die Klägerin erhält nach §3 des Vertrages ein monatliches Entgelt in Höhe von ... DM inkl. aller Nebenkosten. Dieses Entgelt erhöht sich um ... DM, wenn 21 Plätze belegt sind, und um ... DM je Tag für jede weitere Person. Der Berechnung des monatlichen Mindestentgeltes in Höhe von ... DM für die Unterbringung von 20 Personen liegt ebenfalls ein Tagessatz von ... DM pro Person zugrunde.
Darüber hinaus hat die Klägerin in dem Vertrag weitere Verpflichtungen übernommen, die auf die speziellen Anforderungen einer fremdbestimmten Unterbringung einzelner Personen ausgerichtet sind. Sie stellt Mobiliar, Kochgelegenheiten, Kühlschränke, Eßbestecke, Teller, Töpfe und Pfannen in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Des weiteren stellt sie Waschmaschinen auf und gestattet deren Benutzung durch die untergebrachten Bewohner. Gemäß §4 des Vertrages werden die für die Reinigung des Hauses benötigten Materialien sowie Bettwäsche zur Verfügung gestellt. Nach §6 des Vertrages ist der Kreisausschuß des Landkreises über alle außergewöhnlichen Vorfälle zu unterrichten. Des weiteren übernimmt die Vermieterin eine Hausmeister tätigkeit.
Die Gemeinschaftsunterkunft ist auch entsprechend diesen Vorgaben genutzt worden. Der Landkreis hat zwar entsprechend seiner Verpflichtung, neben dem öffentlichen Interesse auch die Belange der Ausländer zu berücksichtigen (vgl. §53 Abs. 1 Satz 2 des Asylverfahrensgesetzes), in der Mehrzahl der Wohnungen Familien untergebracht, die dort aufgrund der Dauer des Asylverfahrens über einen langen Zeitraum wohnen. Gleichwohl hat der Landkreis einzelne Plätze einer Gemeinschaftsunterkunft in Anspruch genommen und diese den Asylbewerbern zugewiesen.
d) Nach alledem erfüllen die Wohnungen der Klägerin nicht die Begünstigungsvoraussetzungen des §7c Abs. 4 EStG. Die Klage gegen den angefochtenen Bescheid ist damit vom FG zu Recht abgewiesen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 66978 |
BFH/NV 1998, 155 |
HFR 1998, 96 |