Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bindung eines Landwirts an den früher gewählten Verzicht auf die Aktivierung seiner Feldbestände
Leitsatz (amtlich)
Ein Landwirt kann jederzeit zu einer Aktivierung seiner Feldbestände übergehen. Das ihm von der Finanzverwaltung eingeräumte Wahlrecht, auf die Aktivierung seiner Feldbestände zu verzichten, bindet ihn nicht.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1; EStR R 131 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 1999, 689; Lexinform-Nr. 0551017) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 1992 als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie waren Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, für den sie den Gewinn bis zum 30. Juni 1985 nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten. Beim Übergang zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG verzichteten sie in der Anfangs(Übergangs-)bilanz zum 1. Juli 1985 und den Bilanzen der folgenden Stichtage auf eine Aktivierung des Feldinventars entsprechend den Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. Januar 1970 (BStBl I 1970, 184 zu Nr. 4) und vom 15. Dezember 1981 (BStBl I 1981, 878, 880 zu 3.1.3). Das Feldinventar wurde erstmals in der Bilanz zum 30. Juni 1993 unter Ansatz amtlich bekannt gegebener Inventurwerte in Höhe von 45 382,90 DM angesetzt und diese Aktivierung seitdem beibehalten. Für das Wirtschaftsjahr 1992/93 ermittelten die Kläger danach einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 52 000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte die Aktivierung nicht an, verminderte den Gewinn entsprechend und setzte die Einkommensteuer auf 0 DM fest.
Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, der Ausübung des Aktivierungswahlrechts für die Feldbestände stehe das Stetigkeitsgebot nicht entgegen.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG verkenne sowohl den handelsrechtlichen Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 des Handelsgesetzbuchs ―HGB―) als auch das steuerrechtliche Willkürverbot und die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Kläger ihre Feldbestände erstmals in der Bilanz zum 30. Juni 1993 aktivieren konnten.
1. Mit der der Höhe nach unstreitigen Aktivierung des Feldinventars haben die Kläger erstmals in der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahrs 1992/93 zutreffend das Betriebsvermögen ausgewiesen, das als Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewinns durch Bestandsvergleich maßgebend ist. Bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehört auch das als Umlaufvermögen auszuweisende Feldinventar zum Betriebsvermögen i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, das nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen ist.
Allerdings hat die Finanzverwaltung den Land- und Forstwirten das "Wahlrecht" eingeräumt, auf die Aktivierung ihrer Feldbestände zu verzichten (BMF in BStBl I 1970, 184 zu Nr. 4, und in BStBl I 1981, 878, 880 zu 3.1.3; Abschn. 131 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR― 1984 ff., R 131 Abs. 2 EStR 1993 ff.). Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Rechtsgrundlage für das "Wahlrecht" in § 148 der Abgabenordnung (AO 1977) gesehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. Januar 1986 IV R 130/84, BFHE 146, 72, BStBl II 1986, 399). Er ist davon ausgegangen, dass das einmal in Anspruch genommene Wahlrecht auf Nichtaktivierung den Landwirt bei gleichbleibenden betrieblichen Verhältnissen auch für die Zukunft bindet (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1984 IV R 212/82, BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391, 393, und vom 14. April 1988 IV R 96/86, BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672). An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest. § 148 AO 1977 regelt nur die Einhaltung der durch die Steuergesetze begründeten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, nicht aber das materielle Bilanzrecht. Außerdem ermächtigt die Vorschrift nur zur Bewilligung von "Erleichterungen", jedoch nicht zum Verzicht auf materiell zwingend vorgeschriebene Aktivierungen. Stellt sich deshalb das "Wahlrecht" nur als eine Billigkeitsmaßnahme i.S. des § 163 AO 1977 dar, so kann dem Steuerpflichtigen die Rückkehr zu einer bilanzrechtlich zwingend vorgeschriebenen Aktivierung zum nächsten noch offenen Bilanzstichtag mit der Folge nicht verwehrt werden, dass er wegen des Grundsatzes der materiellen Bilanzkontinuität daran auch für die Zukunft gebunden ist. So sind die Kläger verfahren.
Fundstellen
Haufe-Index 425666 |
BFH/NV 2000, 1165 |
BStBl II 2000, 422 |
BFHE 191, 527 |
BFHE 2001, 527 |
BB 2000, 1509 |
DB 2000, 1495 |
DStRE 2000, 786 |
HFR 2000, 647 |
StE 2000, 446 |
WPg 2000, 911 |
FR 2000, 876 |
LEXinform-Nr. 0553961 |
Inf 2000, 538 |
NWB 2001, 2998 |
BBK 2000, 645 |
NWB-DokSt 2001, 335 |
StSem 2001, 0 |
stak 2000 |