Leitsatz (amtlich)
§ 28 EStG verstößt nicht gegen das GG.
Normenkette
EStG § 28
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1956 bis 1960 der Erblasserin, der Mutter der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ob ihr allein gemäß § 28 EStG Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind.
Die am 22. Dezember 1962 verstorbene Erblasserin lebte in den Jahren 1956 bis 1960 mit den Klägern im Güterstand der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Zum Gesamtgut gehörte ein landwirtschaftlicher Besitz, der von der Erblasserin und den Klägern gemeinsam bewirtschaftet wurde. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung im Oktober 1961 berichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) die rechtskräftigen Veranlagungen 1956 bis 1959 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO und veranlagte 1960 erstmalig. Das FA rechnete außer (wie bisher) den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinsen für den Verkaufserlös eines ehemals zum Gesamtgut gehörenden Grundstücks, die das FA als Zinsen eines Surrogats für ein aus dem Gesamtgut ausgeschiedenes Vermögensstück ansah) gemäß § 28 EStG allein der Erblasserin zu.
Mit dem Einspruch rügte die Erblasserin die Veranlagung gemäß § 28 EStG. Sie beantragte, die an der fortgesetzten Gütergemeinschaft Beteiligten, die wie Ehegatten zu behandeln seien, nach dem Splitting-Verfahren zu besteuern und die Sonderausgaben als solche der fiktiven Ehegatten steuerlich anzuerkennen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage beantragten die Kläger als Rechtsnachfolger ihrer inzwischen verstorbenen Mutter, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Kapitalvermögen im Verhältnis 1/2 zu 1/4 zu 1/4 aufzuteilen. Sie trugen vor, § 28 EStG verstoße gegen Art 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, weil bei fortgesetzter Gütergemeinschaft dem überlebenden Ehegatten Einkünfte zugerechnet würden, über die er nicht voll verfügungsberechtigt sei. Halte man die Vorschrift mit dem Urteil des BFH vom 13. Mai 1966 VI 238/64 (BFHE 86, 357, BStBl III 1966, 505) als Ausnahmevorschrift für verfassungskonform, so könne sie deshalb nicht angewandt werden, weil sie, die Kläger, mit der Erblasserin im Innenverhältnis darüber einig gewesen seien, daß jedem Beteiligten die Einkünfte entsprechend seiner Beteiligung am Gesamtgut zuständen.
Das FG wies die Klage ab und führte aus: § 28 EStG schließe eine Aufteilung der Einkünfte aus. Die Vorschrift verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Der BFH habe im Urteil vom 10. November 1967 III 98/64 (BFHE 91, 56, BStBl II 1968, 170) entschieden, daß § 76 BewG a. F., nach dem das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft dem unbeschränkt steuerpflichtigen überlebenden Ehegatten zuzurechnen sei, nicht gegen das Grundgesetz verstoße. Der Senat schließe sich diesen Ausführungen an, die auch für § 28 EStG gelten müßten, der für die Ertragsteuern dieselben Folgerungen ziehe wie § 76 BewG a. F. für das Bewertungsrecht. Die Kläger gingen zu Unrecht davon aus, § 28 EStG könne nicht angewendet werden, weil sie mit der Erblasserin andere steuerlich zu beachtende Abreden getroffen hätten. Zwar sei der BFH in der Entscheidung VI 238/64 davon ausgegangen, daß § 28 EStG als Ausnahmevorschrift nicht eingreife, wenn die Gütergemeinschaft im Innenverhältnis nicht fortgesetzt werde und der überlebende Ehegatte mit den Kindern die Aufteilung der Einkünfte vereinbare. An derartigen eindeutigen und durchgeführten Vereinbarungen fehle es hier. Die Kläger und die Erblasserin seien bis Ende 1959 davon ausgegangen, daß der früher als Erbhof behandelte landwirtschaftliche Betrieb nach dem Tode des Ehemannes im Jahre 1934 auf Grund der damaligen Rechtslage auf die Erblasserin als Anerbin übergegangen und nicht in das Gesamtgut gefallen sei. Erst durch die Mitteilung des Bezirksnotariats H vom 17. Dezember 1959 hätten die Kläger und die Erblasserin davon erfahren, daß nach der Aufhebung der Erbhofgesetze der Eintrag im Grundbuch unrichtig geworden und der bisher der Erblasserin allein gehörende landwirtschaftliche Betrieb in das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gefallen sei. Hiermit im Einklang stehe das Schreiben des Bevollmächtigten der Erblasserin an das FA vom 16. März 1960, wonach sich erst am 17. Dezember 1959 herausgestellt habe, daß der landwirtschaftliche Betrieb in fortgesetzter Gütergemeinschaft bewirtschaftet worden sei und infolgedessen das abgabepflichtige Vermögen zum 21. Juni 1948 neu festgesetzt werden müsse. Dieser zeitliche Ablauf zeige, daß sich die Kläger mit der Erblasserin über eine Beteiligung nicht einig gewesen seien. Darüber hinaus seien auch, was von den Klägern nicht bestritten werde, die bilanzmäßigen Folgerungen nicht gezogen worden; für die Kläger seien keine getrennten Kapitalkonten geführt worden. Daran ändere auch der Gesellschaftsvertrag vom 8. September 1960 nichts. § 4 dieses Vertrages sei im Gegenteil zu entnehmen, daß das Anfangsvermögen der Gesellschaft am 1. Juli 1960 dem Endvermögen "des bisherigen landwirtschaftlichen Betriebs von Frau X per 30. Juni 1960" entsprechen solle. In derselben Richtung liege auch § 9 des Vertrages, wonach der Vertrag die schriftliche Niederlegung eines seit 1. Juli 1960 bestehenden Zustandes sei. Von einer ertragsteuerlichen beachtlichen Vereinbarung für die Streitjahre 1956 bis 1959 könne sonach keine Rede sein. Dasselbe gelte auch für 1960. Der Gesellschaftsvertrag vom 8. September 1960, der ab Wirtschaftsjahr 1960/61 habe gelten sollen, sei vom FA steuerlich nicht anerkannt worden. Er sei auch von der Erblasserin und von den Klägern nicht vollzogen worden. Dies folge aus der Bilanz zum 30. Juni 1961, nach der der gesamte Gewinn der Erblasserin zugerechnet worden sei, sowie aus der Bilanz auf den 30. Juni 1962, in der für die Kläger für das Wirtschaftsjahr 1961/62 lediglich Tätigkeitsvergütungen, aber keine Gewinnanteile enthalten seien.
Mit der Revision beantragen die Kläger, das FA anzuweisen, die Einkommensteuerveranlagungen 1956 bis 1960 unter Aufteilung der Einkünfte im Verhältnis 1/2 zu 1/4 zu 1/4 auf die Erblasserin und die Kläger durchzuführen. Zur Begründung führen sie aus, es sei richtig, daß nach dem BFH-Urteil III 98/64 § 76 BewG a. F. nicht gegen das Grundgesetz verstoße. Gegen das Urteil sei Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Der Ansicht des FG, daß auch § 28 EStG dem Grundgesetz entspreche, weil für seine Verfassungsmäßigkeit die gleichen Gründe sprächen wie für die des § 76 BewG a. F., könne nicht gefolgt werden. Die Unterschiede in der Wirkung zwischen der Vermögensteuer und der Einkommensteuer seien so schwerwiegend, daß die Begründung für die Verfassungsmäßigkeit des § 76 BewG a. F. nicht für § 28 EStG übernommen werden könne. Der BFH habe bereits in seinem Urteil VI 238/64 festgestellt, daß die Beteiligung der Abkömmlinge am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft auch steuerlich - d. h. einkommensteuerlich - anzuerkennen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der Antrag der Kläger, das FA anzuweisen, die Einkommensteuerveranlagungen unter Aufteilung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus Kapitalvermögen durchzuführen, kann keinen Erfolg haben. Die beantragte Aufteilung des land- und forstwirtschaftlichen Gewinns setzt eine einheitliche Gewinnfeststellung gemäß § 215 Abs. 2 Nr. 1 AO voraus (vgl. für die Beteiligung von Ehegatten am Gesamtgut das BFH-Gutachten vom 18. Februar 1959 VI D 1/58 S. BFHE 69, 5, BStBl III 1959, 263), und für diese wäre wiederum Voraussetzung, daß an den Einkünften mehrere beteiligt wären. Das ist aber nicht der Fall, weil nach § 28 EStG die in das Gesamtgut fallenden Einkünfte allein dem überlebenden Ehegatten zuzurechnen sind.
§ 28 EStG verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz; er ist im Streitfall für die Zurechnung der Einkünfte sowohl aus Land- und Forstwirtschaft als auch aus Kapitalvermögen anwendbar.
Auf die Verfassungsbeschwerde der Kläger gegen das die Vermögensteuer der Erblasserin betreffende BFH-Urteil III 98/64 hat das BVerfG durch Beschluß vom 16. Dezember 1970 1 BvR 210/68, (BVerfGE 30, 59, BStBl II 1971, 381) entschieden, es verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, daß bei der Vermögensteuerveranlagung das ganze Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft dem Vermögen des unbeschränkt steuerpflichtigen überlebenden Ehegatten zugerechnet werde (§ 76 BewG 1934).
Entgegen der Ansicht der Kläger sprechen die Gründe, die das BVerfG für die Verfassungsmäßigkeit des § 76 BewG a. F. herausgestellt hat, auch für die Verfassungsmäßigkeit des § 28 EStG. Eine Unvergleichbarkeit der Vorschriften ergibt sich insbesondere nicht daraus, daß § 28 EStG als Zurechnungsvorschrift des Einkommensteuerrechts den überlebenden Ehegatten u. U. finanziell weit stärker belastet als § 76 BewG a. F. Die verfassungsrechtliche Problematik besteht sowohl bei § 76 BewG a. F. als auch bei § 28 EStG darin, daß in einer fortgesetzten Gütergemeinschaft dem überlebenden Ehegatten Vermögen und Einkünfte des Gesamtguts zugerechnet werden, wodurch er die darauf entfallenden Vermögen- bzw. Einkommensteuern allein tragen muß, obwohl bürgerlich-rechtlich auch die gemeinsamen Abkömmlinge am Gesamtgut beteiligt sind (vgl. §§ 1495 ff. BGB). Dadurch ergibt sich nicht nur ein Widerspruch zu § 11 Abs. 5 StAnpG bzw. zu § 215 AO, sondern es ergibt sich auch eine insgesamt höhere Steuerbelastung, als wenn Vermögen oder Einkünfte auf mehrere Personen aufgeteilt würden. Denn entweder (bei § 76 BewG a. F.) können sich die im Gesetz vorgesehenen Freibeträge und Freigrenzen nur einmal auswirken (vgl. dazu BVerfG-Urteil vom 21. Februar 1961 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60, BStBl I 1961, 55) oder es erhöhen sich infolge des höheren Einkommens auch die Steuersätze (vgl. dazu BVerfG-Urteil vom 17. Januar 1957 1 BvL 4/54, BStBl I 1957, 193).
Die Regelung des § 76 BewG a. F. hat das BVerfG hinsichtlich des Art. 3 Abs. 1 GG mit der eindeutig beherrschenden Stellung des überlebenden Ehegatten in der fortgesetzten Gütergemeinschaft begründet. Keine der anderen Gesamthandsgemeinschaften kenne in der gesetzlichen Ausgestaltung eine so eindeutig beherrschende Stellung eines Anteilsberechtigten. Eine systemwidrige Durchbrechung der zivilrechtlichen Ordnung, die einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bilden könne, sei in § 76 BewG a. F. nicht zu sehen. Art. 6 Abs. 1 GG sei deswegen nicht verletzt, weil es vergleichbare Gesamthandsgemeinschaften außerhalb des Familienrechts nicht gebe. Die gleichen Überlegungen sprechen für die Verfassungsmäßigkeit des § 28 EStG. Nicht nur die auch vom BVerfG hervorgehobene vermögensrechtliche Sonderstellung des überlebenden Ehegatten in der fortgesetzten Gütergemeinschaft rechtfertigt es, Einkünfte, die in das Gesamtgut fallen - etwa Gewinn aus einem zum Gesamtgut gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb - dem überlebenden Ehegatten zuzurechnen, sondern insbesondere das dem überlebenden Ehegatten allein zustehende Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§§ 1487 Abs. 1 BGB i. V. mit § 1443 BGB a. F. bzw. § 1422 BGB n. F.).
Die Anwendbarkeit des § 28 EStG wurde gelegentlich verneint, wenn die fortgesetzte Gütergemeinschaft intern nicht mehr als existent behandelt wurde und wenn die an ihr Beteiligten sich über eine Aufteilung der Einkünfte einig waren (vgl. Urteile des RFH vom 19. November 1936 VI A 822/36, RStBl 1937, 96 und des BFH VI 238/64). Dazu hat das FG festgestellt, daß auch im Innenverhältnis eine Verteilung des landwirtschaftlichen Gewinns oder der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht vereinbart gewesen sei. Diese Feststellung des FG ist nicht zu beanstanden, zumal die Kläger bis 1959 nach eigenem Vorbringen noch der Meinung waren, die Erblasserin sei Alleineigentümerin des landwirtschaftlichen Betriebs gewesen. Dieser Zustand sollte, wie sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, erst mit Wirkung vom 1. Juli 1960 geändert werden. Er wurde aber nicht geändert, wie das FG, dem FA folgend, feststellte. Von einer internen Regelung, die eine Beteiligung der Kläger an den Einkünften vorsah, kann also nicht gesprochen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 70497 |
BStBl II 1973, 638 |
BFHE 1973, 452 |