Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkungsteuerpflicht bei Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft kann nur in Sonderfallen als steuerbare freigebige Zuwendung angesehen werden. Entscheidend ist, ob durch den Abschluss des Güterrechtsvertrags vor allem die rechtliche Ordnung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder schon erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollten.
2. Soweit wegen der Mitarbeit des Ehegatten im Erwerbsgeschäft des anderen Ehegatten ein Rechtsanspruch auf angemessene Beteiligung am gemeinsam erarbeiteten Vermögen besteht, fehlt es schon objektiv an einer Schenkung. Von Fällen eines offensichtlichen Missverhältnisses abgesehen, wird eine Bereicherungsabsicht dann nicht einwandfrei dargetan sein, wenn nach den Wertvorstellungen der Ehegatten ein Ausgleich wenigstens annähernd erzielt werden sollte oder wenn ein objektives Mißverhältnis, ein Wertunterschied dem Zuwendenden nicht bewusst war.
Normenkette
ErbStG 1951 § 3
Tatbestand
I.
Die Bfin. war seit 1920 mit dem Kaufmann X verheiratet. Durch notariellen Vertrag von Anfang Juni 1953 vereinbarten die Ehegatten die allgemeine Gütergemeinschaft „mit Rücksicht darauf, daß die Ehefrau X an dem Aufbau der Firma und der Durchführung der Geschäfte einen maßgebenden Anteil hatte”. An demselben Tag errichteten die Eheleute ein Testament, in dem sie bestimmten, daß nach dem Ableben des Erstversterbenden keine fortgesetzte Gütergemeinschaft eintreten solle und sie zu Erben des Erstversterbenden den überlebenden Eheteil zu 3/5 und ihre beiden Kindern zu je 1/5 einsetzten. Der Ehemann starb Mitte Juli 1953 im Alter von 59 Jahren.
Das FA erblickte in der Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft eine freigebige Zuwendung des Ehemannes an die Bfin. in Höhe der Hälfte des Stichtagsvermögens des Ehemannes von (rund 1 Mio: 2) 500.000 DM.
Ihren Einspruch begründete die Bfin. im wesentlichen damit, daß das erworbene Vermögen gemeinsam verdient sei und demzufolge beiden Ehegatten etwa zur Hälfte gehören müsse. Bei Vertragsabschluß habe der Ehemann als verantwortlicher Leiter der Firma noch voll im Erwerbsleben gestanden. Die Ehegatten hätten durch den Ehevertrag nur die durch das Gleichberechtigungsgesetz eingeführte Regelung vorweggenommen.
Nach erfolglosem Einspruch machte die Bfin. mit der Berufung vor allem noch geltend, nach dem 1. April 1953 habe nicht nur ein moralischer, sondern ein Rechtsanspruch im Sinne eines Ausgleichsanspruches der gleichberechtigten Ehefrau bestanden, so daß § 516 BGB insoweit nicht mehr anwendbar sei. Die Tatsache, daß die Vereinbarung nach dem 1. April 1953 abgeschlossen worden sei, beweise, daß der Ehemann hierdurch nur einer – inzwischen auch erbschaftsteuerrechtlich durch § 5a ErbStG (= § 6 ErbStG 1959) berücksichtigten – gesetzlichen Verpflichtung genügt habe. Dafür, daß die Absicht der Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht vorgelegen habe, bot die Bfin. Zeugenbeweis an.
Das FG wies die Berufung als unbegründet zurück …
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Bfin. mangelnde Sachaufklärung H durch das FG, insbesondere durch Nichterheben der angebotenen Beweise. Vor allem sei bestehendes Recht deshalb verletzt, weil schon im Hinblick auf den gemäß Art. 117 Abs. 1 GG bereits ab 1. April 1953 wirksamen Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 GG im Streitfall jede Bereicherungsabsicht des Ehemannes bezüglich des gemeinsam erworbenen Vermögens verneint werden müsse.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Der erkennende Senat hat – allerdings zu einem etwas anders gelagerten Sachverhalt – in dem Urteil II 78/60 U vom 29. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 202) entschieden, daß in der Vereinbarung einer allgemeinen Gütergemeinschaft nur in Sonder fällen eine steuerbare freigebige Zuwendung gesehen werden und daß nur aus den gesamten Umständen des Einzelfalles auf die Absicht der Eheleute geschlossen werden kann, ob durch den Abschluß des Güterrechtsvertrages vor allem die rechtliche Ordnung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder schon erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollten. Der Senat nimmt auf die Rechtsausführungen dieses Urteils und die dort angeführte Rechtsprechung der Steuer- und Zivilgerichte Bezug.
Da für die Einführung der allgemeinen Gütergemeinschaft im allgemeinen andere Erwägungen als der Wille der Bereicherung des anderen Ehegatten maßgebend sind (vgl. auch Entscheidung des RFH I a A 8/21 vom 18. Februar 1921, Slg. Bd. 5 S. 72, 74; III e 37/40 vom 12. Mai 1942, RStBl 1942 S. 580), müssen besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer schenkungsteuerpflichtigen freigebigen Zuwendung rechtfertigen. Dementsprechend sind an die Nachweislast der Finanzverwaltungsbehörden und an die Aufklärungspflicht der Steuergerichte erhöhte Anforderungen zu stellen, das Vorliegen eines Ausnahmesachverhalts einwandfrei zu ermitteln. Die bloße Vermutung des FG, es könne nicht angenommen werden, daß der Ehemann sich rechtlich zur Vermögensübertragung für verpflichtet gehalten habe, gestattet jedenfalls noch nicht den Schluß, der Ehemann habe den Umständen nach Bewußtsein und Willen zur unentgeltlichen Zuwendung gehabt. Dies um so weniger, als das FG ohne entsprechende Feststellungen davon ausgeht, daß die Bfin. ihren Ehemann nur „gelegentlich” geschäftlich unterstützt habe. Demgegenüber hatte die Bfin. stets betont, daß sie häufig durch Rat und Tat im Geschäft mitgearbeitet habe und daß sie durch ihre wesentliche Hilfe am Aufbau des Betriebs von kleinsten Anfängen zu einem leistungsfähigen Unternehmen in einem Umfange beigetragen habe, daß das erworbene Vermögen als gemeinsam verdient betrachtet werden müsse. Da im Streitfall den tatsächlichen Verhältnissen, vor allem den subjektiven (inneren) Merkmalen, ein besonderes Gewicht zukommt, hätte das FG auf Grund des Gebots, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§§ 204, 243 AO), alle nur erreichbaren tatsächlichen Anhaltspunkte aufgreifen müssen, um den mit größter Wahrscheinlichkeit zutreffenden Sachverhalt zu ermitteln. Da bei weiterer Sachverhaltsfeststellung die Möglichkeit einer anderen Entscheidung nicht auszuschließen ist, war die Vorentscheidung schon wegen des gemäß § 290 Abs. 1 AO gerügten Verfahrensverstoßes der mangelnden Sachaufklärung aufzuheben (vgl. auch Urteile des BFH IV 250/50 U vom 2. Februar 1951, BStBl 1951 III S. 65, 67, 1. Sp. Mitte, Slg. Bd. 55 S. 171, 177; IV 213/57 U vom 30. Oktober 1958, BStBl 1959 III S. 104, 105, 1. Sp. unten, Slg. Bd. 68 S. 268, 270; II 249/59 vom 9. August 1961, HFR 1961 Nr. 285 S. 278, 279, 1. Sp. unten; Berger, Der Steuerprozeß, § 243 AO Anm. 2, S. 250, § 278 AO Anm. 4, S. 426).
2. Die Sache ist aus den folgenden Gründen nicht spruchreif und wird deshalb zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurückverwiesen.
Es ist den Vorinstanzen zwar zuzugeben, daß der erhebliche Vermögensunterschied in Verbindung mit dem Abschluß des Ehevertrages nach 33jähriger Ehe, der gleichzeitigen Errichtung eines Testaments (unter Ausschluß der fortgesetzten Gütergemeinschaft) und dem Tode des Ehegatten bereits wenige Wochen später darauf schließen lassen können, daß die Ehegatten durch diese Gestaltung vor allem erbrechtliche Wirkungen herbeiführen wollten (vgl. Entscheidungen des RFH VI A 61/22 vom 29. März 1922, Slg. Bd. 9 S. 9 ff.; I e A 350/30 vom 2. Dezember 1930, Slg. Bd. 27 S. 324 ff., 329 f.; Entscheidung des BFH III 305/51 vom 26. September 1952, DVStR 1953 S. 107 ff.). Diese Folgerung würde erhärtet, wenn – entgegen den bisherigen Angaben der Bfin., daß der Ehemann plötzlich verstorben und, noch mitten im Erwerbsleben stehend, kurz vorher Pläne zur Erweiterung des Betriebs erörtert habe – die weitere Aufklärung ergäbe, daß bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Güterrechtsvertrages Anhaltspunkte vorlagen, die das Ableben des 59jährigen Ehemannes befürchten ließen. Andernfalls wird das FG der Behauptung des protokollierenden Notars, daß er im Regellfall auf die gleichzeitige Protokollierung güterrechtlicher und erbrechtlicher Vereinbarungen hinwirke, die gebührende Beachtung zu widmen haben.
Das FG hat auch zutreffend ausgeführt, daß im allgemeinen nur eine Rechts pflicht, nicht aber das bloße Gefühl einer moralischen (sittlichen) Pflicht, den Ehegatten am erworbenen Vermögen beteiligen zu wollen, die Unentgeltlichkeit einer Zuwendung wird ausschließen können (Entscheidungen des RFH VT 61/22, a.a.O., S. 15; Ie A 56/31 vom 7. Juli 1931, RStBl 1931 S. 675). Richtig ist ferner, daß auch für die Zeit ab 1. April 1953 bis zum 30. Juni 1958 auf Grund des Gleichberechtigungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 2 GG allein auf güterrechtlicher Grundlage ein Ausgleichsanspruch des nichtverdienenden Ehegatten für den während der Ehe erzielten Zugewinn nicht entstanden ist. Die Vorschriften des Gleichberechtigungsgesetzes sind erst ab 1. Juli 1958 in Kraft getreten und für die vorausgegangene Zeit auch für die Rechtsprechung nicht bindend (Donau in NJW 1958 S. 250). Das BVerfG hat vielmehr in den Gründen des Urteils 1 BvL 32/57 vom 24. Januar 1962 (BStBl 1962 I S. 492, 497, 1. Sp. 2. Absatz) betont, daß das gesetzliche Güterrecht weder eine Gemeinschaft des Eigentums noch der Benutzung begründet und daß die Ehe dem Ehegatten kein irgendwie geartetes Prüfungs-, Mitbestimmungs-, Anteils- oder Gewinnbeteiligungs. recht gibt. Deshalb rechtfertigt sich auch aus den vom FG angeführten Gründen keine andere Beurteilung aus § 5a ErbStG (= § 6 ErbStG 1959), der nach Art. 3 des o.a. Änderungsgesetzes erst auf Erwerbe anzuwenden ist, für welche die Steuerschuld nach dem 30. Juni 1958 entstanden ist oder entsteht.
War aber ein Ehegatte nicht nur im Haushalt tätig, sondern am Erwerb des Vermögens unmittelbar durch seine Mitarbeit am Erwerbsgeschäft des anderen Ehegatten beteiligt und beruhen Vermögensteile auf Ersparnissen auch aus dieser Tätigkeit, so kann dem mitarbeitenden Ehegatten ein Rechtsanspruch auf eine Vergütung, gegebenenfalls auf eine Erfolgsvergütung oder auf eine irgendwie geartete Beteiligung jedenfalls dann nicht versagt werden, wenn die Mitarbeit über gelegentliche und unbedeutende Hilfeleistungen im Rahmen des § 1356 Abs. 2 BGB hinausgeht (vgl. auch Entscheidung des BGH II ZR 44/52 vom 20. Dezember 1952, BGHZ Bd. 8 S. 244 ff., 252, 253). In welchem Umfange die Ehegatten zur gegenseitigen Mitarbeit verpflichtet sind, wird letztlich vom ehegerechten Ermessen der Ehegatten selbst abhängen (Entscheidung des RG VI 21/06 vom 8. Oktober 1906, RGZ Bd. 64 S. 323, 328; Scheffler in Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 10. und 11. Auflage, 1960, § 1356 Anm. 25 S. 45). Wenn schon eine für Dienste im Rahmen des § 1356 Abs. 2 BGB gewährte Vergütung nicht als reine Schenkung anzusehen ist (Scheffler, a.a.O.; Vogel in Soergel-Siebert, BGB, 9. Auflage, 1963, § 1356 Tz. 27), so kann erst recht bei einer über den Rahmen der Hilfeleistungen im obigen Sinne hinausgehenden Mitarbeit nur ausnahmsweise angenommen werden, dem mitarbeitenden Ehegatten habe die Absicht gefehlt, einen Anteil an dem gemeinsam Erarbeiteten zu erlangen. Ob und in welchem Umfange ein solcher Anteil zu gewähren ist, kann nur im Einzelfall unter Würdigung von Art, Umfang und Schwierigkeit des Betriebs und von zeitlicher und kräftemäßiger Beanspruchung des Ehegatten und dessen Fähigkeiten abhängen (Scheffler, a.a.O., Anm. 16, S. 43, Anm. 20, S. 44; Vogel in Soergel-Siebert, a.a.O., Tz. 26 und 28, S. 46). Ob bei einer derartigen betrieblichen Mitarbeit der Ehefrau eine – auch stillschweigend und formlos mögliche – Innengesellschaft anzunehmen ist (Entscheidungen des BGH II ZR 44/52, a.a.O., S. 255; IV ZR 52/60 vom 5. Oktober 1960, Ehe und Familie 1961, S. 212, 214 r. Sp. 2. Absatz; Vogel in Soergel-Siebert, a.a.O. Tz. 31, S. 47; Palandt, BGB, 21. Aufl., 1962, § 1356 Anm. 3) oder ob der Rechtsanspruch aus familiengerechter Lösung allein auf den Erfolg gemeinsamer Arbeit gestützt werden sollte (vgl. Gernhuber, Ehe und Familie 1959 S. 465 ff., 472, 1. Sp. oben), ist jedenfalls für die schenkungsteuerrechtliche Frage der objektiven Entgeltlichkeit einer Zuwendung und des subjektiven Bereicherungswillens des Zuwendenden nach Auffassung des Senats rechtsunerheblich. Soweit ein Rechtsanspruch auf Beteiligung an gemeinsam erarbeitetem Vermögen besteht, fehlt es schon objektiv an einer Schenkung im Sinne des § 3 ErbStG. Wenn außerdem bei Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft die Tatsache eines erheblichen Vermögensunterschiedes allein noch nicht die Annahme einer Schenkung rechtfertigt (Entscheidung des RFH VI A 61/22, a.a.O., S. 13), da die eheliche Bindung einen Ehegatten erfahrungsgemäß oft veranlaßt, dem anderen einen Sachwert gegen ungewöhnlich niedriges Entgelt zu überlassen (Entscheidung des OLG Nürnberg 3 U 206/52 vom 22. September 1953, Deutsche Notar-Zeitung 1955 S. 202, und Beschl. 2 W 162/59, Ehe und Familie 1960, S. 150, BB 1960 S. 307), so muß dies erst recht gelten, wenn der nicht oder weniger vermögende Ehegatte dem gemeinsamen Betrieb seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hat. Von Fällen eines offensichtlichen Mißverhältnisses abgesehen, wird eine Bereicherungsabsicht dann nicht einwandfrei dargetan sein, wenn nach den Wertvorstellungen der Ehegatten ein Ausgleich wenigstens annähernd erzielt werden sollte oder wenn ein objektives Mißverhältnis, ein Wertunterschied dem Zuwendenden nicht bewußt ist (vgl. auch Entscheidungen des RFH Ve A 460/26 vom 5. November 1926, Slg. Bd. 20 S. 98, 102; Ve 308/25 vom 19. Dezember 1925, RStBl 1926 S. 126). Das FG, wird also vornehmlich Ermittlungen über Art und Umfang der Mitarbeit der Bfin. im Großhandelsbetrieb ihres Ehemannes nachzuholen haben, die erst die rechtliche Schlußfolgerung erlauben, ob im Hinblick auf einen möglichen Rechtsanspruch der Bfin. auf angemessenen Ausgleich für ihre Tätigkeit überhaupt objektiv eine freigebige Zuwendung vorliegt oder doch subjektiv die Bereicherungsabsicht nicht in einer die Schenkungsteuerpflicht auslösenden Art nachgewiesen werden kann.
Fundstellen