Leitsatz (amtlich)
Auch bei einem kleineren Bauunternehmen liegt die Geschäftsleitung dort, wo die Entscheidungen getroffen werden, die den Anweisungen an der einzelnen Baustelle übergeordnet sind.
Normenkette
AO § 73 Abs. 2, § 72 Nr. 2a; StAnpG §§ 15-16; GewStG §§ 26-27
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Bauunternehmen. Sie hat ihren Sitz in O. Geschäftsführer ist X in B. Er ist am Stammkapital der Klägerin von 20 000 DM mit 19 000 DM beteiligt.
Auf Antrag der Stadtgemeinde B setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt B - FA -) die Steuermeßbeträge nach der Lohnsumme für die Jahre 1966 bis 1971 fest. Das FA vertrat die Auffassung, die Betriebstätte der Klägerin sei in B.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1975, 384, veröffentlicht ist, hat ausgeführt, zuständig zur Festsetzung des Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme sei das Betriebs-FA, d. h. das FA, in dessen Bezirk sich die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens befinde. Die geschäftliche Oberleitung befinde sich im Streitfall in B. Das beklagte FA sei daher als Betriebs-FA für die Festsetzung der Steuermeßbeträge nach der Lohnsumme örtlich zuständig gewesen.
Gegen die Höhe der Steuermeßbeträge habe die Klägerin keine Einwendungen geltend gemacht. Es bestünden keine Bedenken, die bei der Betriebsprüfung ermittelten Besteuerungsgrundlagen anzuerkennen.
Die Anträge der Gemeinde auf Festsetzung der Steuermeßbeträge nach der Lohnsumme für die Streitjahre 1970 und 1971 seien innerhalb der ersten sechs Monate nach Ablauf des Rechnungsjahres und somit rechtzeitig eingegangen. Auch für die übrigen Streitjahre seien die Steuermeßbeträge nach der Lohnsumme auf Antrag der Gemeinde festzusetzen, weil es die Klägerin schuldhaft unterlassen habe, die Erklärungen über die Berechnungsgrundlagen fristgerecht einzureichen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der Verletzung des § 1 StAnpG, § 4 GewStG, § 73 AO gerügt wird.
Die Klägerin läßt vortragen, sie beschäftige fünf bis zehn Arbeitnehmer und gehöre damit zum kleinhandwerklichen Bereich. Sie habe unstreitig einen Lagerplatz mit Büroraum in O. Bei dem kleinen Zuschnitt des Unternehmens sei zur Charakterisierung der Betriebstätte nichts weiter erforderlich. Feststellungen darüber, daß für diese Betriebstätte auch noch die Einrichtung eines ständig arbeitenden kaufmännischen Zweigs erforderlich sei, fehlten. Daher sei es bedeutungslos, wo sich die Buchführungsunterlagen befänden. Auch das zeitweilige Fehlen eines Telefonanschlusses in O nehme der Einrichtung der Klägerin in O, weil es sich um ein kleines Bauunternehmen handle, nicht den Charakter einer Betriebstätte.
Die Klägerin habe es nicht schuldhaft unterlassen, Erklärungen zur Festsetzung des Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme abzugeben. Ihr sei eine Zuständigkeit des FA B nicht bekannt gewesen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen. Dieser lautet: Die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Lohnsummensteuermeßbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß das FA B zur Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge nach der Lohnsumme zuständig ist (§ 73 Abs. 2 AO). Das FG hat aber keine Entscheidung darüber getroffen, ob in B auch die Betriebstätte der Klägerin lag, der die Arbeitnehmer der Klägerin zuzurechnen sind (§§ 4, 23, 24, 27 GewStG).
1. Zuständig zur Festsetzung des Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme ist das Betriebs-FA, d. h. das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet (§ 73 Abs. 2, § 72 Nr. 2 a AO). Geschäftsleitung i. S. dieser Vorschriften ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 15 Abs. 1 StAnpG). Die Einwendungen der Klägerin gegen die Auffassung des FG, die Geschäftsleitung der Klägerin habe sich in B befunden, sind nicht begründet. Es mag richtig sein, daß bei einem kleinen Bauunternehmen die Bauleistungen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die kaufmännischen Leistungen überragen. Das schließt aber nicht aus, daß auch ein kleines Bauunternehmen einer geschäftlichen Oberleitung bedarf, auf die § 15 Abs. 1 StAnpG abstellt. Auch in einem kleinen Bauunternehmen sind Entscheidungen zu treffen, die den vielfältigen Anweisungen an der einzelnen Baustelle übergeordnet sind. Vorbereitende Gespräche mit den Bauherren, Ausarbeitung von Leistungsverzeichnissen, Aufstellung von Rechnungen, allgemeine Entscheidungen über die Einstellung von Arbeitnehmern und die Beschaffung und den Einsatz von Baumaschinen sind nur Beispiele für Maßnahmen der geschäftlichen Oberleitung, wie sie auch bei einem kleinen Bauunternehmen erforderlich sind.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, gegen die keine begründeten Revisionsrügen vorgebracht und die daher für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist der Schluß gerechtfertigt, daß sich die geschäftsleitende Tätigkeit der Klägerin in B vollzogen hat. Die Wohnung in B war der geeignete Ort für persönliche Gespräche geschäftlicher Art. Dort wurden auch die geschäftlichen Telefongespräche geführt. In B ging die Geschäftspost ein und wurde von dort aus beantwortet. In B wurde die Buchhaltung geführt, woraus das FG mit Recht schließt, daß dort auch der Jahresabschluß aufgestellt wurde, wie es Pflicht eines Geschäftsführers ist (§ 41 GmbHG).
2. Damit ist zugleich entschieden, daß sich in B auch eine Betriebstätte der Klägerin befunden hat (§ 16 Abs. 1, 2 Nr. 1 StAnpG). Zweifelhaft aber und vom FG nicht entschieden ist, ob sich nicht auch in O eine Betriebstätte der Klägerin befand (vgl. § 16 StAnpG) und welcher Betriebstätte die Arbeitnehmer der Klägerin zuzurechnen sind. Nur soweit die Arbeitnehmer der Klägerin Arbeitnehmer der Betriebstätte in B waren, war die Stadtgemeinde B zur Stellung eines Antrags auf Festsetzung des Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme zuständig (§§ 4, 27 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Nur die Löhne dieser Arbeitnehmer durften bei der Festsetzung des Steuermeßbetrags nach der Lohnsumme für die in B gelegene Betriebstätte berücksichtigt werden (§§ 23, 24 GewStG; Beschluß des BFH vom 22. November 1955 I B 43/55 U, BFHE 62, 115, BStBl III 1956, 44).
Da das FG über diese Fragen noch nicht entschieden hat, geht die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
3. Stellt sich bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung heraus, daß die Arbeitnehmer der Klägerin oder einzelne von ihnen zur Betriebstätte in O gehören, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Stellt sich heraus, daß Arbeitnehmer der Klägerin zur Betriebstätte in B gehören, bestehen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Steuermeßbeträge nach der Lohnsumme für die Streitjahre 1966 bis 1969. Ein Verschulden der Klägerin an der Nichtabgabe von Erklärungen über die Berechnungsgrundlagen (§ 26 Satz 3, § 27 Abs. 2 Satz 2 GewStG) erscheint zweifelhaft, wenn die Gemeinde O keine Lohnsummensteuer erhebt, eine Frage, die das FG prüfen wird. Denn die Klägerin könnte ohne Verschulden angenommen haben, daß die Gemeinde O zuständig sei.
Fundstellen
Haufe-Index 72487 |
BStBl II 1977, 857 |
BFHE 1978, 188 |