Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Bauerwartungsland als vorabentstandene Werbungskosten
Leitsatz (NV)
1. Aufwendungen für ein unbebautes Grundstück sind dann als vorabentstandene Werbungskosten abziehbar, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Bebauung des Grundstücks und einer anschließenden Vermietung oder Eigennutzung des Grundstücks besteht.
2. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang kann bei Bauerwartungsland gegeben sein, wenn ein Steuerpflichtiger schon bei der Anschaffung konkret damit rechnen konnte, das Grundstück nach einer überschaubaren Zeit bebauen zu dürfen, und wenn er seine erkennbare Bauabsicht auch nachhaltig zu verwirklichen sucht.
Normenkette
EStG 1981 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben im Jahre 1981 gemeinsam ein unbebautes Grundstück. Das Bauplanungsverfahren für den Bereich dieses Grundstücks entwickelte sich nach Auskunft der Gemeinde wie folgt: Der Grundstücksbereich wurde im Jahre 1973 in das Gemeindegebiet eingegliedert. In dem Eingliederungsvertrag wurde festgelegt, daß für das Gebiet ein Umlegungsverfahren und die Erschließung durchzuführen seien. Mit der Erschließung müsse im Jahre 1975 begonnen werden. Die Gemeinde beschloß im Jahre 1977 die Aufstellung eines Bebauungsplans. Dieser wurde im Jahre 1982 öffentlich ausgelegt. Am 3. Dezember 1982 wurde das Umlegungsverfahren eingeleitet. Der Bebauungsplan trat im Jahre 1984 in Kraft. Im folgenden Jahr begannen die Erschließungsarbeiten. Nach einer Bauvoranfrage im Jahre 1986 erhielten die Kläger im Jahre 1987 die Genehmigung zum Bau eines Einfamilienhauses.
Die Kläger machten für die Streitjahre 1981, 1982 und 1984 mit dem Grundstück zusammenhängende Finanzierungskosten als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den begehrten Werbungskostenabzug ab, weil das Grundstück in den Streitjahren noch nicht baureif gewesen sei.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 468 veröffentlichten Urteil teilweise statt. Es erkannte die strittigen Aufwendungen erst ab dem Zeitpunkt der Einleitung des Umlegungsverfahrens als vorab entstandene Werbungskosten an. Erst von diesem Zeitpunkt an habe sich die Bebauungsmöglichkeit so weit konkretisiert, daß mit späteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung habe gerechnet werden können.
Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Kläger als auch das FA Revision eingelegt. Beide Beteiligten rügen Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Kläger und des FA sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG ist bei seiner Entscheidung über die Abziehbarkeit der strittigen Finanzierungskosten als vorab entstandene Werbungskosten von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen.
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden Werbungskosten grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Januar 1990 IX R 17/85, BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465). Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zählen zu den Werbungskosten auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
Auch bereits vor dem Anfall von Einnahmen können Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Ein solcher Abzug ist von dem Zeitpunkt an gegeben, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Entschluß, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt worden ist (BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303; vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747).
2. Aufwendungen für ein unbebautes Grundstück sind dann als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Bebauung des Grundstücks und einer anschließenden Vermietung oder Eigennutzung des Gebäudes besteht. Der Wille, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, muß aus äußeren Umständen erkennbar sein und in ein konkretes Stadium getreten sein.
Der zeitliche Zusammenhang ist kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal für den Abzug von Werbungskosten. Es ist jedoch bei der tatrichterlichen Würdigung zur Entscheidung der Frage zu beachten, ob nach den Gesamtumständen ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit künftigen Einnahmen besteht (BFH-Urteil vom 8. Februar 1983 VIII R 130/79, BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554). Der BFH hat es in dem vorstehenden Urteil abgelehnt, starre Regeln für die Gewichtung der einzelnen Umstände bei der tatrichterlichen Würdigung aufzustellen. Auch andere Umstände können Indizien für einen wirtschaftlichen Zusammenhang bilden, wie z. B. der Abschluß von Bausparverträgen, um nach dem Grundstückserwerb nunmehr die Mittel für die Baukosten anzusparen, die Beauftragung eines Architekten oder eine Bauvoranfrage (BFH-Urteil in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554). Bei der tatrichterlichen Würdigung der Umstände kann in Zweifelsfällen schließlich auch das spätere Verhalten des Steuerpflichtigen miteinbezogen werden (BFH-Urteil vom 8. Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355).
3. Welche Bedeutung für den Abzug von Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten dem Umstand zukommt, daß ein Grundstück bei seinem Erwerb noch nicht bebaubar ist, ist umstritten (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Dezember 1988 VIII K 345/85, EFG 1989, 508, Revision IX R 145/89, und das Urteil der Vorinstanz in EFG 1988, 468).
Der erkennende Senat beurteilt die Bebaubarkeit eines Grundstücks als ein Indiz, das im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung aller gegebenen Umstände für einen wirtschaftlichen Zusammenhang von vorab entstandenen Grundstücksaufwendungen mit etwaigen späteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung spricht. Ist ein Grundstück hingegen im Erwerbszeitpunkt mangels eines Bebauungsplanes nicht bebaubar, so läßt sich - entgegen der Auffassung des FA - nicht allein aufgrund dieses Umstandes ein wirtschaftlicher Zusammenhang im vorstehenden Sinne allgemein ausschließen. Bezüglich dieses Umstandes sind starre Regeln für seine Gewichtung bei der tatrichterlichen Würdigung gleichermaßen abzulehnen, wie es der BFH bereits in seinem Urteil in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554 für den zeitlichen Zusammenhang getan hat. Das Zeitmoment kann von verschiedenen Umständen abhängen. Im vorliegenden Falle war es die Durchführung des gemeindlichen Planungsverfahrens, ohne die das Grundstück nicht bebaut werden konnte. Im Urteilsfalle in BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554 mußten der Kläger und seine Ehefrau vor der Verwirklichung ihrer Bauabsicht erst einmal die hierfür erforderlichen Geldmittel ansparen.
Der erkennende Senat verkennt dabei nicht, daß Bauerwartungsland häufig ohne eine konkrete Bauabsicht aus Spekulationsgründen erworben wird, um später einen Veräußerungsgewinn zu erzielen, sobald das Grundstück Baulandqualität erlangt hat. Zudem wird beim Grundstückserwerb oft noch ungewiß sein, ob das Grundstück jemals bebaubar sein wird. Dennoch hält der erkennende Senat einen wirtschaftlichen Zusammenhang von Grundstücksaufwendungen mit späteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dann nicht für ausgeschlossen, wenn ein Steuerpflichtiger schon bei der Anschaffung konkret damit rechnen konnte, das Grundstück nach einer überschaubaren Zeit bebauen zu dürfen und wenn er seine erkennbare Bauabsicht auch nachhaltig zu verwirklichen sucht. Dies festzustellen, gehört zu den tatrichterlichen Aufgaben.
4. Demnach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Außerdem hat es nicht sämtliche, nach den vorstehenden Ausführungen wesentlichen Umstände zur Beurteilung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den strittigen Aufwendungen und etwaigen späteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung festgestellt. Die Sache geht deswegen an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 63595 |
BFH/NV 1991, 741 |