Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Bornitrid
Leitsatz (NV)
1. Auch Bornitrid mit kubischer Kristallstruktur rechnet zu den Nitriden im zolltariflichen Sinne. Es ist kein Pulver von synthetischen Steinen.
2. Der besondere Charakter des Zolltarifs verbietet es, aus einer für andere Waren getroffenen Regelung Analogie- oder Gegenschlüsse zu ziehen.
Normenkette
KN Unterpos. 2850 0030; KN Pos. 7105; KN Pos. 7104; KN Pos. 6805; KN Anm. 3f zu Kap. 28
Tatbestand
In der der Klägerin von der beklagten Oberfinanzdirektion (OFD) erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr. ... vom 25. März 1992 - wurde X, schwarzgraues Pulver aus kristallinen Körnern (kubisches Bornitrid), gewonnen durch Umwandlung von hexagonalem Bornitrid in einem Hochdruck-Hochtemperatur-Prozeß, zur Verwendung als Schleifmittel (insbesondere in Schleifscheiben), als Nitrid der Unterposition 2850 0030 der Kombinierten Nomenklatur zugewiesen. Eine Einreihung in die Position 7105 - ... Pulver von ... synthetischen Steinen - wurde ausgeschlossen (bestätigt durch Einspruchsentscheidung ...).
Gegen diese vZTA richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, Bornitrid im Sinne der zolltariflichen Erläuterungen sei zwar das Ausgangsmaterial. Die Ware selbst (mit kubischer Kristallstruktur) entspreche diesem aber nicht. Sie stelle sich als Pulver aus synthetischen Steinen dar. Unerheblich sei, daß es einen entsprechenden synthetischen Stein (der Position 7104) zur Zeit nicht gebe. Im industriellen Bereich verwendetes synthetisches Diamantenpulver könne auch durch unmittelbare Umformung des Rohstoffs (in der Regel Graphit) hergestellt werden. Entsprechendes müsse auch für das vorliegende Pulver gelten. Dieses sei mithin der Position 7105 zuzuordnen und dementsprechend von Kapitel 28 ausgeschlossen.
Die OFD führt aus, die kubische Variante des Bornitrids sei nicht von der Unterposition 2850 0030 ausgenommen. Für die Einreihung der in Position 2850 aufgeführten chemischen Verbindungen sei deren kristalline Struktur unmaßgeblich. Ein Pulver von synthetischen Steinen liege, auch im Hinblick auf die Verwendung der Ware (außerhalb der Schmuckherstellung), nicht vor. Kubisches Bornitrid entspreche, anders als synthetischer Diamant, nicht den Anforderungen der Position 7104.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtene vZTA verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die von der OFD vorgenommene zolltarifliche Einreihung der Ware in die Position 2850 ist nicht zu beanstanden. Die Ware wird nach ihrer Beschaffenheit von der Unterposition 2850 0030 erfaßt. Sie stellt sich nicht - auch - als Pulver von synthetischen Steinen dar und ist mithin nicht gemäß Anm. 3f. zu Kap. 28 von diesem Kapitel ausgeschlossen.
Die Position 2850 erfaßt bestimmte Verbindungen, u.a. Nitride (Unterposition 0030), auch chemisch nicht einheitlich, darunter Nichtmetallnitride wie Bornitrid (Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Position 2850 Rz. 01.0, 07.0, 25.0). Auf die Kristallstruktur einer solchen Verbindung wird nicht abgestellt. Sie gehört nicht zu den hier zolltariflich maßgebenden objektiven Merkmalen, die nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 1. April 1993 C-256/91, HFR 1993, 627) für die Einreihung bestimmend sind. Auch Bornitrid mit kubischer Kristallstruktur rechnet damit zu den Nitriden. Daran ändert nichts, daß ein solches Bornitrid möglicherweise früher noch nicht bekannt gewesen war. Der Wortlaut der Tarifposition trifft auch auf ein derartiges Erzeugnis zu. Ohne Bedeutung ist, daß nach den Erläuterungen (ErlHS zu Position 2850 Rz. 07.0) Bornitrid als weißes, leichtes, feuerfestes, als Wärmeisolator und elektrischer Isolator verwendetes Pulver definiert wird, mit einer Beschaffenheit also, wie sie hier nicht vorliegt. Die Erläuterungen vermögen die zolltarifliche Rechtsnorm nicht einzuschränken. Es kann auch nicht angenommen werden, daß eine Beschränkung bezweckt ist. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Erläuterungen lediglich das seinerzeit bekannte oder gängige Bornitrid beschreiben. Nachdem nunmehr Bornitrid auch in anderer Beschaffenheit erzeugt wird, kann in den Erläuterungen nur eine beispielhafte Anführung gesehen werden.
Pulver von synthetischen Steinen (Position 7105) liegt nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Stein aus Bornitrid, wenn es ihn gäbe, überhaupt als synthetischer Stein der Position 7104 in Betracht käme (was zumindest dann zweifelhaft wäre, wenn synthetische Steine stets Schmucksteine sein müßten; vgl. insoweit die Gleichsetzung der Begriffe in ErlHS zu Position 7104 Rz. 02.2, zu Kap. 28 Rz. 76.0; zu Kap. 71 Rz. 02.0, sowie die englische Sprachfassung der Position 7105: ... of ... precious or semi-precious stones). Das hier zu beurteilende Pulver ist jedenfalls kein solches von ... Steinen (de pierres; of stones; vgl. auch ErlHS zu Position 7105 Rz. 01.0). Es ist vielmehr, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, aus einem Bornitrid i.S. von ErlHS zu Position 2850 Rz. 07.0 (Pulver) hergestellt. Damit entspricht die Ware nicht den Erfordernissen für eine Zuweisung zu Position 7105, zu denen eine Herstellung von Steinen gehört (vgl. zu einem entsprechenden tarifierungsbestimmenden Merkmal Senat, Urteil vom 26. März 1991 VII K 17/90, BFH/NV 1992, 212 - Mehl -). Ein anderes Ergebnis läßt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, daß ein bestimmtes anderes Pulver der Position 7105 - synthetisches Diamantenpulver - durch unmittelbare Umformung von (in der Regel) Graphit bei hohen Temperaturen und hohem Druck hergestellt wird (ErlHS zu Position 7105 Rz. 02.0), also nicht von Steinen, und daß eine gleiche Gewinnungsart auch bei der vorliegenden Ware anerkannt werden müsse. Aus der Zuweisung von synthetischem Diamantenpulver in die Position 7105 läßt sich kein Analogieschluß für die Einreihung der vorliegenden Ware gewinnen. Der besondere Charakter des Zolltarifs verbietet es, aus einer für andere Waren getroffenen Regelung Analogie- (oder Gegen-)Schlüsse zu ziehen (Senat, Urteile vom 21. August 1990 VII K 16-26/89, BFH/NV 1991, 422, und vom 6. November 1990 VII R 38/87, BFHE 162, 524, 527). Dies gilt auch gegenüber einer sich aus den Erläuterungen ergebenden Tarifentscheidung (die hier möglicherweise im Hinblick auf eine Beschaffenheit wie von Diamanten als Schmucksteinen erfolgt ist). Der Annahme, daß die Position 7105 schlechthin aus Pulver hergestelltes Pulver erfasse, steht, wie ausgeführt, der Tarifwortlaut entgegen.
Die Ware wird schließlich auch nicht von der Position 6805 - Schleifstoffe in Pulverform, auf einer Unterlage - erfaßt. Hierfür fehlt es an der insoweit erforderlichen Unterlage, die nach dem Tarifwortlaut wesentlich und somit unverzichtbar ist. Die Allgemeine Vorschrift 2a kann im Hinblick hierauf nicht angewandt werden.
Zweifel bei der Auslegung der maßgeblichen zolltariflichen Vorschriften bestehen nicht. Der Wortlaut der Tarifpositionen 2850 und 7105 ist eindeutig. Es ist somit nicht veranlaßt, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen
Haufe-Index 419309 |
BFH/NV 1994, 426 |