Leitsatz (amtlich)
Wird durch formgültigen Vertrag schenkweise ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück versprochen, das Grundstück gleichzeitig an einen Dritten veräußert und dabei vereinbart, daß der Beschenkte von dem Erwerber des Grundstücks einen seinem Miteigentumsanteil entsprechenden Anteil am Kaufpreis erhalten soll, so ist Gegenstand der Schenkung nicht der mit dem Einheitswert zu bewertende Miteigentumsanteil, sondern der Anteil an der mit dem Nennwert zu bewertenden Kaufpreisforderung.
Orientierungssatz
Der Revisionsbeklagte kann mit einer Gegenrüge nicht solche Tatsachen in das Revisionsverfahren einführen, die er auf Grund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht bereits vor dem FG hätte geltend machen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 4.5.1977 I R 27/74).
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1-2; BewG 1965 § 12 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin zu 1 war Alleineigentümerin von neun Grundstücken. Sie ist Alleinerbin nach ihrem 1975 verstorbenen Ehemann. Zwischen der Klägerin zu 1 einerseits, ihrem Ehemann und ihren Geschwistern (den Klägern zu 2 und 3) andererseits sowie der X-Gesellschaft wurde am 27.Februar 1973 eine notariell beurkundete Vereinbarung geschlossen, die u.a. folgende Bestimmungen enthielt:
§ 1
Die Erschienene zu 1 (die Klägerin zu 1) überträgt von ihren im Grundbuch des Amtsgerichts .... eingetragenen Grundstücken Gemarkung .... je einen viertel Miteigentumsanteil auf die Erschienenen zu 2 und 3 (ihre Geschwister), die diese Übertragungen auf sich hiermit annehmen.
Ferner überträgt die Erschienene zu 1 auf ihren Ehemann, den Erschienenen zu 4, einen achtel Miteigentumsanteil an den vorstehend näher bezeichneten Grundstücken, der diese Übertragung hiermit ebenfalls auf sich annimmt.
Diese Übertragungen erfolgen entschädigungslos.
§ 2
Die Erschienenen zu 1, 2, 3 und 4 --nachstehend kurz "Verkäufer" genannt-- verkaufen und übertragen an die X-Gesellschaft ... --nachstehend kurz "Käuferin" genannt-- die im § 1 dieses Vertrages näher bezeichneten Grundstücke für den vereinbarten Kaufpreis von ...DM je Quadratmeter, mithin insgesamt ... DM ...
Gemäß § 1 dieses Vertrages haben von dem Kaufpreis zu erhalten:
die Erschienene zu 1 .... DM
der Erschienene zu 2 .... DM
die Erschienene zu 3 .... DM
der Erschienene zu 4 .... DM
Ein Teilkaufpreis von ....DM war sofort bei dem beurkundenden Notar auf Notaranderkonto zu hinterlegen, der Restkaufpreis war unmittelbar an die Verkäufer zu zahlen, wenn im einzelnen aufgeführte, im wesentlichen die Umschreibung des Kaufobjekts auf die Käuferin sichernde Voraussetzungen erfüllt waren.
In § 8 der Vereinbarung erklärten die Vertragschließenden die Auflassung dahingehend, daß das Eigentum an den in § 1 des Vertrages näher bezeichneten Grundstücken auf die Käuferin übergehen soll. Gleichzeitig wurde die Eintragung der entsprechenden Eigentumsumschreibung in das Grundbuch bewilligt und beantragt.
Gemäß § 10 der Vereinbarung bevollmächtigten "die Verkäufer und die Käuferin" den Bürovorsteher Y, "unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB für sie notwendige Änderungen dieses Vertrages entsprechend gerichtlicher Verfügungen für die Vertragsparteien gegenüber Gericht und Behörden abzugeben und entgegenzunehmen, überhaupt alle den genannten Grundbesitz betreffenden Grundbuchanträge und Bewilligungen zu stellen".
In einer weiteren notariellen Urkunde vom 1.März 1973 erklärte der Bürovorsteher aufgrund der vorgenannten Vollmacht u.a.:
Meine Vollmachtgeber und ich sind darüber einig, daß das Eigentum an den im § 1 der Bezugsurkunde näher bezeichneten Grundstücken, auf
a) Herrn ... (Kläger zu 2) zu 2/8 Anteil
b) Frau ... (Klägerin zu 3) zu 2/8 Anteil
c) Herrn ... (Ehemann der Klägerin zu 1) zu 1/8 Anteil
übergehen soll.
Ich bewillige, daß dieselben als Miteigentümer mit den genannten Miteigentumsanteilen in das Grundbuch eingetragen werden. Ich beantrage, auf Kosten der Erwerber die Eigentumsänderungen in das vorbezeichnete Grundbuch einzutragen.
Durch Steuerbescheide vom 20.September 1977 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin zu 1 (Schenkerin) als Erbin ihres Ehemanns, sowie gegen die Kläger zu 2 und 3 Schenkungsteuer fest, wobei die Anteile am Verkaufserlös zugrunde gelegt wurden.
Der gemeinschaftlich erhobenen Sprungklage, mit der der Ansatz der anteiligen Einheitswerte und damit die Herabsetzung der Schenkungsteuer auf null DM begehrt worden war, gab das Finanzgericht (FG) mit im wesentlichen folgender Begründung statt:
Die Schenkerin habe ihrem verstorbenen Ehemann und ihren Geschwistern Miteigentumsanteile an ihrem Grundbesitz geschenkt. Die Schenkung sei zwar erst durch die am 1.März 1973 durch den Bürovorsteher des Notars erklärte Auflassung vollzogen worden; da die Ermächtigung hierzu aber bereits in § 10 des Vertrages vom 27.Februar 1973 enthalten gewesen sei, seien beide Verträge als Einheit zu betrachten. Da auch der übereinstimmende Wille aller am Schenkungsvorgang beteiligten Personen auf die Übertragung von Miteigentumsanteilen gerichtet gewesen sei, wie sich aus dem Wortlaut des Vertrages vom 27.Februar 1973 eindeutig ergebe, habe das FG zu keiner anderen Entscheidung kommen können als der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 17.April 1974 II R 4/67 (BFHE 112, 414, BStBl II 1974, 521). Auf das Motiv der Schenkung, die Beschenkten an dem Veräußerungserlös teilhaben zu lassen, komme es nicht an. Unbeachtlich sei auch, daß Schenkungsvertrag und Kaufvertrag gemeinsam beurkundet worden seien. Hieraus sei nicht der Schluß zu ziehen, daß den Bedachten kein eigener Entscheidungsspielraum geblieben sei und sie sich dem Grundstücksverkauf faktisch nicht hätten entziehen können. Nicht entscheidungserheblich sei auch, daß die Schenkerin bereits vor der Schenkung Verkaufsverhandlungen geführt habe. Zwar könne eine Grundstücksübertragung zum Zweck der Geldbeschaffung im Einzelfall eine Geldschenkung darstellen, wenn das Geld von den Vertragsparteien übereinstimmend als Gegenstand der Zuwendung angesehen werde. Da die Geldbeschaffung als Motiv der Grundstücksschenkung nach der Rechtsprechung des BFH aber nicht ausreiche, um die Zuwendung als Geldgeschenk zu qualifizieren, könne ein solcher Wille, insbesondere auch unter Berücksichtigung der steuerlichen Folgen, selbst dann nicht angenommen werden, wenn die Absicht zum Grundstücksverkauf schon vor dem Abschluß des Schenkungsvertrages bestanden habe und vom Schenker entsprechende Verkaufsverhandlungen geführt worden seien.
Mit der Revision vertritt das FA die Auffassung, daß nur die Schenkung des anteiligen Verkaufserlöses gewollt gewesen sei. Die von den Vertragsparteien gewählte Rechtsgestaltung stelle einen Mißbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) dar.
Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das Urteil des FG muß aufgehoben werden, weil es auf einer Verletzung des § 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beruht.
a) Das FG hat die Vereinbarung vom 27.Februar 1973 und die Erklärungen des Bürovorstehers am 1.März 1973 als eine Einheit angesehen. Diese sei dahin auszulegen, daß die Klägerin zu 1 ihrem Ehemann sowie den Klägern zu 2 und 3 (Beschenkten) Miteigentumsanteile an den betreffenden Grundstücken geschenkt habe. Diese Auffassung wird jedoch durch den festgestellten Sachverhalt in Form des Textinhaltes der notariellen Urkunden nicht belegt.
Die Erklärungen des Bürovorstehers vom 1.März 1973 waren durch die Vollmacht gemäß § 10 der Vereinbarung vom 27.Februar 1973 nicht gedeckt. Nach dem Inhalt dieser Vollmacht sollte der Bürovorsteher lediglich notwendige Änderungen der Vereinbarung vom 27.Februar 1973 vornehmen können und "Grundbuchanträge und Bewilligungen ... stellen" können. Die erklärte Auflassung ging über diesen Rahmen hinaus. Sie war keine bloße Änderung der beurkundeten Vereinbarung und auch mehr als ein Antrag oder eine Bewilligung gemäß den §§ 13 und 19 der Grundbuchordnung (GBO). Es ist auch gar nicht ersichtlich, weshalb der Bürovorsteher zu einer solchen Auflassung hätte bevollmächtigt werden müssen. Die Vertragspartner hätten diese Auflassung bereits am 27.Februar 1973 ebenso wie die Auflassung an die X-Gesellschaft erklären können.
Demnach läßt sich die vom FG angenommene Einheit dem Inhalt der notariellen Urkunden vom 27.Februar und 1.März 1973 nicht entnehmen. Wohl aber läßt die Vereinbarung vom 27.Februar 1973 eine Einheit anderer Art erkennen, nämlich die Verknüpfung zwischen der Übertragung von Grundstücksmiteigentumsanteilen auf die Beschenkten und dem Verkauf dieser Anteile an die X-Gesellschaft. Dabei kann offenbleiben, ob mit dieser "Übertragung" nur die Verpflichtung zu dieser Übertragung oder zusätzlich auch ein --mangels Auflassung allerdings zumindest unvollständiger-- dinglicher Vollzug dieser Verpflichtung gemeint war. Jedenfalls konnten die Beschenkten nicht frei über ihre Rechte aus dieser Anteilsübertragung verfügen, weil die Miteigentumsanteile unmittelbar anschließend an die X-Gesellschaft verkauft wurden. Das ganze erweist sich daher als ein einheitliches Vertragswerk, mit welchem die Klägerin zu 1 den Beschenkten Teile der Kaufpreisforderung gegen die X-Gesellschaft unentgeltlich zuwendete. Dabei ist unerheblich, daß die Beschenkten selbst mit als Verkäufer der Grundstücke auftraten und in dieser Eigenschaft den Anspruch auf Teile des Kaufpreises erwarben. Auch bei der sog. mittelbaren Grundstücksschenkung werden die Hingabe des Geldes durch den Schenker an den Beschenkten und dessen Erwerb des Grundstücks als ein auf die Schenkung des Grundstückes gerichtetes einheitliches Vertragswerk angesehen ohne Rücksicht darauf, daß der Beschenkte als Käufer des Grundstückes auftritt und in dieser Eigenschaft das Grundstückseigentum erwirbt (vgl. z.B. das BFH-Urteil vom 13.April 1977 II R 162/71, BFHE 122, 332, BStBl II 1977, 663).
Die Kläger tragen zwar vor, "die Parteien des Schenkungsvertrages waren sich dahingehend völlig einig, daß die Grundstücksanteile Gegenstand der Zuwendung waren". Dieser Einwand bleibt aber erfolglos. Die Parteien mögen den Willen gehabt haben, Grundstücksanteile zu schenken. Haben sie jedoch diesen Willen nicht ausgeführt, wie die Vertragsgestaltung zeigt, so kann er für die Erhebung der Schenkungsteuer auch nicht beachtlich sein.
b) Das Testament des Vaters der Kläger vom ... kann der Senat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen.
Nach diesem Testament erbte u.a. die Klägerin zu 1 den landwirtschaftlichen Besitz des Erblassers und sollte bei einem Verkauf innerhalb von 25 Jahren ihre Geschwister (die Kläger zu 2 und 3) zu je 1/4 am Reinerlös beteiligen. Die Kläger haben dieses Testament erstmals dem BFH nach Erlaß des Vorbescheides mit ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs.3 Satz 2 und § 121 FGO überreicht. Nach § 118 Abs.2 FGO scheidet es daher als Grundlage für das vorliegende Urteil aus; denn die von den Klägern vor dem Senat erhobene Gegenrüge, das FG habe bezüglich des Testaments seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist zwar zulässig aber unbegründet. Weder enthält die notarielle Urkunde vom 27.Februar 1973 einen Hinweis auf das Testament noch hatte das FG aus sonstigen Gründen Anlaß, hier nach einer letztwilligen Verfügung zu forschen. Es wäre im Gegenteil in erster Linie prozessuale Mitwirkungspflicht der Kläger gewesen, dieses Testament dem FA oder spätestens dem FG vorzulegen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4.Mai 1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802).
Fundstellen
Haufe-Index 60954 |
BStBl II 1985, 380 |
BFHE 143, 287 |
BFHE 1985, 287 |
BB 1985, 1777-1778 (ST) |
DB 1985, 1622-1623 (ST) |
DStR 1985, 447-447 (L) |
HFR 1985, 377-377 (ST) |